Gelsenkirchen. Nach dem Bombenfund in Gelsenkirchen: Der Blindgänger ist um 14.20 Uhr erfolgreich entschärft worden. Auch der Bahnverkehr war betroffen.

Ein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg im Gelsenkirchener Stadtteil Bulmke-Hüllen ist am Mittwoch erfolgreich entschärft worden. Etwa 4000 Menschen waren betroffen, die Evakuierung rund um den Gefahrenbereich begann um 9.30 Uhr. Das Besondere: Die 500 Kilogramm schwere Bombe lag an der Freytagstraße sieben Meter tief im Erdreich nahe eines Kita-Rohbaus und umgeben von Grundwasser – sowohl die nahe Feuerwehrwache als auch die gegenüber liegende Polizeiwache Süd mussten geräumt werden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Fundstelle: Freytagstraße in Bulmke-Hüllen
  • Anlaufstelle für Anwohner: Turnhalle des Friedrich-Gauß-Gymnasiums, Hammerschmidtstraße
  • Info: 0209 169 3000

Die Entschärfung der Bombe im Zeitraffer:

14.24 Uhr: Die britische Fliegerbombe wurde erfolgreich entschärft. Die Stadt dankte dem Feuerwerker Uwe Pawlowski und den Einsatzkräften vor Ort.

14.20 Uhr: Gut eine Stunde dauerte die gefährliche Arbeit des Kampfmittelräumdienstes. Feuerwerker Uwe Pawlowski war erleichtert, denn mitunter „zögern sich solche Entschärfungen bis zu neun Stunden hinaus.“ Ein Nervenspiel. Das Tückische an dem Zünder mit der Nummer 37 aus dem Jahr 1944: ein Ausbauschutz. Bedeutet: Räumtrupps hätten „sechs Stunden nach Abwurf der Bombe noch den Tod finden können“, so war der Sprengsatz voreingestellt – erst recht ein Risiko für Menschen heute. Die 4000 Anwohner kehrten kurz nach der Entwarnung peu á peu in ihre Häuser zurück. Die Straßensperren wurden aufgehoben. Pawlowskis Fazit zur Fliegerbombe: „Heute die nächste, aber die letzte nie.“

Glücklich nach erfolgreicher Bombenentschärfung (v.l.): Karl-Friedrich Schröder (technischer Einsatzleiter des Kampfmittelräumdienstes), Feuerwerker Uwe Pawlowski und Karl-Heinz Clemens vom Kampfmittelräumdienst
Glücklich nach erfolgreicher Bombenentschärfung (v.l.): Karl-Friedrich Schröder (technischer Einsatzleiter des Kampfmittelräumdienstes), Feuerwerker Uwe Pawlowski und Karl-Heinz Clemens vom Kampfmittelräumdienst © Foto:

14.15 Uhr: Ein lauter Knall zeugte davon, dass die Entschärfung in die entscheidende Phase getreten war. Die beiden Treibsätze der „Raketenklemme“ am Zünder hatten gezündet. Sie erzeugen einen enormen Impuls, wodurch der massive Zünder von der Bombe abgedreht und der Sprengsatz unschädlich gemacht wurde. Währenddessen hatten die Sprengspezialisten Deckung gesucht. Der Zünder enthielt neben einer Mechanik auch Aceton.

13.19 Uhr: Feuerwerker Uwe Pawlowski stieg in den sieben Meter tiefen Schacht vor dem Kita-Rohbau hinab. Runde Eisenmodule, fast zwei Meter im Durchmesser hielten das Erdreich zurück. Seit Dienstag förderten Pumpen das Grundwasser aus dem Schacht, damit Pawlowski freie Hand hatte.

13.17 Uhr: Die Hubschrauber-Crew in 150 Metern Höhe über dem Einsatzort – Pilot und Operator an der Technik (unter anderem Wärmebildkamera) beendete ihre Suche nach Menschen im Gefahrenbereich im Umkreis von 500 Metern rund um die Fundstelle. Ergebnis: Das Sperrgebiet war menschenleer.

Gelsenkirchen- Weltkriegsbombe entschärft

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    12.59 Uhr: Der Bahnverkehr unterlag spürbaren Einschränkungen: Verspätungen und Teilausfälle befürchtete die Bahn. Die Züge des RE 42 aus Richtung Mönchengladbach Hbf endeten und begannen fortan am Essener Hauptbahnhof. Aus Richtung Münster war es der Hauptbahnhof in Wanne-Eickel. Die Züge der S 2 wurden „zwischen Essen Hbf und Dortmund Hbf in beide Richtungen ohne Zwischenhalt umgeleitet“, gab die Bahn als Info durch.

    Ein Schacht führt zur Bombenfundstelle in gut sieben Metern Tiefe, im Hintergrund die noch im Bau befindliche Kita an der Freytagstraße in Gelsenkirchen.
    Ein Schacht führt zur Bombenfundstelle in gut sieben Metern Tiefe, im Hintergrund die noch im Bau befindliche Kita an der Freytagstraße in Gelsenkirchen. © Foto: Nikos Kimerlis

    12.55 Uhr: Dass die Turnhalle an der Hammerschmidtstraße nicht vollständig barrierefrei ist, war den Organisatoren in der Kürze der Zeit nicht bewusst. Deshalb musste improvisiert werden. Das DRK fuhr Rollstuhlfahrer, die zur Toilette mussten, in ein nahe gelegenes Altenheim an der Bulmker Straße. Die dortige Leitung hatte spontane Hilfe zugesagt.

