Gelsenkirchen. Unsere Leser stellen den Gelsenkirchener Parteien Fragen passend zur Kommunalwahl. Das sind die Antworten auf die ersten fünf von zehn Fragen.
Unsere Leser fragen – die Politik antwortet: Wir haben Gelsenkirchener gebeten, ihre Fragen zur Kommunalwahl und zum politischen Geschehen in dieser Stadt zu formulieren. Die Parteien SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Die Linke, AfD, Die Partei und WIN haben geliefert – hier sind die Antworten auf die ersten fünf von zehn Leserfragen.
1. Klaus Hestermann fragt: Beabsichtigt eine Partei den Bezirksvertretungen (BVen) mehr Gewicht und Kompetenzen zu geben, intensiver den Kontakt mit den Bürgern zu pflegen und intensiver Anregungen aufzugreifen?
SPD: Die BVen sind für uns ganz wichtige Ansprechpartner für die Menschen vor Ort. Leider hat ihr Entscheidungsspielraum in den vergangenen Jahren unter fehlenden Haushaltsmitteln gelitten. Dank der Haushaltspolitik der SPD geben wir der Politik vor der Haustür Handlungsmöglichkeiten zurück.
CDU: Die BVen sind nah an den Alltagssorgen der Bürger. Wir haben als CDU seit 1999 jede Initiative zur Stärkung der BVen entweder selbst auf den Weg gebracht oder mit beflügelt. Und auf Anregung und entscheidender Initiative der CDU sind Anregungen und Beschwerden von Bürger fester Bestandteil der Tagesordnungen.
Grüne: Die Aufgaben der Bezirksvertretungen sind in der Gemeindeordnung NRW geregelt. Wir stehen für mehr und echte Bürgerbeteiligung. „Mehr Demokratie wagen“ heißt für uns, Bürger frühzeitig in Entscheidungen einzubeziehen.
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FDP: Die BVen haben Gewicht. Auf die Kompetenz haben wir nur Einfluss bei unseren Mitgliedern. Das Problem: Mit absoluten Mehrheiten konnte die SPD in Vergangenheit alle oppositionellen Vorschläge abschmettern. Die FDP sucht den Austausch mit den Bürgern und will mit ihnen eine Zukunftsperspektive 2050 entwickeln.
Linke: Die Bürger müssen öfter als alle vier Jahre mitbestimmen können. Wir fordern eine Aufstockung des Bürgerhaushalts und eine Kampagne zum Mitgestalten. Bürgerbegehren sollten ermöglicht und die Bürgerschaft ermuntert werden, Anregungen nach § 24 Gemeindeordnung stärker zu nutzen.
AfD: Mehr direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild ist eine Forderung der AfD seit ihrer Gründung. Entsprechend ist uns auch in unserer Stadt mehr Mitwirkung der Bürger wichtig. Ein Beispiel: Bürgerentscheide zwingen die Politik dazu, die Bürger einzubinden und „mitzunehmen“.
Die Partei: Wir brauchen das genaue Gegenteil! Wir fordern, BVen auszutauschen durch ein echtes Jugendparlament
WIN: Wir möchten nicht, dass der Einfluss der Bürger endet, wenn sie ihre Stimmen abgegeben haben. Regelmäßig stattfindende Bürgerforen können helfen, Bürger, Politik und Verwaltung besser miteinander zu verzahnen.
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2. Daniel Waldner fragt: Gibt es Möglichkeiten, den Armutszuzug aus Süd-Osteuropa einzudämmen, wie sehen diese möglicherweise aus und wären Sie bereit, diese anzuwenden?
SPD: Die wichtigste Maßnahme zur Begrenzung des Zuzugs ist die Bekämpfung von Schrottimmobilien und Geschäftemachern. Dazu braucht es Geld für mehr Stadtteilerneuerung und noch höheren Kontrolldruck der Verwaltung, wie er durch die Interventionsteams schon jetzt aufgebaut wird.
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CDU: Armutszuwanderung müssen wir vor Ort bekämpfen – und gleichzeitig müssen wir die Freizügigkeitsregeln der Europäischen Union achten. Unsere Position: Wer Recht missbraucht, muss mit rechtsstaatlichen Konsequenzen rechnen und damit, dass diese Konsequenzen auch umgesetzt werden.
Grüne: Meistens sind die Zuwanderungsgründe in der großen Armut dieser Länder zu suchen. Vor diesem Hintergrund muss es darum gehen, Betrüger und kriminelle Vermieter zu ahnden und integrationswillige Zuwanderer zu unterstützen. Kinder früh ins Bildungssystem zu integrieren, ist ein entscheidender Punkt.
