Gelsenkirchen. Neues Rad oder Reparatur des alten Drahtesels: Die Gelsenkirchener Fahrradläden erleben eine starke Nachfrage. Gründe dafür gibt es viele.

Wochenlang war das öffentliche Leben stark eingeschränkt. Man durfte nur raus zum Einkaufen, um zum Arzt oder arbeiten zu gehen. Sport war auch möglich – allerdings nur individuell und draußen. Das ist für Mesut Dennis Barke ein Grund, warum es einen großen Ansturm auf Gelsenkirchener Fahrradläden gab.

„Seitdem beschlossen wurde, dass die Menschen weiter Sport unter freiem Himmel treiben können, ist der Ansturm groß“, sagt der Inhaber von Interrad in der Kirchstraße. Fahrradfahren sei so ziemlich die einzige Möglichkeit gewesen, um an die frische Luft zu kommen.

Dennis Barke wartet noch auf eine Lieferung von zehn bis 15 Fahrrädern. Durch die Corona-Krise habe sich die Lieferung der Spedition verzögert. Vor allem aber waren Wartungstermine zuletzt stark nachgefragt.

Während die Verkaufsflächen von Fahrradhändlern geschlossen bleiben mussten, konnte der Betrieb in den Werkstätten weitergehen.

Schichtbetrieb in der Werkstatt

„Wir haben mit drei Mann im Schichtbetrieb gearbeitet. Wir haben viele Stammkunden, die jedes Jahr eine Inspektion machen lassen. Viele haben aber auch ihr Rad vorbei gebracht, das seit zehn Jahren im Keller steht und voll Spinnweben ist“, berichtet Mesut Dennis Barke. So ein Zweirad wieder herzurichten, koste dann eben auch mehr Zeit: „Wir haben aber alles hingekriegt.“ Der Ansturm auf die Werkstatt des Zweirad-Centers Tertel an der Cranger Straße geht sogar so weit, dass Inhaber Roland Tertel Kunden abweisen musste. „Die Werkstatt ist überfüllt. Bis Ende Juni gibt es keine Termine“, erklärt er.

Wenn jemand sein Fahrrad bringt, werde es erst einmal in die abzuarbeitende Schlange eingereiht: „Wir versuchen aber gleich die Ersatzteile zu bestellen, damit es sofort losgehen kann und sich nicht noch mehr anstaut.“

Roland Tertel, der auch während der Schließung Schläuche und anderes Flickzeug an die Kunden verkauft hat, freut sich aber über den Andrang.

„Die Leute haben das Radfahren wieder entdeckt. Das Lager ist voll mit neuen Rädern. Da ist man froh, wenn man nach vier Wochen sie auch an den Mann bringen kann. Die Situation war nicht einfach“, sagt Tertel. Insbesondere E-Bikes seien derzeit stark nachgefragt.

Mehr Anfragen als vorher

Die Verkaufszahlen seien zwar nicht gestiegen, dafür jedoch die Anfragen, verrät Lisa Paprotta, Angestellte im Radhaus Servicestation in Bulmke-Hüllen. „Das liegt vielleicht auch daran, dass jetzt viele statt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln mit dem Fahrrad unterwegs sind“, spekuliert sie.

Das Rad sei wieder auf dem aufsteigenden Ast und ältere Menschen hätten beispielsweise Interesse an E-Bikes, um mobil zu bleiben. Auch die Werkstatt des Familienbetriebs kann sich nicht vor Arbeit retten: „Wir sind bis Anfang Juli ausgebucht.“

Auch wenn das Beobike Fahrradgeschäft am Rande von Buer kein normaler Fahrradladen ist, wie Inhaber Peter Baldow betont, habe auch er etwas mehr Räder verkauft als sonst. Er hole quasi jetzt auf, was er durch die coronabedingte Schließung verloren habe.

Baldow setzt auf Kompakt- und Spezialräder: „Das sind zum Beispiel Dreiräder für Menschen, die Gleichgewichtsprobleme haben.“ Lastenräder seien gerade ebenfalls sehr beliebt, um bei einem Ausflug Kinder oder Hund mitnehmen zu können, erklärt Baldow, zu dem selbst Kunden aus Aachen und Osnabrück kommen.

Neue Radrouten von Nord nach Süd

Die Stadt hat kürzlich zwei Radrouten fertiggestellt, die eine attraktivere Verbindung für Fahrradfahrer zwischen dem Rathaus in Buer und dem Hans-Sachs-Haus in der City bieten sollen. Beide sind mit eigens entwickelten Logos deutlich ausgeschildert.

Zehn beziehungsweise zwölf Kilometer lang sind die beiden Routen. „Damit sind sie nur unwesentlich länger als die direkte Verbindung über die Kurt-Schumacher-Straße, aber wesentlich attraktiver“, sagt der städtische Radverkehrsbeauftragte Stefan Behrens.