Gelsenkirchen-Buer. Der Biomassepark auf der Zeche Hugo in Gelsenkirchen ist für die RAG nicht rentabel. Warum das Projekt für die Stadt trotzdem ein Erfolg ist.

Noch keine drei Jahre ist es her, da startete auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Hugo ein Projekt, das auch über die Grenzen Gelsenkirchens hinaus genau beobachtet wurde: Rund um den alten Förderturm Hugo 2 wurden auf zehn Hektar, ordentlich in Reih und Glied, 80.000 Weiden und Pappeln gepflanzt. Mit dem Holz von dieser sogenannten Kurzumtriebsplantage sollte Energie gewonnen werden. Doch nun zeigt sich, das aus den ehrgeizigen Plänen von Stadt und Grundstücksbesitzer RAG Montan Immobilien (RAG MI) nichts wird.

Mit der Pflanzung der Stecklinge war im April 2017 der letzte Schritt zur Realisierung des Biomasseparks Hugo vollzogen.
Mit der Pflanzung der Stecklinge war im April 2017 der letzte Schritt zur Realisierung des Biomasseparks Hugo vollzogen. © FUNKE Foto Services | Thomas Schmidtke

„Wir haben uns aus dem Projekt zurückgezogen“, sagt Frank Schwarz, Sprecher der RAG MI auf Nachfrage dieser Redaktion. Es hätte sich gezeigt, dass die Hölzer einfach zu langsam wachsen, als dass sich der Park wirtschaftlich betreiben ließe. Georg Nesselhaus, im Umweltreferat unter anderem für das Projekt zuständig, gibt dem Klimawandel die Schuld dafür: „Durch die Trockenheit sind die Pflanzen nicht so viel gewachsen, wie wir gehofft haben.“ Außerdem sei aus den Plänen, die Holzschnitzel direkt vor Ort in einem Blockheizkraftwerk zu verbrennen, nichts geworden, ergänzt Schwarz.

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Noch bevor die erste Ernte eingebracht werden konnte, zeichnen sich weitere Probleme ab, wie Kirstin Nieland vom Regionalforstamt Ruhrgebiet erklärt: Auf ähnlichen Plantagen erschwerten spitze, wenige Zentimeter hohe Stubben, die nach dem Schnitt aus dem Boden ragen, nachfolgende Ernten. Denn sie beschädigten die Reifen der Erntemaschinen. Deutschlandweit gibt es daher noch nicht einmal eine Handvoll Spezialfirmen, die Biomasseparks abernten.

Die Stadt hat das Grundstück gepachtet

Steht die erste Kurzumtriebsplantage in einem Ballungsraum also vor dem Aus? Geht es nach der RAG MI, dann ja. Wie Frank Schwarz erklärt, wird die GmbH sich nicht nur aus dem Projekt zurückziehen, an anderen Stellen geplante Biomasseparks werde es nicht geben. In Gelsenkirchen geht die RAG-Tochter sogar noch weiter: „Wir trennen uns auch vom Eigentum“, so der Unternehmenssprecher.

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Da die Stadt das Grundstück bis 2036 gepachtet hat, macht Nesselhauf sich keine Sorgen darüber, was künftig aus der Fläche wird. Das liegt auch daran, dass nur wenige Schritte von der Plantage entfernt bereits etwas Neues wächst: Das Grünlabor auf der einstigen Zechenbrache ist zu einem Klassenzimmer geworden, das Schulen und Kitas aus der Nachbarschaft rege nutzen. Der Gemeinschaftsgarten ist darüber hinaus für die Menschen aus der Umgebung ein liebgewonnenes Kleinod, denn sie können dort selbst Obst und Gemüse anbauen.

Den Garten im Grünlabor können die Menschen aus der Nachbarschaft selbst pflegen. Im Sommer 2019 stand er in voller Blüte.
Den Garten im Grünlabor können die Menschen aus der Nachbarschaft selbst pflegen. Im Sommer 2019 stand er in voller Blüte. © Stadt Gelsenkirchen | Georg Nesselhauf

„Für uns ist nicht entscheidend, ob die Biomasse finanziellen Ertrag bringt. Wir haben durch die Stauden zwischen den Bäumen hier eine unglaubliche Artenvielfalt. Ich würde deshalb nicht sagen, dass das Projekt gescheitert ist“, sagt Nesselhauf. Neben den unterschiedlichsten Pflanzenarten haben sich unzählige Insekten auf dem Areal angesiedelt, darunter viele Wildbienen. Die wiederum ziehen Vögel an. Im vergangenen Sommer, erzählt Nesselhauf, konnte er Hunderte Mauersegler im Park beobachten.

Förderverein plant schon die nächsten Aktionen

Damit die Idylle mitten in der Stadt weiter wachsen kann, kümmert sich der Förderverein Grünlabor im Biomassepark Hugo um deren Weiterentwicklung. Zusammen mit der Stadt haben die Mitglieder Container für Werkzeuge und als Aufenthaltsraum für Kita-Kinder angeschafft und eine Pergola für das grüne Klassenzimmer gebaut. Regelmäßig sitzen die Mitglieder, die auch die Beete dort bewirtschaften, zusammen und planen die nächsten Projekte. „Im Moment bauen wir Stühle für die Pergola. Bis zum Sommer wollen wir außerdem eine Komposttoilette errichten. Aus dem Bezirksforum haben wir dafür Geld bekommen“, erklärt der erste Vorsitzende, Peter Boeff.

Grünlabor ist herausragendes Projekt

Nach Schließung der Zeche 1999 wurde das Gelände aufwendig umstrukturiert, Bodenkontaminationen entfernt und Erdreich aufgeschüttet.

An der Planung waren neben Stadt und RAG MI unter anderem der Landesbetrieb Wald und Holz und die Ruhruni Bochum beteiligt.

Am 25. Juni 2016 wurde die Fläche offiziell eröffnet. Gleichzeitig wurde unterschrieb die Stadt einen Nutzungsvertrag für Teilflächen des Parks und das Grünlabor.

Die Stiftung Lebendige Stadt finanzierte den Gemeinschaftsbereich Grünlabor, die RAG den Bodenerlebnispfad.

Seit November 2019 ist das Grünlabor Hugo ein herausragendes Projekt des Bundeswettbewerbs „Zukunftsstadt 2030“, seit September 2019 ist es Teil des europäischen Projekts „Clearing House“, das die Wirkung von urbanen Wäldern erforscht.

„Ich stehe mit viel Herzblut hinter dem Projekt“, sagt Annette Witzel. Sie ging vor zwei Jahren unter die Gärtner und übernahm die Pflege eines Beetes. Inzwischen hat sie sogar ihren eigenen Schrebergarten. Für Nesselhauf zeigt das, wie gut das Konzept funktioniert. Für ihn ist der Park mehr als ein Freizeitraum, er ist „als Ausgleichsfläche für die Stadt von großer Bedeutung, auch, wenn wir über Hitzeinseln diskutieren“.

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Unabhängig vom Misserfolg der Kurzumtriebsplantage und den ungeklärten Eigentumsverhältnissen des Grundstücks ist er sich deshalb sicher: „Es wird auf jeden Fall grün bleiben.“ Ob die Plantage künftig verwildert oder zu einer Bienenweide umfunktioniert wird, werde sich noch entscheiden.

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