FDP: Die Kommune hat leider nur begrenzte Möglichkeiten. Die FDP hat sich zum Ziel gesetzt, die Anzahl der lebensunwürdigen Wohnungen durch attraktiven Wohnungsbau zu ersetzen. Das dämmt den Zuzug ein.
Linke: Die großen Parteien haben die EU-Verträge unterschrieben und sind gegen eine Angleichung der Sozialsysteme, damit billige Arbeitskräfte angelockt werden. Arme Städte wie Gelsenkirchen haben günstigen Wohnraum und können nichts tun.
AfD: Wer aus Süd-Osteuropa nach Deutschland ausgerechnet in eine Stadt mit so hoher Arbeitslosigkeit wie Gelsenkirchen übersiedelt, der kommt nicht zum Arbeiten. Sein Ziel ist wohl eher der Bezug von Sozialleistungen. Noch mehr Integrationsbüros sind der falsche Weg. Ich möchte unsere Ordnungsdienste stärken, um Missbrauch aufzudecken – wir brauchen weniger Willkommens- und mehr Verabschiedungskultur.
Die Partei: Ich bedanke mich für diese Frage und möchte erst mal eine andere beantworten. Später (Anm. der Redaktion): Die Aufnahmegrenze an Menschen muss exakt dem gleichen Wert entsprechen wie Menschen, die im Mittelmeer ertrinken.
WIN: Indem wir eine bessere Wirtschaftspolitik machen, Potenziale wie etwa der Westfälischen Hochschule besser nutzen, Posten nach Qualifikation und Kompetenzen statt Parteibuch besetzen, können wir für einen Aufschwung sorgen, wodurch sich das Problem des Armutszuzuges von alleine lösen würde.
3. Werner Moellers fragt: Seit Juni ist offiziell bekannt, dass der Saturn-Markt den Standort Buer aufgeben will. Was wollen Sie in dieser schwierigen Lage unternehmen?
SPD: Wir müssen die Belebung unserer Innenstädte durch Veranstaltungen fortsetzen. Eine Stärkung der Gastronomie als wichtiger Standortfaktor kommt dazu. Verwaltungshandeln kann keine Ansiedlung bestimmter Einzelhändler beschließen, sondern nur Rahmenbedingungen schaffen.
CDU: Die Mitteilung, dass ein Kundenmagnet einen Einzelhandelsplatz aufgibt, ist immer ein Alarmsignal für den Standort. Hier ist das City-Management gefragt, maßgeschneiderte Standortlösungen zu finden und hier ist unsere Wirtschaftsförderung gefragt, aktive Konsultations- und Perspektivprozesse zu initiieren.
Aufruf an die Leser
Vor wenigen Wochen hatte die WAZ-Lokalredaktion Gelsenkirchen einen Aufruf gestartet: An unserer Kommunalwahlkampf-Berichterstattung konnten sich auch unsere Leser beteiligen. Sie sollten Fragen schicken, die wir an die Politik, an die Parteien weitergeleitet haben.
In einer Fortsetzung folgen die Antworten der Parteien auf weitere fünf von zehn Fragen. Mit dabei sind dann auch die Antworten von WIN Gelsenkirchen.
Grüne: Saturn kann von der Stadt und der Politik nicht gezwungen werden, in Buer zu bleiben. Aber die Politik kann und muss weiter aktiv das Gespräch suchen, und zwischen Vermieter und Mieter vermitteln.
FDP: Als FDP wollen wir die Innenstädte der Zukunft mitgestalten. In einer Immobilie wie Saturn könnten nach dem Shop-in-Shop-Prinzip zum Beispiel mehrere Sportartikel-Hersteller ihr Sortiment verkaufen. Parallel könnte ein Investor eine Art Indoor-Sportanlage bauen.
Linke: Saturn und die Thelen-Gruppe müssen an einen Tisch. Im Falle keiner Einigung, könnte ein öffentliches Kulturzentrum eingerichtet werden für einen Austausch der Menschen und zur Förderung der Kunst und Kultur.
AfD: Die Rücknahme dieser Entscheidung ist unwahrscheinlich, weil zum Beispiel bereits Mietverträge gekündigt und Arbeitnehmer versetzt wurden. Ich möchte im Gespräch mit dem Unternehmen klären, woran es lag, um dort, wo Einflussmöglichkeiten bestehen, zukünftige Schließungen zu verhindern.
Die Partei: Das, was sich in Gelsenkirchen immer bewährt hat: Tedi rein. Für Gellek reichts.
WIN: Wir brauchen eine Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung. Das ist die wichtigste Entscheidung für die Zukunft unserer Stadt. Im Einzelhandelskonzept steht unmissverständlich, welche Warenangebote in Gelsenkirchen fehlen. Die Wirtschaftsförderung ist nicht in der Lage, dies gezielt umzusetzen.
