Gelsenkirchen-Feldmark. Die „Teufelsfahrer“ sorgen für spannende Momente im 23. Weihnachtscircus in Gelsenkirchen. Damit riskieren die Kolumbianer täglich ihr Leben.

Es ist das ganz große Finale: Knatternde Motoren hinter dem Vorhang kündigen es schon an, gleich übernehmen maschinelle Pferdestärken und ihre waghalsigen „Reiter“ im Weihnachtscircus der Familie Probst. Die große stählerne Kugel, der „Globe of Death“, steht in der Mitte der Manege bereit. Nach und nach fahren die Artisten ins Zelt und in die Kugel. Erst sind es zwei, die darin so schnell kreisen, dass man sie kaum mehr erkennen kann. Dann kommt ein dritter Fahrer dazu – und schon stockt einem der Atem. Unvorstellbar, dass hier erst die Hälfte der Truppe aus dem fernen Kolumbien aktiv ist.

Die „Teufelsfahrer“ setzen dabei auf Routine

Alle in einer Kugel: Die Konstruktrion ist gut verankert. Bis zu sechs Artisten fahren in dem Käfig. Auf einmal!
Alle in einer Kugel: Die Konstruktrion ist gut verankert. Bis zu sechs Artisten fahren in dem Käfig. Auf einmal! © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

„Wir riskieren jeden Tag unser Leben“, sagt Jiancarlo Bolivar. Wer die sechs Jungs einmal in Aktion gesehen hat, hat daran keinen Zweifel. Die „Teufelsfahrer“ setzen dabei auf Routine. „Wir arbeiten seit vielen Jahren zusammen.“ Man sei ein eingespieltes Team. Das wahre Risiko sei ein anderes. „Eine Maschine bleibt eine Maschine.“ Hier liege die eigentliche Gefahr für Unfälle. Deswegen kümmern sich die Artisten intensiv um ihre Motorräder. „Jeden Morgen prüfen wir aufwendig unsere Maschinen“, erzählt Andres Torres. „Danach proben wir zwei Stunden lang – jeden Tag.“ Auch wenn später noch zwei Vorstellungen anstehen. „Das ist schon eine Menge Arbeit.“ – „Alles muss perfekt laufen“, betont Jiancarlo Bolivar.

Sie alle lieben den Nervenkitzel

Auch interessant

Man meint, um solche Fahrkünste zu erwerben, müsse man möglichst früh beginnen. Ganz so ist es aber nicht. Die Laufbahn von Jiancarlo Bolivar im „Globe of Death“ startete am frühesten. Er hat quasi Rennbenzin im Blut. „Ich bin im Zirkus aufgewachsen. Meine Familie hatte diese Nummer. Ich habe mit 14 Jahren angefangen. Mein Bruder war da bereits in der Stahlkugel aktiv. Schon mein Vater hat das als junger Mann gemacht. Es ist so eine Art Familientradition.“ Mit den Jahren fanden die sechs „Teufelsfahrer“ zusammen. Sie alle stammen aus Zirkusfamilien. Sie alle lieben den Nervenkitzel. „Es ist unsere Leidenschaft, die wir hier leben und zum Beruf gemacht haben“, sagt Jiancarlo Bolivar. So sieht es auch Adres Torres: „Das ist, was wir lieben. Es ist einfach aufregend, im Globe of Death zu arbeiten.“ Jiancarlo Bolivar fasst es lachend zusammen: „No risk, no fun.“

„Wir müssen in Kontakt mit unserem Publikum sein“

Monatelang nicht zu Hause

Immer wieder touren die „Hell Riders“ durch Europa, sind monatelang nicht in der kolumbianischen Heimat. Seit vielen Jahren gastieren sie auch in einem Weihnachtszirkus. In Gelsenkirchen aber sind sie zum ersten Mal dabei.

Nach der letzten Vorstellung im Revierpark Nienhausen haben auch die sechs Artisten Winterpause. Rund einen Monat lang haben sie frei. Die meisten von ihnen fahren dann über den großen Teich zu ihren Familien.

Mit ihrer Nummer knüpfen die sechs Kolumbianer an eine lange Tradition an. Auch hierzulande waren einst waghalsige Motorradshows Publikumsmagneten auf Kirmesveranstaltungen und Volksfesten. „Die Nummer gibt es schon sehr lange“, sagt Jiovanni Rondon. „Sie hat immer noch Ähnlichkeit mit den ersten Shows vor einhundert Jahren.“ Weil so eine Kugel so viel Raum für Neues nicht biete. „Aber ab und zu hat einer von uns eine Idee und dann versuchen wir das.“ Wohl wissend, dass den Gästen beim Zuschauen der Atem stockt. „Die Leute mögen unsere Nummer. Immer wieder beobachten wir, dass Menschen wieder und wieder kommen, um uns zu sehen.“ Ob sie das während all ihrer Kunststücke wahrnehmen? Jiovanni Rondon lacht. „Aber natürlich. Wir sind Künstler. Wir müssen in Kontakt mit unserem Publikum sein.“

Aus Kolumbien kommen die Artisten.  Für einige von ihnen ist die Nummer „Familientradition“.  
Aus Kolumbien kommen die Artisten.  Für einige von ihnen ist die Nummer „Familientradition“.   © Circus Probst

Im Dunkel leuchten die Kostüme der „Hell Riders“

Auch interessant

Zum Lachen ist derweil keinem, der nun auch den vierten, fünften und sechsten Artisten in die Stahlkugel einfahren sieht. Die wirkt zwar leer recht groß, nun aber fragt man sich, wie soll das passen? Und noch stehen die Fahrer. Dann geht er los, der Höllenritt. Die ersten drei Fahrer drehen in der Horizontalen über der Mitte der Kugel blitzschnell ihre Runden. Darunter fahren die anderen drei. Das Licht geht aus. Im Dunkel leuchten die Kostüme der „Hell Riders“ und werden in der Geschwindigkeit ihrer Fahrt zu bunten Streifen. Spätestens jetzt weiß man, warum die Truppe sich ihren Namen gab. Sie sind echte Teufelsfahrer. Jedoch nur in der Manege, betont Jiovanni Rondon und lächelt verschmitzt. „In unseren Herzen sind wir alle Engel.“