Gelsenkirchen-Buer. Bislang endet die Straßenbahnlinie 302 an der Haltestelle Buer-Rathaus in Gelsenkirchen. Doch es gibt Pläne, sie darüber hinaus zu verlängern.

Die Älteren werden sich daran erinnern: Es gab einmal eine Zeit, da konnte man in Gelsenkirchen am Bahnhof in eine Straßenbahn der Linie 2 steigen und bis Buer Rathaus fahren – und dann stieg man in die Linie 12 und fuhr weiter nach Hassel oder Polsum, und zwar nicht mit dem Bus, wie heute, sondern ebenfalls mit der Bahn. Bis in die 1980er-Jahre war das möglich, dann wurden die Schienen nördlich von Buer Rathaus zurückgebaut. Vielleicht kommen sie wieder.

Die Idee von einer Verlängerung der heutigen Linie 302 über Buer Rathaus hinaus taucht zumindest in zwei Parteiprogrammen zur Kommunalwahl 2020 auf. „Zudem ist die Verlängerung der Stadtbahnlinie 302 bis zum Buer-Nord-Bahnhof unser Ziel“, schreibt etwa die SPD. Die Grünen gehen im wahrsten Sinne des Wortes noch weiter: „Verlängerung der Straßenbahnlinie 302 von Buer bis Hassel“ heißt es da kurz und bündig. Ist das realistisch?

Das sind die Ideen der Gelsenkirchener Grünen

Mirco Kranefeld, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, findet die Idee zumindest gut genug, um eine sogenannte „standardisierte Bewertung“ in Auftrag zu geben. Dabei handelt es sich um ein Verfahren zur gesamtwirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Untersuchung von ÖPNV-Projekten. Erst wenn sich bei diesem Verfahren herausstellt, dass der Nutzen die Kosten einer Investition übersteigt, gibt es grünes Licht und damit die Möglichkeit, Fördergelder für eine Maßnahme zu beantragen.

Eine Straßenbahn fährt über die Polsumer Straße in Hassel: In den 50er-Jahren war das ein gewohnter Anblick.
Eine Straßenbahn fährt über die Polsumer Straße in Hassel: In den 50er-Jahren war das ein gewohnter Anblick. © Archiv

„Wir haben bereits vor einigen Jahren ein Gutachten in Auftrag gegeben, das uns zumindest gesagt hat, dass es sinnvoller sei, die Linie nicht nur bis zum Bahnhof Buer-Nord, sondern darüber hinaus bis nach Hassel zu verlängern“, so Kranefeld. Auf diese Weise sei nicht nur der Haltepunkt Buer-Nord, sondern auch der Bahnhof in Hassel an die Straßenbahn angeschlossen. „Gerade mit Blick auf die vielen Wohngebiete in Hassel halten wir das für eine gute Idee“, sagt der Lokalpolitiker.

SPD: Projekt nur mit Fördermitteln realisierbar

Seine Partei werde sich dafür einsetzen, dass der Rat zumindest beschließt, die Standardisierte Bewertung in Auftrag zu geben – dabei solle nicht nur der Plan überprüft werden, die 302 zu verlängern, sondern auch die anderen Vorhaben in Sachen Straßenbahn, die auf der grünen Agenda stehen: Der Ringschluss der Linie 301 sowie der Anschluss der Westfälischen Hochschule ans Bahnnetz.

Axel Barton, frischgebackener Fraktionschef der SPD im Gelsenkirchener Rat, verweist auf den Satz, der im Programm der Sozialdemokraten direkt auf den Passus mit der Verlängerung der Linie 302 folgt: Der Ausbau sei bei „entsprechender Förderunterstützung zu realisieren“, heißt es da. Im Klartext: Mit Haushaltsmitteln der Stadt alleine sei so ein Projekt nicht machbar. Auch er will das Projekt vom Ausgang der Standardisierten Bewertung abhängig machen.

CDU: 302-Verlängerung muss ins Gesamtkonzept passen

Ein weiteres historisches Foto aus dem Jahr 1953 zeigt eine Straßenbahn vor der Post in Buer.
Ein weiteres historisches Foto aus dem Jahr 1953 zeigt eine Straßenbahn vor der Post in Buer. © Archiv

Barton sieht das Projekt allerdings in einem größeren Gesamtzusammenhang. Die neue Linie 302 würde, wie früher, über die De-La-Chevallerie-Straße führen – die müsste aber zunächst vom Autoverkehr entlastet werden, etwa durch den Ausbau der Umfahrung von Buer über die Vom-Stein-Straße und den Ostring. Gerade die Vom-Stein-Straße, bislang nur einspurig, sei noch nicht in der Lage, den Verkehr aufzufangen, der jetzt über die De-La-Chevallerie-Straße fließt. „Das sehen wir ja jetzt gerade sehr deutlich, wo die De-La-Chevallerie-Straße nach dem Hausbrand in Richtung Norden gesperrt ist.“

Bei der CDU sieht man das ähnlich. Auch er würde eine Verlängerung der Linie 302 befürworten, sagt Fraktionschef Sascha Kurth, wenn sie Teil eines Gesamtkonzeptes für den Verkehr im Stadtnorden sei. „Dann kann das durchaus eine Bereicherung sein“, so Kurth. Allerdings müsse vorher festgestellt werden, dass auch Bedarf bestehe.

FDP setzt auf ein ambitioniertes Konzept

Er würde sich allerdings schwer damit tun, die Bäume auf dem Mittelstreifen der De-La-Chevallerie-Straße der neuen Tramlinie zu opfern. „Aber vielleicht findet man ja eine Lösung, die der auf der Cranger Straße ähnelt“, sagt er: Dort teilen sich Autos und Straßenbahn die Fahrbahn.

Um die Bäume sorgt sich auch FDP-Fraktionschefin Susanne Cichos, die dem Projekt eher skeptisch gegenübersteht. „Das wäre eine riesige Investition und ein riesiger Zeitaufwand“, sagt sie. Der Gegenvorschlag der FDP ist ambitioniert und klingt auf den ersten Blick nach Science Fiction: Sie weist auf den „Upbus“ hin, ein Konzept der RWTH Aachen. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus selbstfahrendem Elektrobus, der an eine Seilbahn gehängt werden kann und so über den Stau hinweg schwebe. „Das könnte ein echtes Leuchtturmprojekt für Gelsenkirchen sein“, sagt Susanne Cichos.

Ob Seilbahn-Bus oder Verlängerung der 302: Bis diese Projekte tatsächlich realisiert sind, werden noch viele Jahre ins Land gehen. Für Mirco Kranefeld von den Grünen ist das kein Argument: „Wenn man möchte, dass die Leute vom Auto in die Bahn steigen, dann muss man auch gute Angebote machen.“