Gelsenkirchen/Bottrop/Gladbeck. Das Lokalradio für Gelsenkirchen, Bottrop und Gladbeck braucht einen neuen Chef. Im Interview verrät Ralf Laskowski, wohin er geht – und warum.
Nach über 14 Jahren bekommt Radio Emscher Lippe (REL) einen neuen Chefredakteur. Ralf Laskowski hat den Lokalsender zum Jahreswechsel verlassen. Er tritt am 2. Januar seinen neuen Job als „Leiter Digitale Inhalte“ bei Radio NRW in Oberhausen an. Zum Abschied hat sich WAZ-Redaktionsleiter Steffen Gaux mit dem langjährigen REL-Chefredakteur Ralf Laskowski unterhalten.
Hallo Ralf, willkommen in der WAZ-Redaktion Gelsenkirchen. Bist du mit dem Auto hierhin gekommen?
Laskowski: Genau.
Welcher Radiosender lief während der Fahrt?
Gar keiner. Es lief ein bekannter Streaming-Dienst-Anbieter.
Jetzt hatte ich natürlich mit der Antwort „Radio Emscher Lippe“ gerechnet.
Das habe ich heute Morgen im Auto gehört.
Wenn du Radio hörst, läuft sicher nicht immer Radio Emscher Lippe. Welche Sender hörst du gerne auch im eigenen Verbreitungsgebiet?
Ich höre oft Deutschlandfunk Nova, weil ich das für ein ganz interessantes, junges und frisches, aber trotzdem informationsgebundenes Format halte. Dazu gibt’s auch gute Musik. Ansonsten höre ich viel WDR 5. Und natürlich – das gehört auch dazu: Was macht die Konkurrenz? Was macht 1Live, was macht WDR 2?
Und wenn du in Deutschland unterwegs bist? Welche Sender findest du persönlich besonders gut?
Aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich natürlich NDR 2, das ist die alte Heimatverbundenheit zu Schleswig-Holstein. Ab und zu höre ich auch Radio Hamburg. Auch das aus alter Verbundenheit, weil ich da mal als Praktikant gearbeitet habe. Das war mein erster großer Radiosender. Wenn ich im Süden unterwegs bin, läuft Antenne Bayern, auf der Durchfahrt FFH.
Was nervt dich im Radio? Oder anders gefragt: Wann schaltest du persönlich ab?
Schlechte Comedy nervt mich. Was mich auch nervt, sind zu offensichtlich gut gelaunte Moderatorinnen oder Moderatoren. Das wird ja dem privaten Radio sehr stark vorgehalten. In den 90ern und 2000ern war das noch extrem. Das hat aber sehr stark zugunsten von Authentizität nachgelassen. Insofern gibt es gar nicht mehr so viele Momente, in denen ich umschalte.
Bei einem bestimmten Lied vielleicht?
Ja gut, es gibt so ein paar Lieder, die auf meiner „schwarzen Liste“ stehen und, die immer mal wieder laufen. Entweder erträgt man’s dann kurz oder ich schalte kurz um.
Radio Emscher Lippe
Radio Emscher Lippe (REL) ist der lokale Radiosender für Gelsenkirchen, Bottrop und Gladbeck. Das Programm wird gesendet aus der alten Villa an der Hochstraße 68 in Gelsenkirchen-Buer.
Zweimal vier Stunden sendet der Sender an Werktagen aus der Villa: von 6 bis 10 Uhr und von 14 bis 18 Uhr. Am restlichen Tag wird das Programm von Radio NRW aus Oberhausen für alle 45 Lokalradios im Bundesland gesendet. Dorthin wechselt Ralf Laskowski jetzt als „Leiter Digitale Inhalte“.
Hast du mal deinen Sender gehört und gedacht: Oh je, was machen die denn da gerade?
Natürlich, klar. Du wirst auch schon mal deine Zeitung aufgeschlagen und gedacht haben: Wer ist denn auf das schmale Brett gekommen? Das passiert. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder man setzt darauf, es hat sich versendet und es hat keiner gemerkt. Oder man ruft dann sofort im Studio an. Wobei das für mich eigentlich immer eine eiserne Regel gewesen ist, das nicht zu tun. Bei groben Schnitzern während der Sendung muss man Ruhe bewahren und erst im Nachhinein mit den Moderatoren sprechen. Nichts ist schlimmer, als in eine laufende Sendung zu gehen und zu sagen: Das ging gar nicht. Damit macht man es immer schlimmer, weil die Moderatoren dann völlig verunsichert sind.
