Gelsenkirchen. Was wollen die OB-Kandidaten für den Klimaschutz tun, wenn sie gewählt werden? Fridays for Future Gelsenkirchen lud zur öffentlichen Diskussion.
„Fridays for Future“ (FFF) Gelsenkirchen rief zur Diskussion über Klimaschutzpolitik, und tatsächlich kamen sechs von sieben geladenen Oberbürgermeisterkandidaten. Die AfD hatten die Organisatoren gar nicht erst eingeladen, auch (aber nicht nur) weil sie den menschengemachten Klimawandel leugnen, FDP-OB-Kandidatin Susanne Cichos schickte als Vertretung Fabian Urbeinczyk, den jüngsten Kandidaten ihrer Partei. Gleich zum Auftakt stellte Jan Bretinger als Sprecher der Organisatoren von Fridays for Future eine Gretchenfrage: Mit welchem Verkehrsmittel die Kandidaten angereist seien zur Diskussion mit Bürgern auf dem Heinrich-König-Platz: Claudia Kapuschinski von „Die Partei“ kam zu Fuß, Martin Gatzemeier (Linke) mit dem Öffentlichen Nahverkehr, David Fischer (Grüne) und Fabian Urbeinczyk mit dem Auto und Malte Stuckmann (CDU) sowie Karin Welge (SPD) mit dem E-Auto.
Wahlprüfsteine zu den einzelnen Parteiprogrammen
Der Verkehr sollte am Freitagnachmittag ohnehin ein zentrales Thema sein. Bei den Wahlprüfsteinen, mit denen FFF die Wahlprogramme der Parteien auf Klimafreundlichkeit abgeklopft hatten, ging es um den bisher ausbaufähigen Umgang mit dem ausgerufenen Klimanotstand, um das Zieljahr für Klimaneutralität der Stadt Gelsenkirchen, um die Solarstadt Gelsenkirchen, die kaum Solarzellen auf Dächern nutzt, um Fahrradwege, besseren Nahverkehr, die Zukunft des Wasserstoffes und dessen Potential für innovative Projekte. Ein breites Feld von Ideen und Problemen, die nicht alle in Gelsenkirchen zu lösen sind.
Keine Rettung für das Klima möglich
Auf dieses Dilemma hinzuweisen übernahmen vor allem Karin Welge und Malte Stuckmann. Während Malte Stuckmann wiederholt auf die Notwendigkeit von Arbeitsplätzen, Umsetzbarkeit und auch Finanzierbarkeit von Projekten verwies, betonte Welge die Bedeutung nationaler und globaler Maßnahmen und deren deutlich stärkere Wirkungen. Diese Einschränkung veranlasste selbst die sonst mit satiretriefenden Ideen jonglierende Claudia Kapuschinski (Die Partei), zur Übernahme statt Abschiebung von Verantwortung aufzurufen. David Fischer (Grüne) wiederholte fast mantraartig das Konzept des globalen Denkens und lokalen Handelns. Und Ali-Reza Akyol diagnostizierte: Für das Klima gibt es keine Rettung wie bei der Corona-Krise; Klimaschutz brauche den ganzen Fokus.
Blätterdach für die Hitzeinsel Heinrich-König-Platz
Vor Ort aktiv für die Erreichung der in Paris erklärten Klimaziele arbeiten zu wollen, versicherten freilich alle diskutierenden. Akyol betonte, sinnvolle Maßnahmen stets zu unterstützen, ganz gleich, wer sie in die Welt brachte. Eine Spitze gegen die Ratsparteien, die einen Antrag der Wählergruppe AUF zum Klimanotstand von der Tagesordnung nahmen, und ihn später als eigenen (modifizierten) Antrag neu aufnahmen.
Aber es ging auch um Konkretes. Die Hitzeinsel Heinrich-König-Platz, dem David Fischer mit einem bepflanzten Netz ein kühlendes Blätterdach verschaffen will, oder den günstigeren Nahverkehr mit regionaler Vernetzung und einem Nahverkehrssystem aus einer Hand, mit einer Betreibergesellschaft für die Region, die nicht zuletzt Geld für teure Doppelstrukturen sparen würde. Auch hier zeigte sich: Bezahlbaren Nahverkehr aus einem Guss wollen eigentlich alle. Die Geister scheiden sich beim Weg und der Umsetzbarkeit. Martin Gatzemeier will mit einem Sozialticket starten, die Grünen fordern das 365-Euro-Jahresticket, die FDP will schrittweise den Preis senken, Stuckmann mahnt, die Kosten im Blick zu halten und Karin Welge erklärt als Kämmerin, dass ein Zusammengehen der Gesellschaften für Gelsenkirchen die Übernahme von Schulden anderer, defizitärerer Betreibergesellschaften und damit höhere Kosten mit sich bringen würde.
Wechselbad zwischen fundamentalistischen Ideen und dem großen Ganzen
Und so blieb es in der Diskussion beim Wechselbad zwischen fundamentalistischen Ideen im Dienste des Klimaschutzes und Mahnungen, die Realität und das große Ganze im Blick zu halten. Am Ende der lebhaften Diskussion vor etwa 100 Zuhörern versicherte Karin Welge den Friday-Aktivisten „Gut, dass es euch und eure fundamentalistischen Forderungen gibt!“.
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