Gelsenkirchen-Hassel. Thomas Klasmann blickt zufrieden auf seine 16 Jahre im Stadtbezirk Nord, spart aber auch nicht mit Selbstkritik. Er will in den Rat.
Zugegeben: 16 Jahre sind eine lange Zeit. Politikmüde ist Thomas Klasmann aber nicht. Wenn er nun sein Amt als Bezirksbürgermeister des Bezirks Nord aufgibt, dann tut er das, weil er weniger repräsentieren und mehr gestalten möchte - im Rat für ganz Gelsenkirchen. Auf seine "schöne und erfolgreiche" Zeit als Bezirksbürgermeister blickt er mit Freude zurück, spart aber auch nicht mit Selbstkritik. "Man hätte manches anders machen können."
Die Auseinandersetzung mit einem Zuhörer in der Bezirksvertretung Nord im September 2018, nein, die habe keinen Einfluss auf seine Entscheidung gehabt, von einer erneuten Kandidatur als Bezirksverordneter abzusehen. Damals hatte Klasmann in einer Sitzungspause eine Rippenprellung erlitten, die er als vorsätzlich wertete. Das Amtsgericht sah dafür aufgrund widersprüchlicher Zeugenaussagen keine eindeutigen Beweise und sprach den Angeklagten frei.
Gelsenkirchener hat viele emotionale Versammlungen erlebt
"Nein, so sehr erschüttert hat mich das Ganze dann doch nicht. Aber ich gebe zu, dass ich danach wachsamer in Bürgerversammlungen gegangen bin." Bei manchen Veranstaltungen sei es hoch hergegangen. "Als es um die umstrittenen Anliegerbeiträge für den Marthaweg ging, standen einige Bürger in der ersten Reihe von ihren Plätzen auf und machten Drohgebärden in Richtung Stadtvertreter", erinnert er sich durchaus an schwierige Situationen. Aber Angst, nein, die habe er nie gehabt.
Hasseler ist froh über Strukturwandel auf altem Zechengelände
Ausschlaggebend für seine Entscheidung, nicht mehr für die Bezirksvertretung zu kandidieren, sei vielmehr der Wunsch nach einer neuen Herausforderung gewesen. "Ich möchte mehr Sacharbeit leisten." Der Blick über den Tellerrand des Bezirks Nord hinaus ist es, der ihn reizt.
Die vielen positiven Erfahrungen in seinem Amt, sie überwiegen für den 63-Jährigen - ob nun mit engagierten Ehrenamtlichen oder bei Sachthemen. "Ich bin froh, dass wir die Neubebauung von Vestia-Gelände, Amtsgericht Buer und den Stadtteilpark Hassel auf den Weg bringen konnten."
Klasmann hätte auch gerne Gestaltungssatzung Hassel verabschiedet
"Es ist schon toll, wie der Stadtteil Hassel es nach dem Aus der Zeche Westerholt 2008 geschafft hat, sich neu zu erfinden. Das führe ich auch auf den Druck zurück, den wir auf die Betreiber des Geländes ausgeübt haben, weil wir schon vor der Stilllegung über eine Nachfolgenutzung nachdenken wollten."
"Bedauerlich" sei hingegen, dass es nicht gelungen sei, die Überarbeitung der Gestaltungssatzung Hassel noch in dieser Legislaturperiode zur Abstimmung zu bringen. "Die zwei bisherigen Satzungen sind zu schwammig und halten gerichtlichen Auseinandersetzungen nicht stand." Im Ergebnis sorge es immer wieder für Unfrieden unter Nachbarn, wenn einer sich etwa bei der Farbe und Beschaffenheit von Dachziegeln weniger als andere an die Vorgaben halte.
Klasmann: "Buer wird sich als Einkaufsstandort behaupten"
Was er im Rückblick anders machen würde? "Es war nicht richtig, der Diskussion mit der Hasseler Mieterinitiative ,Hami' aus dem Weg zu gehen", in der auch Mitglieder von AUF bzw. MLPD aktiv sind. Hintergrund seien Beschimpfungen gewesen. "Wir hätten uns da als Alternative präsentieren sollen", meint er.
Was Buer angeht, so ist er trotz so mancher Leerstände optimistisch. "Buer wird sich als zweiter Einkaufsstandort in Gelsenkirchen behaupten. Aber dafür müssen wir auch eine breite Vielfalt in den Sortimenten vorhalten", setzt Klasmann auch auf das Engagement der Immobilieneigentümer vor Ort. Er wird die Entwicklung weiterverfolgen - wenn er denn als Stadtverordneter gewählt werden sollte, auch vom Hans-Sachs-Haus aus.
>> Vom Schlosser- zum Bezirksbürgermeister
1957 in Herten-Westerholt geboren, arbeitete der Schlossermeister bis zu seiner Frühverrentung 2005 auf dem Bergwerk Lippe.
Für die IG Bergbau, Energie und Chemie engagierte er sich in der Jugendarbeit, trat 1980 der SPD bei und kandidierte 2004 erstmals für die Bezirksvertretung Nord, zu deren Vorsteher er gewählt wurde (heute: Bezirksbürgermeister).
Seit 1978 lebt er mit seiner Familie im Stadtnorden: in Scholven und heute in Hassel. Er ist verheiratet, hat zwei erwachsene Söhne und zwei Enkelkinder.