Gelsenkirchen. Mit elf Verordneten werden die Grünen im Gelsenkirchener Stadtrat vertreten sein. Was die Ökopartei mit ihrer neuen Größe bewirken will.

Nie zuvor stellten die Grünen im Gelsenkirchener Rat mehr Stadtverordnete als in der anstehenden Ratsperiode. Elf Frauen und Männer treten an, um möglichst viele Visionen der Ökopartei in die Tat umzusetzen. Wohin die grüne Reise gehen soll, berichten im WAZ-Gespräch die Kreisvorsitzenden Adrianna Gorczyk, Jan Dworatzek und der bisherige Fraktionsvorsitzende Peter Tertocha.

„Wir haben drei klare Schwerpunkte“, sagt Tertocha, der 1984 im Geiste der Anti-Atombewegung den Grünen beitrat. „Mobilität“, „Klimaschutz“ und Bürgerbeteiligung“, zählt die 33-jährige Grünen-Chefin Adrianna Gorczyk, die erstmals dem Stadtrat angehören wird, ergänzend auf.

Gelsenkirchener sollen bei Großprojekten selber entscheiden

Fordert mehr Bürgerbeteiligung: Der langjährige Ratsherr der Grünen, Peter Tertocha.
Fordert mehr Bürgerbeteiligung: Der langjährige Ratsherr der Grünen, Peter Tertocha. © Funke Foto Services GmbH | Olaf Ziegler

„Wir wollen die Gelsenkirchener bei großen Projekten von Anfang an einbeziehen und am Ende auch entscheiden lassen, ohne komplizierte Unterschriftensammeleien für Bürgerbegehren im Vorfeld“, erklärt der 60-jährige Tertocha. Als Beispiel für ein solches Projekt nennt er die lange und heiß diskutierte Bäderfrage in Gelsenkirchen.

Die Grünen wünschen sich mehr Bürgerbeteiligungsveranstaltungen in den Stadtteilen und transparente Debatten, so Tertocha. Es sei bis heute unbegreiflich, warum sich einige Fraktionen gegen die Live-Übertragung von Ratssitzungen im Internet – wie sie in zahlreichen Kommunen längst Normalität ist – wehren.

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Einer der ersten Anträge der neuen Ratsfraktionen werde sich wieder mit diesem Thema befassen, verspricht der bisherige Fraktionschef. „Wenn einzelne Stadtverordnete aus irgendwelchen Gründen des Persönlichkeitsrechts nicht gefilmt werden wollen, müssen sie damit leben, dass man sie pixelt, wenn sie reden. Transparenz geht jedenfalls anders. Es gibt viele Menschen, die gerne in Gelsenkirchen leben und mitgestalten wollen, denen müssen wir die Partizipation so leicht wie möglich machen“, betont Tertocha. Ob er selbst auch künftig den Stadtverordneten der Grünen vorsitzen wird, ist indes noch unklar. Bisher haben die Grünen noch nicht darüber abgestimmt.

Mobilitätswende für Gelsenkirchen

Mitreden könnten die Gelsenkirchener nach Ansicht der Grünen auch bei der „Mobilitätswende“. Wir brauchen endlich ein echtes Konzept für unsere Stadt und nicht bloß halbherzige Ankündigungen mit grünem Anstrich“, sagt Adrianna Gorczyk mit Blick auf die Interviews des SPD- und des CDU-Vorsitzenden nach der Kommunalwahl in der WAZ. Darin hatten beide Parteivertreter unter anderem versprochen, Radwege auszubauen und ÖPNV-Takte nach Möglichkeit zu verkürzen.

„Gelsenkirchen ist wie andere Städte im Ruhrgebiet als Autostadt gebaut worden, das ist kein Geheimnis. Der Raum, den sich Auto- und Fahrradfahrer teilen müssen, ist begrenzt und muss neu gedacht werden“, sagt die 33-Jährige.

Fahrspuren für Autos reduzieren

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Gemeint sei damit die Reduzierung der Fahrbahnen für den Autoverkehr zugunsten des Radverkehrs. Rund um die Bueraner Innenstadt wünschen sich die Grünen etwa die Neuverteilung des Verkehrsraums und auch in der Altstadt sei es erstrebenswert, neben der Bahnhof- auch weitere Straßen für den motorisierten Verkehr zu sperren und sie beispielsweise der Gastronomie zur Verfügung zu stellen.

Gorczyk ist überzeugt: „Dann steigen auch mehr Gelsenkirchener aufs Fahrrad um.“ Darüber hinaus müsse die Stadt am Hauptbahnhof aber auch ein Fahrradparkhaus und eine „echte Nord-Süd-Verbindung zwischen Buer und der Innenstadt über die Kurt-Schumacher-Straße bauen.“

Dass das Thema Konfliktpotenzial birgt, sich einige Autofahrer genötigt und bevormundet fühlen dürften, sei den Grünen bewusst. Aber: „Stellenweise aufgemalte Alibi-Radspuren bringen uns nicht weiter“, sagt die Grüne-Spitzenkandidatin entschieden.

Klimaschutzpläne der Gelsenkirchener Grünen

Einig scheint sich die Ökopartei mit SPD und CDU zumindest in wesentlichen Punkten beim Thema Klimaschutz zu sein. So wünschen sich alle drei Parteien beispielsweise, dass Gelsenkirchen Vorreiter in Sachen Wasserstofftechnologie wird und Plätze und Dächer begrünt werden sollen. „Wir mussten schon schmunzeln, als wir gesehen haben, wer unsere seit Jahren gestellten Anforderungen ganz oder in Teilen übernommen hat“, sagt Kreisvorsitzender Jan Dworatzek.

In eine Koalition – in welcher Farbenkombination auch immer – eintreten, „werden wir jedenfalls nur, wenn ein entsprechendes Koalitionspapier einen echten grünen Stempel hat“, betont Adrianna Gorczyk.