Radio Emscher Lippe ist Marktführer im Sendegebiet. Was macht ihr besser als der WDR?
Was wir definitiv besser machen, ist, dass wir einfach authentischer an den Menschen hier dran sind. Wir nutzen den Standort-Vorteil. Wir sind hier vor Ort, wo die Dinge, die die Menschen hauptsächlich interessieren, passieren. Wir können ganz schnell mit einem Reporter da sein, wie kürzlich bei der Bombenentschärfung in Gelsenkirchen. Oder in Gladbeck hatten wir vor ein paar Wochen einen SEK-Einsatz mit Schusswaffengebrauch auch gegen Polizisten. Da wohnt unser Kollege halt direkt nebenan und hat das sogar gesehen und gehört. Meine Mitarbeiter wohnen in der Regel auch alle hier und kennen sich bestens aus. Sie wissen auch, welche Sprache die Menschen hier sprechen. Das darf man nicht unterschätzen. Wenn ich mit einem ostwestfälischen Einschlag komme, merkt man das schon ein bisschen. Wenn dagegen mal ein „dat“ oder „wat“ fällt, macht das was aus.
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Wie wichtig sind die lokalen Informationen in eurem Programm und wie nötig sind die nationalen oder internationalen Topthemen?
Letztere sind sehr nötig, weil erstere von uns schlicht erwartet werden. Das Lokale und Regionale muss ich also liefern. Da wissen wir auch aus Befragungen, dass wir das über die Maßen gut erfüllen. Die nationalen und internationalen Themen ins Lokalradio zu holen, ist für uns das dickere Brett.
Radio ist heute nicht nur Radio. Zum Begleitprogramm gehört – wie bei uns auch – heute vor allem Social Media. Wie wichtig sind Facebook und Co. fürs Programm und für die Marke?
Unglaublich wichtig. Es trägt maßgeblich dazu bei, die Marke draußen bekannt zu machen. Das habe ich hier auch schon ganz früh gesagt und wurde anfangs noch belächelt. Inzwischen ist das der Grund, warum ich weggehe. Weil ich da auch Treiber gewesen bin in dieser Entwicklung.
Nach 14 Jahren verlässt du Radio Emscher Lippe. Was wirst du in Zukunft genau machen?
Die Stelle nennt sich „Leiter Digitale Inhalte“ bei Radio NRW. Das ist ja unser Rahmenprogramm in Oberhausen und zuständig für 45 Lokalradios in ganz Nordrhein-Westfalen. Von dort aus werden die Sender vorwiegend mit Audio-Inhalten beliefert, aber in jüngster Vergangenheit sind da auch schon Online-Inhalte dazugekommen. Meine Aufgabe wird es jetzt sein, Audio-Inhalte auch digital verfügbar zu machen, zum Beispiel als Podcasts, über Smart Speaker wie Alexa oder andere „on demand“-Angebote. Und es werden in diesem Zukunftsfeld sicherlich noch ganz viele weitere Aufgaben dazu kommen.
Was wirst du an deinem Noch-Job am meisten vermissen?
Dass ist zu Fuß ins Büro gehen kann.
Radio Emscher Lippe und das Musikprogramm
Aktuelle Hits laufen nicht nur bei euch, sondern auch bei 1Live oder WDR 2. Ihr werbt mit dem Spruch „Der beste Mix“. Kann man eigentlich mit Mainstream-Musik Hörer zu sich locken?
Laskowski: Ja, definitiv. Ich bin jetzt kein Musikredakteur, aber aus der Erfahrung weiß ich definitiv: Mit der richtigen Auswahl an Musik, gelingt es schon, Hörer auch anzulocken. Wenn ich natürlich nur das spiele, was alle anderen auch spielen, wird es mir nicht so gut gelingen. Dann bin ich einer von vielen.
Hast du ein Beispiel? Was spielt ihr, was eure Konkurrenz nicht spielt?
