Gelsenkirchen-Buer. Am Wahllokal in der Pfefferackerschule in Buer bilden sich zu Stoßzeiten lange Schlangen. Funktioniert das Hygiene-Konzept?
„Es läuft gut“, sagt Wahlhelfer Mike Farin (26) und lächelt, jedenfalls ist das zu vermuten. Denn Mund und Nase sind in Coronazeiten ja bedeckt von einer Maske, in den Wahllokalen obligatorische Schutzausrüstung für alle Personen vor und hinter dem Plexiglas-Spuckschutz. Allzu wörtlich lässt sich das Wort „läuft“ freilich nicht nehmen: Denn an diesem Sonntagmittag stehen die Leute eher in einer langen Warteschlange vor dem Eingang zur Pfefferackerschule in Buer - Stoßzeit zur Stimmabgabe bei der Kommunalwahl.
Seniorenheime waren als Wahllokale Tabu
Um Bewohner von Seniorenheimen keiner unnötigen Coronavirus-Gefahr auszusetzen, wurden die Einrichtungen nicht als Wahllokale genutzt. Stattdessen wurden Stimmbezirke teilweise zusammengelegt. In Gelsenkirchen wurde die Zahl von 172 auf 156 reduziert.
Aus Infektionsschutzgründen waren alle Wähler aufgefordert, einen eigenen Kugelschreiber mitzubringen. Wer ihn vergessen hatte, konnte aber trotzdem seine Stimme abgeben. Die Stadt stellte Leih-Kulis zur Verfügung, die anschließend desinfiziert und wieder verwendet wurden.
Zufrieden ist Farin trotz der Wartezeiten, die die Bürger gerade in Kauf nehmen müssen: „Alle sind geduldig und diszipliniert. Die Wähler achten von allein auf einen ausreichenden Abstand zueinander, sie sind freundlich und verständnisvoll“, lobt er.
Viele Gelsenkirchener nutzten die Briefwahl
Seit 7.30 Uhr sitzt er mit drei weiteren Wahlhelferinnen im gut durchlüfteten Raum von Stimmbezirk 2007, um 13 Uhr wird das Quartett abgelöst von der zweiten vierköpfigen Schicht. So viel zu tun wie ihre Amtskollegen im Raum nebenan, dem Stimmbezirk 2004, haben sie derzeit nicht, da es in 2007 einen relativ hohen Anteil an Briefwählern gibt. „Offenbar wollten sich viele keinem Infektionsrisiko aussetzen oder hatten etwas anderes vor“, so Farin.
Und so können einige sich das Warten sparen und sofort durchgehen - was jedoch nicht bei jedem auf Verständnis stößt. Ein Senior hat den Eindruck, sie würden sich vordrängeln. Er schimpft, reckt wütend seinen Gehstock in die Höhe, beruhigt sich aber, als andere Wartende ihm das System erklären.
Desinfektion vor der Stimmabgabe
In Coronazeiten nicht zur Wahl zu gehen, ist für Marlies Wegener (63) keine Option. „Mitzubestimmen, ist für uns selbstverständlich. Wir sind auch nicht so ängstlich“, sagt ihr Mann Norbert. Auch Elke Fitzek (78) und ihr Mann Wilfried (81) wollten es sich nicht nehmen lassen, ihre Stimmen abzugeben. „Besonders wichtig ist uns die OB-Wahl“, so die Seniorin.
Der Flur ist mit Flatterband und Aufstellern zweigeteilt, als Einbahnstraße, versteht sich. Links geht’s zum Stimmbezirk 2004, rechts Richtung 2007. Dort bittet Wahlhelferin Heidi Rübenkamp (76) freundlich, das bereitgestellte Desinfektionsmittel zu nutzen. Ein Blick auf die Wahlbenachrichtigung, ein Blättern im Wählerverzeichnis, Namen abhaken - schon gibt’s die vier farbigen Stimmzettel: hellgrau für die OB-Wahl, grün für die zum Rat, pink für die zu den Bezirksvertretungen, fliederfarben für die zum Ruhrparlament.
Die meisten Wähler brachten einen eigenen Kugelschreiber mit
„Haben Sie einen eigenen Kugelschreiber dabei?“ Ihr Gegenüber nickt, kommt aber kurz nach dem Wählen ratlos mit den vier Zetteln zurück. „Was mache ich denn jetzt?“ Wahlhelferin Rübenkamp steht auf und zeigt auf die Wahlurne. „Die Zettel kommen hier hinein. Nur die Wahlbenachrichtigung sollten Sie für eine mögliche OB-Stichwahl aufbewahren.“ Die alte Dame nickt dankbar und winkt zum Abschied. Raus geht’s durch einen Hintereingang, damit es gar nicht erst zum Begegnungsverkehr kommt.
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Dass alles so reibungslos klappen würde, hatte Farin nicht erwartet. Bislang hatte jeder eine Maske nicht nur dabei, sondern auch im Gesicht. Ob es Anweisungen gibt, wie mit Masken-Verweigerern umzugehen ist, denen ja das Grundrecht aufs Wählen nicht verweigert werden darf? „Nein, aber wir haben uns darauf verständigt, dann das Klassenzimmer zu räumen, um niemanden zu gefährden. Wir hoffen, dass es den Maskenverweigerern zu unangenehm ist, für so viel Umstände zu sorgen - und sie den Mund-Nase-Schutz dann doch aufsetzen.“
Wahlhelfer dazu beitragen, Zukunft mitzugestalten
Er hat sich zum ersten Mal als Wahlhelfer gemeldet, „weil Wahlen wichtig sind, die Zukunft von morgen mitzugestalten und dafür ja auch Leute gebraucht werden, die alles organisieren.“ Wie lange die acht Helfer nach Schließung der Wahllokale um 18 Uhr für die Auszahlung brauchen werden? Farin zuckt die Schultern. Eine erfahrene Kollegin (58), die ihren Namen nicht veröffentlich sehen möchte, hofft, auch bei der Kommunalwahl 2020 mit eineinhalb Stunden auszukommen. „Die Stimmzettel für den Integrationsrat zählen wir nur durch. Ausgewertet werden die in den nächsten Tagen vom Wahlamt.“