Gelsenkirchen. 22 Jahre leitete Peter Neubauer buchstäblich hinter den Kulissen die Geschicke des Musiktheater im Revier. Der Geschäftsführer und Verwaltungschef geht nun, 66-jährig, in den Ruhestand.

Ein Jahr hatte er „drangehängt”, um den Intendanten-Übergang von Peter Theiler auf Michael Schulz zu begleiten und um zugleich die Fäden in der achtmonatigen Umbauzeit zum 50-jährigen Bestehen in den Händen zu halten. „Das war ein privilegierter Arbeitsplatz und ein toller Job”, sagt Neubauer rückblickend. Schon als 14-jähriger, nun also mit über 50 Jahren Berufsleben, hatte Neubauer die Verwaltungslehre bei der Stadt begonnen, überwiegend in der Schulverwaltung gearbeitet, bis er von 1975 bis 1980 Büroleiter des damaligen Oberbürgermeisters Werner Kuhlmann wurde und ab 1984 Referent bei Oberstadtdirektor Jürgen Linde. 1988 stand dann die Nachfolge von Karl-Heinz Quick an. Neubauer bewarb sich – mit Erfolg. „Der Wechsel zum Theater war mein tiefster Wunsch”, erinnert sich Neubauer.

Auch daran, dass das Theater damals noch von einem Amtsleiter geführt wurde. „Doch ein Theater lässt sich nicht führen wie ein Fuhrpark”, und Neubauer erreichte die notwendige unternehmerische Eigenständigkeit zunächst in einem Eigenbetrieb und dann in einer GmbH. Nachfolger Neubauers, der am Dienstag im MiR in großer Runde verabschiedet wird, wird Dieter Kükenhöner, Verwaltungsdirektor der Essener Theater und Philharmonie GmbH.

Regelmäßiger MiR-Besucher war Neubauer vor dem Amtsantritt und gilt nach 22 Jahren zweifelsohne jetzt auch als ein Theaterkenner mit künstlerischem Sachverstand. Nun wird er vom Chefsessel in den Besuchersessel zurückkehren. Mit einer MiR-Sonderaufgabe: Der weiteren Förderung des Theaters hat er sich über die MiR-Stiftung verschrieben.

Interview

Was unterscheidet einen Geschäftsführer eines Theater von einem Geschäftsführer, sagen wir einer Fleischfabrik?

Neubauer: Nach GmbH-Recht ist das sicher kein Unterschied. Aber der inhaltliche Unterschied ist: Wir haben nicht das vorrangige Ziel, Gewinne zu machen. Ein Theater lässt sich nicht kostendeckend führen. Nirgendwo. Aufgabe ist es, mit den gegebenen Mitteln möglichst gutes Theater zu machen.

Gab es Zeiten, in denen Sie ums MiR kämpfen mussten?

Schwierig war die Phase um 1995 als die Kürzung der Zuschüsse um fünf Millionen Mark drohte. Dann hätte man den Laden zu machen können, weil der Riesenapparat vor allem mit dem großen Anteil an Personalkosten nicht zu halten gewesen wäre. Daraus ergab sich der Zwang zur Fusion mit Wuppertal. Das war sicher keine Liebesheirat, sondern eine Überlebensstrategie. Sie hat aber auch den wirtschaftliche Weg in die erneute Selbstständigkeit 2001 geebnet. Wir bieten heute gutes Theater mit 250 Mitarbeitern, fast 100 weniger als vor der Fusion.

Welchen Stellenwert hat das MiR heute in der Stadt, in der Region?

Das Musiktheater muss ein unverzichtbare Institution für die Region, für das nördliche Ruhrgebiet sein. Diesen Auftrag trägt es auch im Namen. Ich bin zutiefst überzeugt davon, dass die Stadt ohne das MiR ärmer wäre. Schalke 04 allein kann es nicht sein. Und ich spüre einen Stolz in der Bevölkerung auf das MiR, auch wegen seiner Architektur. Es ist beeindruckend, wenn man im Taxi sitzt und der Fahrer sagt, wir haben hier ein tolles Theater. Das Problem ist heute der demografische Wandel. Und wir müssen heute auffangen, dass es über zwei Generationen zu wenig musische Bildung in der Schule gab. Das Theater tut dies zum Beispiele erfolgreich mit seinen zahlreichen Jugendprojekten. Nicht umsonst haben wir jetzt erstmals auch einen Theaterpädagogen eingestellt. Und es ist gut, wie sich das Theater öffnet. Der Opernführer live etwa ist auch ein großer Erfolg.

Was braucht das MiR, was muss es in der Zukunft tun?

Wir brauchen Zuschauer. Wir haben keine Argumente, wenn uns die Zuschauer nicht begleiten. Alles was wir tun, ob Spielplan oder Jugendarbeit, muss das Ziel haben, Besucher ins Theater zu holen. Dazu müssen wir uns auch stärker in der Region positionieren. Das wird auch der erklärte Ansatz meines Nachfolgers sein. Dabei bedauere ich ein gewisses Kirchturmsdenken in der Region. Das Haus wird 2010 mit einer neuen Marketingstrategie in die Region gehen. Und ich glaube Michael Schulz ist der richtige Mann zur richtigen Zeit. Ich bin sicher, er wird Erfolg haben.

Wie gehen Sie mit Verrissen von Produktionen um?

Ich bin da wohl so empfindlich wie ein Intendant. Ich denke da eher an die Künstler und kreativen Köpfe und nicht an Zuschauerzahlen. Herummäkeln tut mir weh. Denn wir sind hier kein Kindergarten, hier wird hart gearbeitet. Gegen Bravos und Buhs nach einer Premiere habe ich nichts. Denn sie stehen für lebendiges, pralles Theater.