Gelsenkirchen. Das Institut für Stadtgeschichte legt einen Band mit historischen Fotos aus den 50er-Jahren vor. Sachlich, aber auch berührend und überraschend.
Die Lichter von damals sind längst verloschen, die Erinnerung aber, sie leuchtet weiter. Eine glänzende Hommage an die „Stadt der tausend Feuer“ hat nun das Institut für Stadtgeschichte (ISG) in Buchform auf den Markt gebracht.
Der Band „Gelsenkirchen in den 50er-Jahren“ wirft Schlaglichter auf ein Jahrzehnt, in dem eine Stadt aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs wiederauferstand zu einer prosperierenden Industriemetropole.
Der historische Band beleuchtet in Text und Bild eine Ära, zu deren Beginn ein großer Teil des Stadtgebietes noch in Schutt und Asche lag und an deren Ende die Wirtschaftswunderwelt erblühte. Auf die Spuren dieses so prägenden Jahrzehnts setzte sich Autor und Herausgeber Dieter Host, der als Mitarbeiter des Stadtarchivs viele Jahre lang die umfassende Fotosammlung betreute.
Eine Stadt rappelt sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit Hoffnung und harter Arbeit wieder auf
Eine Stadt rappelt sich auf. „Raus aus den Trümmern“ lautet das erste Kapitel des Buches. Es dokumentiert auf 96 Seiten, dass Gelsenkirchen nicht wie ein Phönix aus der Asche stieg, sondern mit dem zupackenden Mut der Menschen, mit harter Arbeit, mit Entbehrungen, Hoffnung und Entschlossenheit.
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„Der Rassen- und Vernichtungskrieg des ‚Dritten Reiches‘, der für Gelsenkirchen mit der Befreiung durch US-Truppen im April 1945 endete, hatte moralische und materielle Verwerfungen hinterlassen“, umschreibt ISG-Leiter Dr. Daniel Schmidt in seinem Vorwort die Lage am Ende des Nazi-Terrors.
Die Bombenangriffe hatten von den rund 40.000 Wohngebäuden rund ein Viertel total zerstört. Für den Wiederaufbau griffen die Bürger zur Schippe. Eine der historischen Aufnahmen zeigt Schalke-Idol Ernst Kuzorra mit der Schaufel in der Hand vor seinem Tabakwarenladen im Jahre 1948, ein anderes „Trümmerkind“ 1952 an der Florastraße.
Historische Aufnahmen brennen sich in das Gedächtnis des Betrachters ein
Alle rund 120 Abbildungen stammen von dem damaligen freien Pressefotografen Kurt Müller und dem Stadtfotografen Hans Rotterdam. Es sind vor allem diese Bilder, die Dieter Host kenntnisreich und knapp kommentiert, die den großen Reiz des Bandes ausmachen. So manche Szene wird sich unweigerlich ins Gedächtnis des Betrachters einbrennen. Gleich die erste zum Beispiel: Das Foto zeigt zwei Arbeiter, die 1948 auf dem Sims der zum großen Teil zerstörten evangelischen Altstadtkirche sitzen und auf das Trümmerfeld zu ihren Füßen blicken.
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Auch Zeitzeugnisse der damaligen Wohnsituation sprechen eine deutliche Sprache. „Waren bei Kriegsende nur etwa 170.000 Einwohner in der Stadt verblieben, stieg die Einwohnerzahl durch Kriegsheimkehrer aus den Ostgebieten bis 1950 auf 317.000 Personen an“, recherchierte Host.
Viele bezogen provisorische Unterkünfte in Bunkern, Baracken, einfachen Notunterkünften. Nackte, schmutzige Wände, ein alter Bretterfußboden, ein schlichter Holztisch, drum herum fünf Kinder und zwei zufrieden lachende Frauen: Das Foto erzählt beredt und berührend vom Leben in einer Behelfsunterkunft 1955 in Schalke.
Das schnelle Wachsen einer prosperierenden Industrie-Metropole erzeugte Glanz und Elend
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Schon bald aber legten Stadt und Land Wohnbauprogramme auf, eine neue Stadt erwuchs. 1950 wurde die „Gelsenkirchener Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft“ ins Leben gerufen. Es entstanden Kulturgebäude wie 1959 das Stadttheater, die bis heute das städtebauliche Gesicht Gelsenkirchens prägen.
Zum „Symbol für ein neues Lebensgefühl“ geriet 1950 die Abfüll- und Vertriebsstation für das amerikanische Kultgetränk Coca-Cola im Stadthafen. Die wieder erwachte Sehnsucht nach Freizeit stillten die Menschen unter anderem am Rhein-Herne-Kanal, beim Sommerfest Schloss Berge oder bei der Stadtranderholung im buerschen Stadtwald. Und gemeinsam mit König Fußball in der Glückauf-Kampfbahn.
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Die Entstehung des wohlklingenden Beinamens „Stadt der tausend Feuer“ beleuchten die Kapitel „Kohle, Koks, Gas und Benzin“ und „Das harte Arbeitsleben der Bergleute“. Diese wichtige Ära des industriellen Wiederaufbaus voller Glanz, aber auch Elend beschreibt das Buch weniger nostalgisch verklärend, denn sachlich und informativ. Emotional die Erinnerungen an Zechen-Katastrophen, von denen Bilder der Trauerfeiern für die toten Kumpel zeugen.
Wie prägend diese Epoche der Fünfziger für die Stadt war, lässt sich in dem aktuellen Band, aber auch an der Schalke-Hymne ablesen: „Tausend Feuer in der Nacht haben uns das große Glück gebracht …“.
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