Gelsenkirchen. Die Linke sieht sich in Gelsenkirchen als Sprachrohr „für die untere Hälfte der Gesellschaft“. So wollen ihre Stadtverordneten künftig agieren.
2671 Wählerstimmen und 3,5 Prozent Stimmanteil vereinte die Linke in Gelsenkirchen bei der Kommunalwahl auf sich. Hinter Grünen, AfD, FDP und WIN belegte sie im Parteien-Ranking nur noch den siebten Platz in der Wählergunst. Mit Martin Gatzemeier, Bettina Peipe und Doris Stöcker sitzen drei Linke im Rat der Stadt. „Wir haben den Fraktionsstatus aufrecht erhalten können . Das ist erfreulich“, sagt Hartmut Hering, Sprecher des Kreisvorstands. „Doch sind wir natürlich enttäuscht, dass wir Stimmen verloren haben. Ich denke, dass linke Lösungen gefordert sind und wir den Menschen diese Lösungen bieten. Wir wollen noch eine Schippe drauflegen. Denn die Zeiten werden krasser.“
Soziale Unwucht in Gelsenkirchen beschäftigt die Ratsfraktion
Die soziale Unwucht in Gelsenkirchen, zunehmende Kinderarmut, hohe Arbeitslosigkeit, die Folgen der Hartz-IV-Jahrzehnte, Gesundheit, der soziale Arbeitsmarkt, die Verkehrspolitik – all das beschäftigt die Linke weiterhin, auch weil „Corona jetzt alle Probleme noch stärker zu Tage“ fördere.
Die Fakten und Tatsachen seien bekannt, so ihr Credo. Es mangele nicht an Analysen, sondern daran, konkret eine andere Politik umzusetzen. „Bei der Wirtschafts- und Verkehrspolitik“, kündigt Gatzemeier an, „werden wir unseren Weg weiter verfolgen.“
Weitere Projekte
Mehr Raum für Gemeinschaft und Bürgersinn zu schaffen fordert die Linke und meint das buchstäblich. Kreisvorstand Hartmut Hering: „Orte wie das Lalok Libre oder das Alfred Zingler-Haus müsste es eigentlich in jedem Stadtteil geben.“
Am Bemühen, den 8. Mai, den Tag des Kriegsendes 1945 mit einem Feiertag zu würdigen, will die Linke festhalten und das Thema lokal mit einer Bildungs- und Kulturoffensive für Initiativen, Schulen oder Kreative verbinden.
Der Forderungskatalog der Linken für Gelsenkirchen ist lang, vor allem die „untere Hälfte der Gesellschaft“ haben sie dabei im Blick. „Wir wünschen uns intelligente Lösungen und fordern, das Machbare umzusetzen, um zu verhindern, dass noch mehr Kinder ins Bergfreie fallen“, Alleinerziehende, Rentner, aber auch Arbeitende nicht weiter sozial ausgegrenzt würden, so Peipe und Hering.
Mehr ÖPNV-Angebote und dichtere Taktzeiten (nicht nur) in der Pandemiezeit stehen darauf, dazu „kurzfristig“ das 365-Euro-Jahresticket und „mittelfristig ein kostenloser ÖPNV“. Der Ausbau des Radwegenetzes sowie die bessere Bestandspflege werden gefordert. Propagiert wird ein einheitliches Verkehrskonzept, das Autos von der Straße hole und auf andere Formen des Verkehrs setze.
Pflege des Mittelstands und Ansiedlung von Handwerksbetrieben
Unter Wirtschaftsförderung versteht die Linke vor allem die Pflege des Mittelstands und „die Ansiedlung von Handwerksbetrieben“. Martin Gatzemeier: „Wir haben große Gewerbegebiete, die nur Logistikern zugeschlagen wurden.“
Erweiterungsbedarf sehen die Stadtverordneten für den „öffentlichen Beschäftigungssektor. „Der müsste wesentlich stärker ausgebaut werden.“ Zum Instrumentarium gegen Corona-Probleme im Schulbetrieb zählen Raum- beziehungsweise Klassenteilung für den Präsenzunterricht, aber auch Unterrichtsbetreuung und Ganztagsbetreuung an Orten wie Aulen oder Turnhallen.
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Aus Sicht der Linken benötigt die Stadt „dringend mehr Geld von Bund und Land“ für ihre Aufgaben. Und mehr Personal. Die angespannte Lage in den Bürgerämtern, vor allem aber im Gesundheitsamt und im Straßenverkehrsamt, zeige die Defizite deutlich auf. Peipe: „Finanziell ist hier so ziemlich alles ausgepresst. Gegen Armut hilft schlicht und ergreifend Geld.“ Wie es eingespielt werden soll? Unter anderem durch „Reichensteuer, Vermögenssteuer, eine vernünftige Erbschaftssteuer.“
Kreissprecher: Die Rechten bieten nur einfache Lösungen
Soziale Themen, stellt Peipe fest, „waren in diesem Wahlkampf nicht das Hauptanliegen der Gelsenkirchener“. Deshalb hätten „überall auch linke Parteien verloren. Da sind wir keine Ausnahme. Deshalb ist ja auch die SPD abgeschmiert.“
Von der Großen Koalition in Gelsenkirchen erwartet sie keine großen Veränderungen. Eher Stillstand. Allerdings hofft Peipe, dass es im Rat zu einem „sachlichern Umgang kommt. Der ist uns in der Vergangenheit erheblich abgegangen. Da wurde eher für die Galerie gekämpft.“
Die Rechten, glaubt Hering, böten einfache Lösungen. „Unser Ansatz ist komplexer und schwieriger als die vermeintlichen Lösungen der AfD. Und wir konfrontieren die Menschen damit, dass sie sich selbst bewegen müssen.“
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