Gelsenkirchen. Während Altenheim-Bewohner bisher große Impfbereitschaft zeigen, sieht es bei Pflegern anders aus. Gründe, Erwartungen und Forderungen.

Auf die frohe Botschaft des Impfstarts in NRW folgte der erste Rückschlag: In Gelsenkirchener Heimen wie auch in Senioreneinrichtungen anderer Ruhrgebietsstädte, in denen das Corona-Vakzin bereits zum Einsatz gekommen ist, signalisierte nur etwa die Hälfte des Personals Impfbereitschaft. Allerdings unterscheidet es sich je nach Einrichtung, wie ausgeprägt der Wille zum kleinen Stich ist.


Zurückhaltung spürt man bislang auch bei den Ambulanten Pflegediensten Gelsenkirchen (APD). Während etwa 90 Prozent der Patienten bereit seien, sich impfen zu lassen, seien es unter den 450 Mitarbeitern nur etwa 60 Prozent, teilte Geschäftsführer Claudius Hasenau auf Nachfrage mit. „Das macht uns durchaus Sorgen.“

APD-Chef: Keinen Druck auf die Pfleger aufbauen


Genau wie im Rest der Bevölkerung gebe es auch bei Pflegekräften Menschen, die verständlicherweise skeptisch gegenüber Neuem seien. Zusätzlich beobachtet Hasenau bei den Pflegern eine wachsende Abwehrhaltung gegenüber der Forderung, immer noch mehr in der Krise leisten zu müssen. „Die Pflegekräfte wissen um ihre Verantwortung, aber sind bereits mehrmals über ihre Grenzen hinausgegangen“, sagt der APD-Chef, der es deshalb für „maximal falsch“ hält, nun Druck auf die Fachkräfte aufzubauen. „Ich warne davor, moralischen oder emotionalen Zwang auf Pflegekräfte auszuüben. Jeder hat in unserem System das Recht, Ja oder Nein zu sagen – und das muss man akzeptieren." Wichtiger sei es, Ängste ernst zu nehmen und im vertrauensvollen Dialog zu bleiben.


Hasenau hofft, dass durch weitere Aufklärung in seinem Betrieb, die Impfbereitschaft steigt. Wann dort überhaupt geimpft werden kann, ist allerdings noch nicht klar. Aktuell geht er davon aus, dass die 18 Demenz-WGs der APD gleichbehandelt werden wie die stationären Pflegeeinrichtungen, in denen nun zuallererst nach und nach geimpft wird. Danach sollen auch die ambulant versorgten Patienten eingebunden werden.

St. Augustinus geht von Impfbereitschaft über 70 Prozent im Personal aus


Eine Impfdosis erhalten haben bereits 78 der 83 Bewohner im Altenheim St. Josef - eine der drei Senioreneinrichtungen der St. Augustinus GmbH. Mitarbeiter des Heims in Erle seien noch nicht geimpft worden, teilte Unternehmenssprecher Wolfgang Heinberg mit. Man habe den vulnerablen Gruppen den Vorrang gelassen. Sobald das Personal Zugriff zum Vakzin erhält, rechne man jedoch mit einem vergleichsweise ausgeprägten Willen. „Wir gehen beim Personal der Senioreneinrichtungen von einer Impfbereitschaft von deutlich über 70 Prozent aus“, sagte Heinberg mit Bezug auf eine unternehmensinterne Befragung. Anreize zu schaffen, um eine noch höhere Zahl zu erzielen, halte man für den falschen Weg. „Wir setzen auf Freiwilligkeit und Eigenverantwortung.“


Ob es in der Belegschaft der vier Gelsenkirchener Krankenhäuser der St. Augustinus GmbH (Marienhospital, Sankt Marienhospital Buer, Elisabeth Krankenhaus, St. Josef-Hospital) ähnlich aussieht, kann das Unternehmen aktuell noch nicht mitteilen. Hier befinde man sich noch in den Befragungen, so Heinberg.

Awo wünscht sich mehr Aufklärung seitens Bund und Länder


Beim hiesigen Bezirksverband der Arbeiterwohlfahrt (Awo) ist man nach Angaben von Sprecher Jörg Richard von Anfang an davon ausgegangen, dass es im Pflegepersonal zunächst keine größere Impfbereitschaft geben wird als im Rest der Bevölkerung. Um mehr Mitarbeiter zu motivieren hat die Awo Westliches Westfalen einen appellierenden Brief an alle Mitarbeiter verschickt. „Wir wollen nicht ‚überreden‘ sondern überzeugen“, sagt Richard zu dem Schreiben, indem es unter anderem heißt: „Wir sind sicher, dass dies in Ihrem eigenen Interesse ist, dass es der Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner dient und somit uns allen hilft […] Lassen auch Sie sich impfen und helfen dadurch der Gemeinschaft in Ihrem Seniorenzentrum.“


Die drei Awo-Einrichtungen in Gelsenkirchen versuchen aktuell größere Corona-Ausbrüche in den Griff zu bekommen. Dass durch derartige Erlebnisse auch die Impfbereitschaft in den Heimen wächst, vermutet Jörg Richard hingegen nicht. „In den 58 Senioreneinrichtungen in unserem Bezirk gibt es genauso Heime mit geringer Impfbereitschaft und starkem Infektionsgeschehen wie Heime mit hoher Impfbereitschaft, aber wenig Infektionen.“ Ein Muster könne man hier nicht erkennen. „Es geht um die individuelle Entscheidung jedes einzelnen.“ Um bei der Entscheidungsfindung zu helfen, fordert die Awo allerdings mehr Aufklärungsbemühungen seitens der Politik. Richard: „Wir wünschen uns eine flankierende Impfkampagne von Bund oder Land, um die Vorbehalte zu reduzieren.“ ​