Gelsenkirchen-Erle. Die GGW hat die energetische Sanierung der zum Teil denkmalgeschützten Siedlung in Erle fast abgeschlossen. Gartenstadt-Häuser erhalten Balkone.

Wer auf Zeitreise gehen möchte, der ist tief im Erler Osten goldrichtig. Er braucht sich nicht einmal zu entscheiden, ob er lieber im Mittelalter oder Anfang des 20. Jahrhunderts landen möchte: Im Schievenfeldviertel finden sich architektonische Gestaltungselemente beider Epochen - mittlerweile sogar fast vollständig saniert. Denn die Gelsenkirchener Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft GmbH (GGW) als Eigentümerin von 95 Gebäuden mit 317 Wohnungen befindet sich in Sachen Modernisierung auf der Zielgeraden. Und hat doch noch viel Arbeit vor sich.

Zierfachwerk, Giebel, Erker und Türmchen: Das repräsentative Torhaus an der Schievenstraße wirkt wie ein Portal in eine andere Welt. Was Wunder, ist die 1912-14 errichtete Siedlung für Bergarbeiter der Schachtanlage Graf Bismarck 3/5 doch von Zechenbaumeister Ernst Hachmann genauso konzipiert worden: als Gartenstadt mit viel Grün und einem zentralen Platz.

Gelsenkirchener Mieter freuen sich über mehr Komfort

"Damals fand das Leben ja vielfach draußen statt. Die Wohnungen waren durch die vorgesetzten Hühnerställe eher duster", berichtet Bernd Rüdel, technischer GGW-Mitarbeiter, und zeigt auf die neuen, gro ßzügigen Balkone, die im Zuge der Baumaßnahme bereits zahlreiche Häuser erhalten haben. "Dadurch werden die Räume viel heller. Für die Mieter ist das ein echter Zuwachs an Lebensqualität."

Was Ende 2016 als energetische Sanierung im Rahmen eines vom Land geförderten Pilotprojekts begann, ist als Revitalisierung der Siedlung zwischen Middelicher Schieven-, Allee-, Steigerstraße und Wetterweg angelegt. Aus gutem Grund: "Die Leerstandsquote war recht hoch; die Leute waren unzufrieden mit dem Zustand der Häuser", weiß Rüdel um die damaligen Missstände: feuchte Keller, zugige Fenster, vor der Tür ein "Hundeklo"...

Böse Überraschung: Hausschwamm macht Gebäude-Abriss nötig

Nun verpasst die GGW dem Viertel in Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde also eine Schönheitskur. Die Liste der Arbeiten unter der Regie des Dortmunder Architekturbüros Spital-Frenking + Schwarz ist lang: Einbau neuer Fenster und Türen, Anbau von Balkonen, Dämmung von Kellern und Dachgeschossen, Fassaden-Anstrich, Aufbau einer Nahwärme-Versorgung mit Fernwärme und Blockheizkraftwerk, Ausbau der Barrierefreiheit, Modernisierung von Grünanlagen und Beleuchtung.

Und Überraschungen, die gab's inklusive: "Im Gebäude Steigerstraße 17 hatte sich durch Feuchtigkeit der Hausschwamm so ausgebreitet, dass es abgerissen werden musste", erzählt Guido Molitor, bei der Baubetreuung Schäf GmbH mit dem Projekt in Erle beauftragt. "Das zeigt, wie notwendig die Sanierung des Quartiers war, um die Substanz zu erhalten. Zum Glück war das der einzige so dramatische Befall."

Neue Wärmeerzeugungsanlage vermindert klimaschädliche Emissionen

Was erst auf den zweiten Blick erkennbar ist: An der Schievenstraße 8 errichtete die GGW ein Gebäude mit acht barrierearmen Wohnungen, das Anfang 2019 fertiggestellt wurde - in dem gleichen hellen Fassaden-Farbton wie die modernisierten historischen Häuser. "Es stellt einen wichtigen Baustein des Quartiersentwicklungs-Projekts dar. Mittels einer Wärmeerzeugungsanlage wird dort die Heizwärme für die gesamte Schievenfeldsiedlung produziert", unterstreicht Rüdel. Durch die Kombination von Holzpellets und Gasbrennwertkessel für die Spitzenlast würden die klimaschädlichen Emissionen um mehr als 50 Prozent vermindert.

