Gelsenkirchen-Bulmke-Hüllen. Evangelische Gemeinde und Gelsenkirchener Schulen arbeiten an einem pädagogischen Zukunftsprojekt: Wie die Pauluskirche zum Lernort werden kann.
Pfingsten hat sich die Gemeinde in einem Gottesdienst mit 65 Besuchern offiziell von „ihrer“ Pauluskirche verabschiedet. Die Corona-Pandemie hat auch hier den Ausklang geprägt. Als regelmäßiger Gottesdienstort und Treffpunkt für die Evangelische Apostel-Kirchengemeinde hat das Baudenkmal nach 109 Jahren ausgedient. Doch vielleicht steht es vor einer zweiten Karriere – als Lernort der etwas anderen Art.
Gelsenkirchener Kirche liegt direkt neben dem Gauß-Gymnasium
Die monumentale Kirche mit den imposanten, vom Halfmannshöfer Künstler Eduard Bischof kreierten Fenstern bietet Raum zur Entfaltung. Quadratisch ist der Grundriss der Kirche – eher ungewöhnlich. „In nächster Zeit werden wir die Kirchenbänke ausräumen und schauen, wie dann der Raum wirkt“, sagt Pfarrer Henning Disselhoff. Das Mittelschiff, so seine Überzeugung, bietet Platz für Konzerte, für Theater, für vielfältige schulische Nutzung. Dazu kommen noch Nebenräume von der Sakristei bis zu den Emporen. Ein Raum der Stille, ein Atelier oder Werkraum und ein Ort für Yoga, Entspannung oder neuer Medien könnten hier Platz finden. „Unsere Idee ist es, hier neuartige pädagogische Räume zu schaffen“, sagt Disselhoff.
Baukultur NRW hat das Projekt „Zukunft Kirchen Räume“ angeschoben
Wenn er von „unsere“ spricht, sind die Schulleitungen des benachbarten Gauß-Gymnasiums, der nahen Martin- und der Hansaschule einbezogen, die hier über die üblichen Schulkontakte hinaus kooperieren. Gauß-Oberstudiendirektor Frank Kaupert und Grundschulleiterin Susanne Warschun wirken mit an dem, was hier als „Lernwerkstattprinzip“ neue Möglichkeiten eröffnen soll und einem Prozess folgt, der vom Land begleitet wird.
Baukultur NRW hat das Projekt „Zukunft Kirchen Räume“ angeschoben. Von 6000 Kirchen allein in NRW werden in den kommenden fünf bis acht Jahren rund 1500 außer Dienst gestellt. Es gibt also einen riesigen Bedarf, Kirchengebäude nicht nur zu erhalten, sondern vor allem anzupassen, umzunutzen, mit neuem Leben zu füllen. Acht Kirchen im Land bekommen bei diesem Modellprojekt fachliche Begleitung. Die Pauluskirche zählt nach erfolgreichem Bewerbungsverfahren dazu. Beispielsweise kann sie auf architektonische Betreuung und strukturelle Unterstützung durch Workshops bauen. Eingebunden sind oder werden aber auch die Stadt, die kommunale Denkmalpflege, die Landeskirche sowie Elternvertreter und Schülerschaft. „Unsere Hoffnung ist, Klassenräume anders zu gestalten, in denen man sich dann auch anders aufhalten und lernen kann“, sagt Kaupert.
Weihnachtsfeiern oder Abiturgottesdienste wurden in der Kirche gefeiert
Das Gauß-Gymnasium liegt nur einen Steinwurf weit von der Kirche entfernt. Entsprechend nah war stets die Beziehung: Einschulungsgottesdienste, Weihnachtsfeiern oder Abiturgottesdienste wurden in der Kirche gefeiert. Mit der Hansaschule, einer Förderschule, und auch dem Consol-Theater gibt es eine regelmäßige Zusammenarbeit. Für das Gauß soll die Pauluskirche mehr werden als ein kirchlicher Klassenraum oder eine weitere Aula. „Es mangelt nicht an Ideen, aber es gibt natürlich Fragen, was die Machbarkeit betrifft“, sagt Kaupert. Entsprechend wertvoll sei die „professionelle Begleitung“. So wird derzeit ein altes Sanierungsgutachten zur Bausubstanz aktualisiert und der mögliche Sanierungsbedarf ermittelt. Zur Erinnerung: 2009 wurden Schäden am Kirchturm diagnostiziert, die Reparatur damals mit 180.000 Euro beziffert. Zu teuer, befand man, die Pauluskirche kam auch deshalb auf die Streichliste. Nun umhüllt ein grüner „Verband“ den Turm, soll vor Steinschlag schützen. Doch das Problem ist natürlich damit nicht beseitigt.
Martinschule an der Wanner Straße ist Familienzentrum
Seit zwei Jahren ist die Martinschule an der Wanner Straße Familienzentrum. 220 Kinder werden dort unterrichtet. „Wir hatten unter anderem überlegt, hier Räume für Beratung zu schaffen“, sagt Schulleiterin Warschun. „Für uns soll das hier auch ein Raum der Begegnung werden, mit starkem Quartiersbezug.“ Und eben auch „interkulturell und interreligiös“. Wie erfahren „andere diesen Raum?“, fragt Disselhoff. „Das wird ein spannendes Thema.“
Vier von acht Kirchen kommen in die zweite Projektrunde
Die Kirche ist Eigentum der Gemeinde. 12- bis 15.000 Euro pro Jahr fallen bislang für Strom, Wasser, Grundbesitzabgaben an. Doch ob das in Zukunft so bleibt, wer die Trägerschaft übernimmt und wer sich die Kosten teilt, welche Rolle der Schulträger dabei übernimmt, ob ein Betrieb über eine Stiftung oder Fördervereine abgesichert werden könnte – all diese „spannenden Fragen“ (Pfarrer Disselhoff) sind noch offen. Zuerst läuft die Ideensammlung für eine Art Machbarkeitsstudie. Im Februar 2021 steht dann die Projektentscheidung an. Vier von acht Projekten sollen weiterverfolgt werden. Dann geht es auch um die stärkerer Einbindung der Politik vor Ort, auch um die Akquise von Fördermitteln, um die Ideen zu realisieren: Schulleiterin Warschun: „Wir hoffen natürlich, dass wir unter diesen vier Kirchen sind.“
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