Gelsenkirchen. Eva Kunze aus Gelsenkirchen entwirft und schneidert Bodys und Röcke für die Große Garde der Narrenzunft. Kreationen entstanden in Nachtarbeit.
Wer sich heute auf der närrischen Bühne bewegt, der will nicht nur bestens unterhalten, sondern auch mit seiner äußeren Erscheinung überzeugen. Vor allem die modisch bewussten Gardetänzerinnen fragen sich, wie elegante Tanzbewegungen und Ausstattung möglichst ein harmonisches Gesamtbild ergeben. So grübelten auch die jungen Tänzerinnen der Narrenzunft darüber, ob weit ausladende Röcke oder eher körperbetonte Kleidung ins Modebild passen. Immer mit dabei ist die Ideengeberin und schöpferische Vordenkerin Eva Kunze.
Regelmäßig hat sie den tanzenden und springenden jungen Frauen in der Vergangenheit in unzähligen Arbeitsstunden die Tanzkleidung auf den sportlichen Leib geschneidert. Haute Couture in Sachen Gardeausstattung war in dieser Session mal wieder angesagt. Die alte Tanzkleidung wurde ins närrische Abseits befördert, neue Modelle waren gefragt.
Auch interessant
Eva Kunze hatte in der Wohnung erneut ein Modezimmer eingerichtet und Ehemann Bernd Kunze sechs Monate lang einen Teil seines Arbeitszimmers streitig gemacht. „Bei der Frage der Rockauswahl habe ich mich gegenüber den Mädels leider nicht durchgesetzt“, gesteht die engagierte Schneiderin. Sie liebt weite Röcke, die tanzende Truppe bevorzugt Faltenröcke. Die Einigung war dennoch schnell erzielt.
Figurbetonte Röcke für athletische Akrobatinnen
In vier Falten öffnen sich die Röcke bei den eleganten und oft sehr athletischen Bewegungen der Tänzerinnen. Der von Eva Kunze favorisierte Petticoat würde ohnehin keinen Platz mehr unter dem engen Rock finden. „Die Mädels sind heute ohnehin mehr Akrobaten als Tänzer“, sagt die kreative Modeschöpferin. Leichtere Kostüme sind gefragt. Weite Röcke, ist Eva Kunze überzeugt, hätten der Figur mehr geschmeichelt und manch überflüssiges Pfund versteckt. „Die neuen Faltenröcke wirken leichter, sind figurbetont und kommen den athletischen Bewegungen der Gardetänzerinnen sicher sehr entgegen“, glaubt die passionierte Schneiderin.
Lange hat die Mutter der Kostüme geforscht, welcher Stoff am besten passt. Im Internet wurde sie schließlich mit einem Goldbrokatstoff fündig. Doch immer wieder ging das Paket zum Hersteller zurück, der Stoff war nicht der richtige. „Man muss höllisch aufpassen, dass man nicht kopiert in der Modebranche“, weiß Eva Kunze.
Ärmel und Body sollten farblich gut harmonieren, was bei blau-weiß oder rot-weiß unproblematisch wäre. Doch bei den blau-gelben Vereinsfarben sei es schwierig, den richtigen Ton beim Bodystoff zu finden. Um den Schweiß bei späteren Auftritten besser aufsaugen zu können, näht Eva Kunze auf Nesselstoff. Samt, Satin und Brokat, das sich wie metallene Fäden auf den Stoff legt, sind in Rock und Oberteil verarbeitet.
Kunze nähte tagelang Pailletten mit der Hand an
So manche Nachtschicht legte die Hobby-Schneiderin ein, weil sie auch Pailletten von Hand aufnähen musste. Auch der dickere Baumwollsamt konnte nicht mit der Maschine aufgenäht werden. Die Folge: tagelange Handarbeit. Einmal in der Woche erschienen die zukünftigen Trägerinnen im kleinen Modeatelier und probierten die Modelle an. Und wenn die Maße nicht exakt mit der Körperform übereinstimmten, musste nachgearbeitet werden.
Auch interessant
Zwischen 50 und 60 Stunden Schweiß stecken hinter jedem Kostüm. Grundkenntnisse aus der Schule kommen der ehemaligen „Bürotante“, die den Zuschnitt selbst anfertigt, entgegen. Die erfolgreiche Designerin, die früher selbst tanzte und häufig auf der Bühne stand, übernahm einen Trick vom Theater und kreierte so genannte Bewegungseier. Die bewahren das Bodykleidungsstück der Tänzerinnen bei manch extremen Armbewegungen vor dem Dilemma, zu reißen. Schon die Mutter und auch die Oma haben genäht. Gerne wäre Eva Kunze, die früher selbst tanzte und häufig auf der Bühne stand, Theaterschneiderin geworden.
Wenn die Tänzerinnen glänzen, ist das Lohn genug
Besonders viele Auftritte
Aus 17 aktiven Tänzerinnen besteht die Große Garde der Narrenzunft. Sie wird trainiert von Ramona Kunze unter Assistenz von Viola Stange.
In dieser Session stehen die Tänzerinnen besonders oft im Rampenlicht. Da die Gesellschaft das Prinzenpaar stellt, muss die Truppe Seine Tollität Martin I. und Ihre Lieblichkeit Martina III. bei allen Auftritten auch als Prinzengarde begleiten.
Am 15. Februar lädt die Narrenzunft ab 19 Uhr zu ihrer Prunksitzung ab 19 Uhr ins Hans-Sachs-Haus ein. Info: www.narrenzunft-ge.de
Und wie beurteilen die Tänzerinnen ihre Kreationen? „Durch die Verarbeitung von Brokat lässt sich entspannte tanzen“, sagt Jacqueline Gutt. Sie fühlt sich wohl im ungewohnt flachen und eng anliegenden Rock. Die „größere Bewegungsfreiheit“ weiß auch Kristina Preslikoska zu schätzen. „Weil der Petticoat fehlt, fühlt man sich leichter beim Tanzen.“ Und wenn sich der Rock entfaltet, dann liebt sie auch den Glanz, den er ausstrahlt.
Die Garde ist stolz auf ihre Modeschöpferin und dankbar für unzählige Arbeitsstunden. Eva Kunze freut sich über positive Reaktionen, hat ihre eigene Vorstellung vom möglichen Lohn für tagelange Schweißarbeit: „Ich arbeite ehrenamtlich, habe Spaß, wenn die schön aussehen.“