Essen. Lebenslange Haft verhängt das Essener Schwurgericht für den “Polizistenhasser“, der einen SEK-Beamten im Einsatz erschossen hat.
Freispruch vom Vorwurf eines Tötungsdeliktes hatten die beiden Verteidiger des Gelsenkircheners Thomas K. gefordert. Doch damit überzeugten sie das Essener Schwurgericht nicht. Es verurteilte den 29-Jährigen am Dienstag zu lebenslanger Haft wegen Mordes. Er hatte am 29. April einen 28 Jahre alten Beamten des Sondereinsatzkommandos Münster erschossen, als dieser mit Kollegen die Wohnung des Drogenhändlers stürmte.
Das Gericht sieht in Thomas K. keinesfalls einen in Panik handelnden Täter, der morgens um sechs Uhr kopflos reagiert, als die Polizei mit einer Ramme seine Tür aufstößt. Richter Jörg Schmitt: "Der Beamte ist Opfer eines Polizistenhassers geworden, der gegen staatliche Institutionen ist. Weil Polizisten natürlich auch Menschen sind, ist der Angeklagte ein Menschenfeind."
Angeklagter leugnet Holocaust
Auch interessant
Keinen Zweifel ließ Schmitt in der Urteilsbegründung, aus welcher Ecke Thomas K. kommt. Er ordnete ihn der rechten Szene zu: "Er ist ein Holocaustleugner, hängt Verschwörungstheorien an. In seiner Wohnung ist die Reichskriegsflagge gefunden worden, außerdem ein Stahlhelm."
Bewusst habe der Angeklagte einen Polizisten töten wollen. Schmitt: "Der Beamte ist getötet worden, nur weil er Polizist ist. Das ist auf sittlich unterster Stufe stehend. Es ist ein völlig beabsichtigter Mord aus niedrigen Beweggründen." Zum Vergleich sprach Schmitt den Anschlag in Halle an, "wo Menschen getötet werden sollten, nur weil sie Juden sind."
Erste Worte an die Angehörigen
Auch interessant
Der Richter hatte die ersten Worte der Urteilsbegründung an Vater, Schwester und Bruder des Ermordeten gerichtet, die als Nebenkläger am Prozess teilgenommen hatten. Er bat sie um Verständnis, dass im Strafprozess der Täter im Mittelpunkt stehe.
Nicht nur die Angehörigen dürften es als unpassend empfunden haben, dass am Dienstag vor dem Gerichtsgebäude eine eher dem linken Lager zuzurechnende Gruppe lautstark gegen Polizeigewalt demonstrierte. "Cops töten" stand auf einem Plakat. Zu hoffen ist, dass sie nichts von dem zeitgleich stattfindenden Prozess um den Tod eines Polizisten wussten.
Schwunghafter Rauschgifthandel
Am 29. April hatte der 28-Jährige mit acht SEK-Kollegen den Durchsuchungsbeschluss des Essener Amtsgerichtes gegen Thomas K. vollstrecken müssen. Aus dem Drogenmilieu hatte die Polizei den Hinweis bekommen, dass K. einen schwunghaften Rauschgifthandel betreibe. Er sei verrückt, hatten sie gehört, habe viele Waffen in seiner Wohnung und sogar eine Handgranate. Die Bewaffnung, so hatte er dem Informanten erzählt, diene dem Schutz vor der Polizei.
Um sechs Uhr morgens stürmte das SEK die Wohnung in der Augustin-Wibbelt-Straße in Gelsenkirchen-Buer. Laut hätten sie "Polizei" gerufen und seien in ihren Uniformen deutlich zu erkennen gewesen, gaben die Beamten vor Gericht an. Als die Tür aufsprang, stand Thomas K. dahinter und feuerte zwei Schüsse ab. Weil der 28 Jahre alte Beamte seitlich zu ihm stand, bot die schusssichere Weste keinen Schutz und drang im Oberarmbereich in den Brustkorb ein, verletzte Herz und Lunge. Er starb wenige Minuten nach dem Schuss.
Staatsanwältin sah Verdeckungsabsicht
Das Gericht entsprach mit seinem Urteil im Grunde dem Antrag von Staatsanwältin Sonja Hüppe. Sie hatte ebenfalls eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes gefordert, als Mordmotiv allerdings die "Verdeckung einer Straftat" angenommen. Der Angeklagte habe befürchtet, dass durch den Polizeieinsatz sein Drogenhandel aufgedeckt werde und deshalb geschossen. Tatsächlich lagen in den Räumen 1,4 Kilogramm Marihuana.
Diese Wertung überzeugte die fünf Richter nicht. Der Drogenhandel sei ja schon enttarnt gewesen, meinten sie. Schmitt: "Es gab also nichts mehr zu verdecken."
Verteidiger sah Notwehrlage
Die Argumentation der Verteidiger Siegmund Benecken und Victor Berger überzeugte das Gericht erst recht nicht. Beide hatten gesagt, der SEK-Einsatz sei unnötig gewesen. Der schmächtige Angeklagte, so etwa Anwalt Berger, hätte durchaus auf der Straße überwältigt werden können: "Der Einsatz war rechtswidrig, deshalb handelte der Mandant aus Notwehr." Verteidiger Benecken hatte an die Einlassung des Angeklagten erinnert, er habe Angst vor dem Überfall durch konkurrierende Rocker gehabt: "Er hatte schlichtweg Angst und hat in Panik gehandelt."
Für Rocker sah das Gericht keinerlei Hinweis. Das Gericht hatte den Inhalt des Computers geprüft, den der Angeklagte besaß. Da gab es reichlich polizeikritische Fundstücke, etwa ein Video, das die Ermordung eines Polizisten zeigt. Nur das Wort Rocker taucht bei den Suchanfragen des Angeklagten nur einmal in einer Schlagzeile auf: "Rocker erschießt Polizisten: Freispruch". Aus diesem Verfahren habe Thomas K. sich seine Geschichte konstruiert. Auch die Lebensgefährtin von Thomas K. habe gesagt, dass Bedrohung durch Rocker für ihn nie ein Thema gewesen sei.
Im letzten Wort hatte Thomas K., der nie einer richtigen Arbeit nachging und von Sozialleistungen lebte, die Angehörigen des toten Polizisten um Entschuldigung gebeten. Das Gericht ging darauf nicht ein, hielt es offenbar für keine ernsthafte Entschuldigung. Nachdem die Polizei den Gelsenkirchener überwältigt hatte, erinnerte Schmitt, habe er sich keineswegs nach dem Schicksal des Polizisten erkundigt. Schmitt: "Seine Sorge galt der Bitte, seine Mutter solle sich um seinen Hund kümmern."