Gelsenkirchen. Körperliche oder sexuelle Gewalt erleben viele Frauen. Trotzdem ist sie ein Tabuthema. Der „Orange Day“ in Gelsenkirchen will sensibilisieren.

Jeden Tag versucht ein Mann in Deutschland, seine Partnerin oder Expartnerin zu töten. Jede dritte Frau hat seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren. Trotzdem sind häusliche und sexualisierte Gewalt immer noch Tabuthemen.

Um auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu merken, werden am 25. November, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, ab 18.30 Uhr viele Gebäude in Gelsenkirchen in orangefarbenem Licht erstrahlen.

Orange ist die Farbe, die im Rahmen des von UN Women initiierten „Orange Day“ als Symbol für eine gewaltfreie Welt für Frauen und Mädchen steht. Unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) bringen die Gelsenkirchener Clubs der Soroptimistinnen (SI) und die Gleichstellungsstelle der Stadt den Orange Day nach Gelsenkirchen. „Auch wenn Gewalt gegen Frauen häufig hinter verschlossenen Türen geschieht, ist sie keine Privatsache. Das Thema gehört in die Öffentlichkeit“, betont Welge.

Gelsenkirchener Gleichstellungsbeauftragte: „Es geht um Zivilcourage“

Denn häufig zeige sich, dass es die Betroffenen ohne direkte Ansprache nicht schafften, einer gewalttätigen Partnerschaft zu entfliehen oder sich Hilfe zu suchen, so Welge. Deswegen reiche es nicht, institutionalisierte Hilfsangebote zu schaffen. Auch das Umfeld der Frauen müsse hinschauen. „Es geht um Zivilcourage“, bestätigt Dagmar Eckart, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt . „Nachbarn und Freunde sollten wachsam sein und im Ernstfall einschreiten.“

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Dass Frauen sich nicht trauen, über Gewalt zu sprechen, erlebt Sonja Heinen von der Frauenberatungs- und Kontaktstelle Gelsenkirchen häufig. Vor allem sexualisierte Gewalt in der Partnerschaft sei ein massives Tabuthema. „Vielen Frauen ist gar nicht richtig bewusst, dass sexuelle Übergriffe in der Ehe eine Straftat sind“, weiß die Beraterin zum Beispiel. Und so schwiegen viele.

Beratungsstelle: Sexualisierte Gewalt in der Partnerschaft ist besonders tabuisiert

Häufig komme es vor, dass sich Frauen wegen häuslicher Gewalt an die Beratungsstelle wendeten, in der Partnerschaft aber auch sexualisierte Gewalt erlebt hätten: „Das erwähnen sie teilweise erst einmal gar nicht, weil sie es für normal halten.“ Viele hätten außerdem Angst, dass ihnen nicht geglaubt werde, wenn keine sichtbaren Anzeichen wie blaue Flecke vorhanden seien.

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Und schließlich komme in vielen Fällen die Sprachbarriere erschwerend hinzu: „In Gelsenkirchen gibt es eben einige Frauen, die kein Deutsch sprechen. Für die ist es natürlich noch schwerer, sich überhaupt bei uns zu melden.“

Auch aus diesen Gründen lasse sich in der Beratungsarbeit ein klares Muster erkennen: Frauen suchen sich in der Regel erst Hilfe, wenn sie schon lange in einer Gewaltspirale gefangen sind. „Die Frauen haben häufig jahrelang Gewalt in der Partnerschaft erlebt, bis sie sagen: Ich kann nicht mehr“, so Heinen.

Anstieg von Gewalt durch die Corona-Pandemie befürchtet

Welchen Einfluss die Corona-Pandemie auf häusliche und sexualisierte Gewalt in Gelsenkirchen hat, lasse sich indes aus ihrer Sicht noch nicht sagen. Die Zahl der Anrufe bei der Beratungsstelle bewegten sich etwa auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr. Aber: „Wenn sich der Täter in der gleichen Wohnung befindet, ist es auch schwierig, sich Hilfe zu suchen“, betont Heinen. Eckart verweist in diesem Zusammenhang auf eine erste repräsentative Studie der der Technischen Universität München , die zeigte, dass sich die Risikofaktoren für Frauen, Opfer von häuslicher Gewalt zu werden, während der Pandemie erhöhen.

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Weitere Aktionen am 25. November

Der Frauenverband Courage veranstaltet am 25. November ab 17.30 Uhr auf dem Neumarkt – unter Einhaltung der Corona-Regeln – eine Kundgebung mit offenem Mikrofon. Das Motto ist „Gegen Gewalt an Frauen – Ni una mas/Keine Einzige mehr!“. Alle Frauen, die sich gegen Gewalt an Frauen engagieren wollen, sind eingeladen.

Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) unterstützt die weltweite Fahnenaktion „Frei leben – ohne Gewalt“ der Frauenrechtsorganisation Terre des femmes durch eine Fahnenaktion vor dem Parteibüro.

Die Clubs der Soroptimistinnen und die Gleichstellungsstelle verkaufen orangefarbene Armbänder und Masken. Mit dem Erlös unterstützen sie das Gelsenkirchener Frauenhaus und den Verein E.F.A. e.V. (Engagierte Frauen für Asylantinnen).

An der Licht-Aktion teilnehmen werden in Gelsenkirchen das Musiktheater im Revier, die Stadtwerke, das Bildungszentrum, das Hans-Sachs-Haus, die evangelische Altstadtkirche, die katholische Kirche, der Stadtbauraum, die Zeche Consol und das Unternehmen Amevida.

In Buer sind es das Rathaus, die Zeche Hugo Schacht 2, die Schauburg, die Volksbank, die Volksbank Immobilien Rhein-Ruhr GmbH, das Photo Art Fotostudio, das Modehaus Beckmann & Grösser, der Interieur & Fashion Store Villa, Buchhandlung Kottmann, Lederwaren Droste, das Marienhospital und Schloss Horst.

Die Bäckerei Gartenbröcker wird 70.000 Brötchentüten, die mit dem Slogan „Gewalt kommt nicht in die Tüte“ bedruckt sind, in ihren 60 Filialen vergeben. Volksbank, Sparkasse und Amevida spenden außerdem anlässlich des Orange Days an das Frauenhaus Gelsenkirchen .