    12.45 Uhr: „Hummel 1“, ein Polizeihubschrauber stieg in die Luft, um zu kontrollieren, ob sich nicht doch noch irgendwo Menschen im Sperrgebiet aufhalten.

    12.40 Uhr: Die Einsatzkräfte gaben das Ende der Evakuierung bekannt. Gegen 12.50 Uhr sollte der Bahnverkehr vor dem Sperrgebiet gestoppt werden.

    Der Schacht hinab zur Bombe. Runde Eisenelemente schirmen Erdreich und Wasser ab. Um die Bombe zu entschärfen, musste erst das Grundwasser abgepumpt werden.
    Der Schacht hinab zur Bombe. Runde Eisenelemente schirmen Erdreich und Wasser ab. Um die Bombe zu entschärfen, musste erst das Grundwasser abgepumpt werden. © Foto: Nikos Kimerlis

    11.37 Uhr: Keinen Info-Flyer erhalten hatte Michael Pert. Der 58-Jährige hatte sich morgens zum Einkaufen aufgemacht. Bei seiner Rückkehr fingen ihn Polizei und Ordnungsdienst an der Absperrung ab. „Erst hier habe ich vom Bombenfund erfahren“, sagte er. Auch er nahm Platz in der Turnhalle am Gauß-Gymnasium – neben ihm das Einkaufswägelchen. Er vermutete: Ein Nachbar hat vielleicht die Flyer im Flur irrtümlich für Werbung gehalten und weggeschmissen.

    Luftbildaufnahmen führen zur Bombe

    Es ist nicht so, dass die Bauarbeiter an der Freytagstraße zufällig auf die Bombe gestoßen sind. Im Vorfeld des laufenden Kita-Neubaus wurden alte Luftaufnahmen der Alliierten ausgewertet. Die Bilder brachten den Kampfmittelräumdienst auf die Spur der britischen Fliegerbombe.

    In der Folge wurden Bohrungen auf dem Gelände vorgenommen und eine Sonde in die Tiefe herunter gelassen. Das Messgerät erfasst Störungen im Erdmagnetfeld, die auf Hinterlassenschaften im Untergrund hinweisen.

    Die Bombe wird in einem geheimen Zerlegebetrieb zersägt, der Sprengstoff, TNT, kontrolliert verbrannt. Das Alteisen landet im Schrott zur Wiederverwertung.

    DRK-Mitarbeiterin Sonja Knopp reicht Anwohner Michael Pert eine Tasse Kaffee in der Sammelstelle.
    DRK-Mitarbeiterin Sonja Knopp reicht Anwohner Michael Pert eine Tasse Kaffee in der Sammelstelle. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

    11.33 Uhr: Unter den Menschen in der Turnhalle war auch eine Mutter, die erst vor fünf Tagen ein Baby bekommen hat. Sie wurde separat untergebracht – aus Sicherheitsgründen: Denn in der Turnhalle waren viele Menschen, die teilweise husteten oder niesten. So sollte „die Ansteckungsgefahr für das Neugeborene minimiert werden“, sagte das Rote Kreuz.

    Anwohnerin Gudrun Weller (47) und Hund Odin gehören zu den Betroffenen. Unterschlupf fanden sie in der Turnhalle am Gauß-Gymnasium.
    Anwohnerin Gudrun Weller (47) und Hund Odin gehören zu den Betroffenen. Unterschlupf fanden sie in der Turnhalle am Gauß-Gymnasium. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

    11.30 Uhr: Gudrun Weller (47) war mit ihrem Jack-Russell-Terrier Odin vor Ort. Die Speditionskauffrau hätte am Nachmittag eigentlich arbeiten müssen. Doch sie hatte sich vom DRK-Team eine Bescheinigung ausstellen lassen, dass sie verhindert ist. Sie lobte die Einsatzkräfte: „Die Nachricht mit der Bombe war ein Schock.“ Aber durch die gute Organisation sei ihr die Nervosität genommen worden.

    Ein Polizeihubschrauber, Hummel 1 genannt, über Gelsenkirchen. Die Crew kontrollierte aus der Luft, ob sich Menschen im Gefahrenbereich aufhielten.
    Ein Polizeihubschrauber, Hummel 1 genannt, über Gelsenkirchen. Die Crew kontrollierte aus der Luft, ob sich Menschen im Gefahrenbereich aufhielten. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

    11.25 Uhr: Für eine 64-jährige Dame war es bereits die dritte Bombenentschärfung in ihrem Leben. Eine hat sie bereits in Südafrika, eine zweite in Gelsenkirchen „rund um das ehemalige Weka-Kaufhaus“ miterlebt. „Einerseits kenne ich das“, sagte sie zur WAZ. „Andererseits schockt es mich, dass man so viele Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg immer noch so viele Bomben findet.“ Sie lobte ausdrücklich die Einsatzkräfte. Gestern hätten alle Anwohner Flyer bekommen; heute seien Polizei und Ordnungsamt noch einmal von Tür zu Tür gegangen. „Vorbildlich.“

    11.20 Uhr: Zu dem Zeitpunkt waren etwa 30 Menschen in der Turnhalle, in der etliche Bierzeltgarnituren aufgebaut waren. Den meist älteren Anwesenden wurden neben Kaffee auch Wasser, Soft-Drinks und Knabbereien angeboten.