Mir fällt spontan keins ein, aber wir können eins bilden – zum Beispiel mit „Every Breath You Take“ von Police. Das ist so ein Gassenhauer, den hat vielleicht jeder Sender in seiner Rotation. Aber so eine Nummer wie „Walking On The Moon“ läuft eher selten im Radio. Bringe ich das aber statt des anderen, quasi als i-Tüpfelchen, als kleines Ausrufezeichen in meinem Programm, werden die Hörer das sofort registrieren und sagen: Ah, ist zwar auch Police, aber eine Nummer, die ich lange nicht gehört habe. Durch solche Unterscheidungen schaffe ich es schon, mich auch abzuheben.
Wie würdest du euer Musikangebot umschreiben?
Middle of the road. Für jeden etwas.
Gibt es so etwas wie einen Index? Was spielt ihr gar nicht außer Volksmusik und Death Metal?
Jetzt muss ich natürlich für die Musikredaktion sprechen, die ja gar nicht bei uns sitzt, sondern in Oberhausen bei unserem Rahmenprogramm. Das hängt natürlich auch ganz stark von den Forschungsergebnissen ab. Stellt die Redaktion fest, dass bestimmte Titel nicht funktionieren, dann kommen die auch nicht ins Programm.
Radio Emscher Lippe und „Deutschlands tiefste Morgensendung“
Ihr habt in letzter Zeit mehrere Preise abgeräumt für eine wirklich tolle Sendung: „Deutschlands tiefste Morgensendung“ zum Abschied des Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet. Wie kam es zu dieser Sendung?
Laskowski: Einfach, indem man andere Preisverleihungen besucht. Ich war in Bayern bei den Lokalrundfunktagen in Nürnberg. Am Auftakttag gibt es immer eine Preisverleihung. Und da war vor zwei Jahren eine Sendung dabei, die eine Woche lang von einem Berggipfel gesendet haben.
Das war dann Deutschlands höchste Morgensendung. Haben sie das auch so genannt?
Das weiß ich nicht mehr, würde mich aber nicht wundern. Jedenfalls war ich zu der Zeit schon auf der Suche nach Themen und Ideen für das Jahr des Steinkohle-Abschieds. Und da habe ich eins und eins zusammengezählt und mir eine Notiz gemacht: RAG anrufen und prüfen, ob wir aus dem Bergwerk senden können. Das habe ich dann auch gemacht und denen gesagt: Ich hab‘ da so ‘ne verrückte Idee – kann ich euch die mal vorstellen? So ging’s dann los…
Wie aufwändig war das? Wie oft stand das auf der Kippe?
Es war nicht von Anfang an klar, dass es klappt. Was toll war, ist, dass die RAG von vornherein die Tore aufgemacht hat. Die haben sofort gesagt: Super Idee, finden wir klasse, müssen wir drüber reden. Die Frage war dann nur noch: Wie kann das funktionieren? Auf den ersten Blick war das überraschend einfach, weil die gesagt haben, dass sie ein Glasfaserkabel im Schacht liegen haben, auf das sie uns draufschalten können. Allerdings fand auch noch mal eine große Runde mit Technikern von uns und von der RAG statt. Da gab’s dann auch mal 20 Minuten, in denen ich kein Wort verstanden habe. Aber irgendwann nickten sich alle an. Da war mir klar: Egal, was sie gesprochen haben, das Ergebnis scheint zu stimmen.
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Hat diese Sendung dann auch davon gelebt, dass man neue Möglichkeiten wie Facebook hat? Nur am Radio merke ich ja erst mal nicht, dass es Deutschlands tiefste Morgensendung ist…
Das wäre dann noch die alte Radio-Welt – dann muss man das einfach glauben. Aber so hatten wir auch Bewegtbild mit unten, also einen eigenen Kameramann. Das ist ja etwas, das Radio inzwischen auch machen kann. Wir haben nicht nur Moderatoren unten gehabt, sondern auch noch jemanden, der sich komplett um Online-Themen gekümmert hat. Wir hatten sogar vor, das komplett live über Facebook zu senden. Das ist der einzige Punkt, der am Ende nicht funktioniert hat.
Und jetzt verlässt du REL. Hast du dich auch mit der tiefsten Morgensendung für höhere Aufgaben empfohlen?
Die Anfrage für den Job, den ich jetzt machen werde, kam ganz kurz vorher, vielleicht zwei Tage. Insofern hat das jetzt gar nichts damit zu tun. Es ist natürlich schön, dass das jetzt mit einem so großen Knall endet – im positiven Sinne.