4. Antonia Roth fragt: Was gedenken Sie bezüglich des Stadttaubenproblems unter dem Aspekt des Tierschutzes zu unternehmen und setzen Sie auf eine tierfreundliche Lösung in Bezug auf Kanada- und Nilgänse statt Abschuss?
SPD: Wir setzen uns für die Errichtung eines möglichst begehbaren Taubenhauses im Stadtsüden ein. Bei den Gänsen müssen wir schauen, ob sie ohne Schaden abgeschreckt werden können.
CDU: Wir müssen Urbanität einerseits und Fauna und Flora zusammendenken. Und wir müssen Kompromisse machen – nicht beim Tier- und Artenschutz, sondern bei der Frage, was uns drückt und gleichzeitig aber auch schützens- und liebenswert erscheint.
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Grüne: Das Taubenhaus in Buer ist eine bewährte Lösung, das gleiche wollen wir für die City. Der Gänsebestand kann durch die Tierschutzregelungen beachtende Maßnahmen, wie z.B. Flächengestaltung und Fütterungsverbote, reguliert werden.
FDP: Der Förderverein Taubenhaus betreibt bereits gute Arbeit. Das Prinzip (Eier regelmäßig aus den Nestern entfernen) könnte übertragen werden.
Linke: Wir wollen ein Taubenhaus im Süden, dass illegale Fütterung verfolgt wird und Kanadagänse vergrämen. Der gezielte Abschuss kann nur die allerletzte Lösung sein.
AfD: Bei einigen Tierarten reicht es, nur wenige Exemplare zu bejagen, um die anderen zu einem Standortwechsel zu bewegen. Tauben können durch Turmfalken vertrieben werden. Aber: Weniger Tiere und mehr Tierschutz – das ist schwierig.
Die Partei: Das T in Die Partei steht für Tierschutz. Im Martin Sonnebornpark, zwischen Haltestelle Grillostraße und Nicosee (früher Bergersee) ist genug Platz für alle Tiere.
WIN: Die Regulierung des Stadttaubenbestands ist durch das bewährte Konzept der Taubenhäuser möglich. Die Grünflächen müssen so gestaltet werden, dass sich Kanadagänse dort instinktiv nicht aufhalten wollen. Auch der Einsatz eines Falkners wäre denkbar.
5. Juliane Arnold fragt: Welche Maßnahmen zur Verbesserung des Klimas wollen Sie in Gelsenkirchen anschieben?
SPD: Pocketparks, Dachbegrünungen und Wildblumenwiesen sind Teil guter Stadterneuerungskonzepte. Dabei werden wir die Möglichkeiten nutzen, die die IGA 2027 für grüne Infrastruktur bietet. Außerdem wollen wir den Baumbestand perspektivisch um 100.000 neue Bäume in unserer Stadt erhöhen.
CDU: Um unserer Stadtklima zu verbessern braucht es einen Maßnahmenmix mit diversen Komponenten und Projekten – etwa Dachbegrünung, Fassadenbegrünung, „grüne“ Gleisanlagen, einen verträglichen Mix der Verkehrsträger, Hitzeinseln vermeiden, „grüne Mobilität“ ermöglichen, ÖPNV-Optimierung und, und, und...
Grüne: Die Fortschreibung des kommunalen Klimaschutzprogrammes 2020 ist überfällig. Die kommunale Verkehrswende muss vorangetrieben werden. Vorhandene und neue Gebäude müssen energetisch saniert bzw. mit höchsten Energiestandards errichtet werden. Dächer müssen begrünt und/oder für Photovoltaik genutzt werden.
FDP: Einen attraktiveren ÖPNV, bessere Radwege und mehr Grün. In den Stadtquartieren soll den Bewohnern städtische Flächen zur gemeinsamen Bewirtschaftung zur Verfügung gestellt werden. Die Stadtplanung muss Grünflächen, die bebaut werden, an anderer Stelle ersetzen.
Linke: Weniger Autos in der Innenstadt und Kraftwerke abschalten. Dann grüne Dächer und Grünschneisen fördern, ÖPNV verbessern und Fahrradkurierdienste für die Förderung des Einzelhandels anbieten.
AfD: Was genau meinen Sie: Stadtklima? Klimawandel? Gesellschaft?
Die Partei: Sprengung der Berliner Brücke zur Lösung des Feinstaubproblems.
WIN: Eine umgehende Entsiegelungs- und Begrünungsstrategie, die wir bereits im Rahmen der letzten Haushaltsberatungen gefordert haben.
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