Gelsenkirchen-Buer. Aus dem Netz zurück in die reale Welt: Propsteichor St. Urbanus in Gelsenkirchen-Buer veranstaltet eine vorsichtige, aber stimmige erste Probe.
Es ist eine besondere Kulisse: Im Urbanus-Park von Gelsenkirchen-Buer stehen mit großem Abstand leere Stühle. Langsam treffen jene ein, die gleich darauf Platz nehmen. Die Wiedersehensfreude ist hörbar groß, ebenso wie die Spannung. Denn was sonst einfach nur der traditionelle Probentermin für den Propsteichor St. Urbanus ist, ist heute eine Premiere: die erste Chorprobe mit Anwesenheit nach langer coronabedingter Pause.
„Das ist ein echter Testlauf“, sagt Kantor und Chorleiter Carsten Böckmann. Man habe ein Hygienekonzept erstellt, welches nun möglich mache, dass 28 Sänger unter freiem Himmel miteinander singen. Das ist nur ein Bruchteil des Chores – aber immerhin ein Anfang.
Klare Abstände und trockene Akustik bei der Chorprobe in Buer
Drei Meter seitlich und vier Meter nach vorn. So groß müssen die Abstände sein, wenn gesungen wird, erklärt Böckmann. Weil man beim kraftvollen Singen den Atem weiter ausstößt und auch tiefer einatmet. Daraus ergibt sich ein großer Abstand zwischen den Sängern und dem Chorleiter, der gute zehn Meter von manch einem Mitglied entfernt steht. Eine weitere Herausforderung: „Draußen ist immer eine ganz trockene Akustik.“
Das Ganze ist ein Wagnis – und kurz vor Probenbeginn droht es zu scheitern. Es fängt an zu regnen. „Das habe ich befürchtet“, sagt Carsten Böckmann und bringt eilig sein E-Piano in Sicherheit, kann es aber wenige Minuten später wieder aufbauen. Schnell wird deutlich, das Modell ist eine Chance, eine echte Option für die nächsten Monate ist es aber wohl nicht. Alleine schon, weil bald die Dämmerung zu früh herein bricht.
Einsummen statt Einsingen
Deswegen geht es auf die Minute genau um acht Uhr los. Das Einsingen fällt flach, Einsummen ist angesagt. „Jetzt bekommt ihr ein Gefühl für diese Kathedral-Akustik“, scherzt der Kantor. Und dann summen alle gemeinsam – und lächeln dabei in dieser urbanen Idylle zwischen kleinem Park und Straßenlärm.
„Ich bin total froh, dass es überhaupt mal geht“, freut sich die Vorsitzende Gabi Spangemacher. In den vergangenen Monaten habe man über Online-Proben versucht, die Chorarbeit weiter zu führen. Allerdings habe dabei nur jeder für sich in heimischer Kulisse gesungen. „Man studiert die Stücke für sich selbst ein und bekommt kein Feedback.“
Vorsichtig, aber harmonisch: Premiere macht Mut
Umso spannender werde es gleich, wenn man das Erlernte erstmals in Gemeinschaft singt. Lars Hoge, Chormitglied und nebenamtlicher Kirchenmusiker, ist jedoch für sich selbst zuversichtlich, dass das klappt. „Insgesamt aber denke ich, dass es für den Chor schwierig ist.“
Das zeigt sich jetzt. Gesungen wird das Lied „Abschied vom Walde“. „Jetzt sind wir mal gespannt“, sagt der Kantor und greift in die Tasten. Tatsächlich, vielleicht sogar wider Erwarten, klingt sie gut, diese Premiere. Noch etwas vorsichtig, aber harmonisch und stimmig. Einmal mehr wird deutlich: Das Singen in der Gemeinschaft war und ist derart tabuisiert, dass sich nun viele schwer tun.
Parklichter machen die Veranstaltung romantisch
„Das war gar nicht übel. Aber ihr dürft mehr geben an Lautstärke“, macht Carsten Böckmann Mut. Beim zweiten Durchlauf klappt es denn auch besser. Besonders aber hilft das nächste Stück, quasi ein „alter Bekannter“ für die Sänger. „Aus den Dörfern“, ein Lied aus dem Bereich des Neuen Geistlichen Lieds (NGL), erklingt stimmungsvoll und emotional. Obendrein wirkt es fast ein bisschen romantisch, als dazu um 20.20 Uhr die Lichter im Park angehen.
Soviel zur Innenansicht. Besonderen Zauber entfaltet auch die Außenansicht. Der Gesang klingt aus dem Park über die benachbarten Straßen hinweg, lässt Passanten innehalten, dem mittlerweile ungewohnten Musikgenuss lauschen. Diese bewegte Zeit schreibt, das wird deutlich, eben ihre ganz eigenen Geschichten.
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