    Das DRK betreut die Anwohner in der Halle des Gauß-Gymnasiums.
    Das DRK betreut die Anwohner in der Halle des Gauß-Gymnasiums. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

    11.05 Uhr: Ältere Menschen, die auf Liegen angewiesen waren, wurden in umliegende Altenheime evakuiert. Wer fitter war, wurde in die Turnhalle an der Hammerschmidtstraße gebracht. Einheiten vom Roten Kreuz betreuten die Menschen, versorgten sie unter anderem mit Kaffee. Auch die Feuerwehr war da.

    11.00 Uhr: Der Grund, warum die Entschärfung nicht wie geplant 14 Uhr stattfand, sondern stattdessen schnellstmöglich passieren sollte: Es handelte sich um einen Säurezünder, dessen Entschärfung heikler ist.

    10.55 Uhr: Die Feuerwehr räumte ihre Wache an der Wildenbruchstraße. Sie liegt wie die Polizeiwache gegenüber mitten im Sperrgebiet und musste auch evakuiert werden. In Sicherheit gebracht werden dabei auch drei Löschfahrzeuge, darunter eine Drehleiter und vier Rettungswagen. Halteplatz: Bei der Freiwilligen Feuerwehr im Stadtteil Ückendorf (Bergmannstraße) sowie das Marienhospital Gelsenkirchen (Virchowstraße).

    Die Polizei sperrt die Wildenbruchstraße ab.
    Die Polizei sperrt die Wildenbruchstraße ab. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

    9.30 Uhr: Die Einsatzkräfte starteten damit, das Gebiet um den Wildenbruchplatz weiträumig zu evakuieren.

    Sammelstelle für Anwohner, Info-Telefon, Krankentransporte

    Neben der Feuerwache 1 und dem Polizeirevier Süd liegen viele Betriebe und einige städtische Dienststellen im Gefahrenbereich. Sie mussten ebenfalls evakuiert werden. Einsatzkräfte forderten die Menschen per Lautsprecherdurchsagen und auch persönlich auf, den Gefahrenbereich zu verlassen. Wie Stadtsprecher Oliver Schäfer mitteilte, hatten sich frühzeitig Menschen gemeldet, „die auf einen Krankentransport angewiesen sind“. Sie ließen sich auf eine Liste setzen. Die Stadt rechnete „mit etwa 80 solcher Krankenfahrten“.

    Straßen und Zuwegungen werden gesperrt

    Im Zuge der Entschärfung wurden zahlreiche Straßen und Zuwegungen gesperrt. Auch der Bahnverkehr sowie der Öffentliche Nahverkehr waren während der Entschärfung betroffen, kamen in der heißen Phase zum Erliegen. Eine Sammelstelle für evakuierte Anwohner richteten Feuerwehr und Rotes Kreuz in der Turnhalle des Friedrich-Gauß-Gymnasiums an der Hammerschmidtstraße 13 ein. Die Leitstelle des Ordnungsamtes (0209 169 3000) stand Anwohnern mit Informationen zur Verfügung stehen.

    Am Gauß-Gymnasium wurde eine Sammelstelle eingerichtet.
    Am Gauß-Gymnasium wurde eine Sammelstelle eingerichtet. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

    GeKita und Straßen.NRW nicht erreichbar

    Im Evakuierungsgebiet liegen die Dienststellen von GeKita und Straßen NRW. Diese waren mit Beginn der Evakuierung nicht mehr erreichbar. Die Zulassungsstelle liegt außerhalb der Sperrzone, allerdings konnte der Kunden-Parkplatz nicht mehr genutzt werden, da die Zuwegungen gesperrt wurden.

    Betriebshof Gelsendienste geräumt

    Aufgrund der vorgezogenen Bombenentschärfung musste auch der Betriebshof von Gelsendienste an der Wickingstraße früher geräumt werden. Ursprünglich sollte das gegen Mittag passieren. Als Ausweichmöglichkeit stand allen Anlieferern bis 18 Uhr der Wertstoffhof Nord an der Adenauerallee 115 zur Verfügung. Die Kundeninfo und das Friedhofsbüro an der Wickingstraße 25a waren durch die angelaufenen Maßnahmen auch nicht mehr erreichbar.

    Müllabfuhr startet früher

    Die Müllabfuhr hatte ihre Runde in dem Gebiet bereits ab 6 Uhr gemacht. Um nicht entleerte Behälter, Sperrmüll beziehungsweise Elektrogroßgeräte wird Gelsendienste sich in den Folgetagen nachholen.