Bewohner wünschen sich Hundeplatz

Während die Modernisierung an den Gebäuden Steigerstraße 3-15 bereits Ende 2017 abgeschlossen wurde, steht die Gestaltung der Außenanlagen auf und rund um den zentralen Platz kurz vor dem Abschluss. Wo früher eine Rasenfläche Hunde fürs Verdauungsgeschäft anlockte, sind nun Hainbuchenhecken gepflanzt, Wege angelegt, ein Kinderspielgerät aufgebaut. Am Rand stehen so genannte "Stall-Ersatzbauten", die den Bewohnern nach dem Abriss der einstigen Hühnerställe als zusätzlichen Stauraum dienen.

Bei Mietern wie Dustin Gutzeit und Mandy Wallenfels (25) kommt all das gut an. "Die Siedlung ist super geworden. Alles sieht richtig ordentlich und schön grün aus", so der 28-Jährige. "Es wäre nur schön, wenn die GGW auch noch einen Hundeplatz anlegen könnte." Tatsächlich erwägt die Stadttochter genau das am Rande des zentralen Platzes, um ähnliche Zustände wie in der Vergangenheit zu verhindern.

Mittelfristig will GGW auch die fünf denkmalgeschützten Gebäude sanieren

Der Arbeiten am letzten Bauabschnitt haben mittlerweile begonnen - die Modernisierung sowie der Anschluss an das Nahwärmenetz der Häuser Alleestraße 3-29, Wetterweg 1-5 und 36 sowie Schievenstraße 40-46. "Wir rechnen mit einem Abschluss der Gesamtmaßnahme in 2021", so Rüdel.

Wobei: Mittelfristig will die GGW auch die Sanierung der fünf denkmalgeschützten Gebäude angehen (Alleestraße 1/2, 31, 33; Schievenstraße 28a/b, 30-34; Middelicher Straße 77; Steigerstraße 2), darunter auch das Torhaus. "Deren Sanierung stellt aus Denkmalschutzgründen eine besondere Herausforderung dar, weshalb wir diese bei der jetzigen Maßnahme ausgeklammert haben", berichtet er. Kurz: Es gibt noch viel zu tun.

Baumfällungen nötig für die Schaffung von 15 weiteren Parkplätzen

Ein wichtiger Bestandteil der Bauarbeiten ist die Schaffung weiterer Stellplatzflächen in der Schievenfeldsiedlung. "Die Bewohner haben immer wieder bemängelt, dass es nicht genügend Parkraum gebe", sagt Rüdel. Die Folge: Der markierte Fußgängerbereich entlang der Schievenstraße wurde regelmäßig durch parkende Fahrzeuge so blockiert, dass Rettungsfahrzeuge kaum durchkamen.

Daher verfolgt die GGW eine "moderate Erweiterung" ihrer eigenen Stellplätze. So wurden nicht nur Flächen im Innenbereich der Siedlung erneuert, sondern auch 15 neue Stellplätze im Bereich der Alleestraße 23-29 geplant. "Wir stimmen uns dabei mit dem Referat Verkehr ab. Die Genehmigung dafür liegt bereits vor", betont Rüdel. Die Parkplätze befinden sich etwa zur Hälfte auf städtischem Grundstück und ragen auf die Flächen der GGW.

"Vereinzelt" sei dafür eine Fällung städtischer Bäume nötig, die jedoch durch Ersatzpflanzungen kompensiert würden. Bei dem Gesamt-Sanierungsprojekt müssten insgesamt 50 Bäume entfernt werden, auch weil sie zu nah an den Häusern standen und etwa die Wohnungen komplett verschatteten. Entsprechende Genehmigungen lägen vor.

>> Land NRW fördert Pilotprojekt mit 20 Millionen Euro

Die Modernisierung der Schievenfeldsiedlung kostet 25 Millionen Euro. 20 Millionen davon trägt das Land im Rahmen eines Pilotprojekts mit dem Ziel, zukunftsfähige und lebenswerte Wohnquartiere mit umfangreichen Investitionen zu erhalten und zu schaffen.

Anliegen ist es dabei auch zu zeigen, dass Mieten nach einer Modernisierung bezahlbar bleiben. Das Erler Quartier besteht aus öffentlich geförderten Wohnungen. 2015 hieß es, die damalige Kaltmiete in Höhe von 4,40 Euro pro Quadratmeter solle für bisherige Mieter um höchstens 15 Prozent steigen.