Gladbeck. Ein Spezialeinsatzkommando will am Mittwoch eine Wohnung in Gladbeck nach Waffen durchsuchen. Der Bewohner schießt, ein Beamter wird getroffen.

Der Tatort im Gladbecker Westen, an dem am Mittwochmorgen gegen sechs Uhr Schüsse auf SEK-Beamte abgefeuert worden sind, wirkt eher harmlos. Es ist ein im zarten Rosaton gestrichenes Mehrfamilienhaus an der sonst ruhigen Eikampstraße im Stadtteil Ellinghorst. Ein krasser Gegensatz dazu sind die dunklen, militärisch wirkenden Uniformen der Beamten des Spezialeinsatzkommandos, die den Eingang absichern. Ein Kollege ist beim Zugriff von den Schüssen getroffen und verletzt worden. Ein tatverdächtiger Mann (51) wurde festgenommen. Hintergrund des Einsatzes könnten Clan-Rivalitäten sein. Die Staatsanwaltschaft Essen ermittelt, eine Mordkommission des Polizeipräsidiums Recklinghausen ist eingerichtet worden.

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Die Informationen der Behörden zu den Tatumständen sind mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen eher spärlich. Die gute Nachricht: Der bei den Schüssen getroffene SEK-Beamte hat eine Schutzweste getragen, sie verhinderte, dass die Kugel bis in den Körper durchschlagen konnte. Abgefeuert vom 51-jährigen Mann, der überwältigt werden konnte.

Der Tatort an der Gladbecker Eikampstraße ist von der Polizei weiträumig mit Flatterband abgesperrt worden.
Der Tatort an der Gladbecker Eikampstraße ist von der Polizei weiträumig mit Flatterband abgesperrt worden. © FFS | Staegmann

Der SEK-Einsatz sei erfolgt, „da wir aus privatem Umfeld Hinweise zu einer Bedrohung und zu illegalem Waffenbesitz erhalten haben“, so die Staatsanwaltschaft auf WAZ-Anfrage. Bei dem festgenommenen Tatverdächtigen handele es sich um einen bosnischen Staatsbürger. Ob er bereits polizeibekannt ist, auch dazu erfolgen keine Angaben.

Nachbarn erzählen, dass die Familie schon länger im Fokus der Polizei ist

Die Nachbarn an der Eikampstraße sind deutlich auskunftsfreudiger. Sie erzählen, dass die Familie schon lange im Fokus der Polizei sei. „Im Sommer hat es schon mal eine Razzia, aber nur mit normaler Polizei gegeben“, berichtet eine Anwohnerin. Auch die Mordkommission soll vor Ort gewesen sein. Seit etwa drei Wochen patrouillierten zudem „zu jeder Tages- und Nachtzeit hier regelmäßig Streifenwagen, die auch mal längere Zeit stehen bleiben und das Haus im Blick halten“. Am Kiosk habe die Frau des Festgenommenen dazu erklärt, „dass die Polizei öfters da sei, um auf sie aufzupassen, weil die Familie bedroht wird“, berichtet eine Nachbarin.

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Das Mehrfamilienhaus soll im Besitz des 51-Jährigen sein, der hier mit seiner Frau und den sieben Kindern im Erdgeschoss lebt. Im Obergeschoss wohnt eine deutsche Familie zur Miete, darüber Syrer, die als Flüchtlinge nach Gladbeck kamen. Der Hausbesitzer sei Roma „und gehört wohl zu einem europaweit verbreiteten Clan“, so ein Nachbar. Das sei zu vermuten, aufgrund der oft und lautstark im Garten gefeierten Familienfeste „mit 60 bis 70 Personen die mit dicken Autos aus dem näheren Ruhrgebiet, aber auch mit Kennzeichen aus Holland, Italien, Montenegro und Frankreich anreisen“.

Reger Autohandel mit hochwertigen Fahrzeugen und Geldbündeln am Straßenrand

Spezialisten des Landeskriminalamtes durchsuchten die Tatortwohnung in Gladbeck.
Spezialisten des Landeskriminalamtes durchsuchten die Tatortwohnung in Gladbeck. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

„Die Familie handelt offensichtlich selbst mit hochwertigen Fahrzeugen der Marken Porsche, Mercedes, Audi und BMW. Denn damit ist oft die ganze Straße im Umfeld des Hauses zugeparkt und Autos werden angeliefert, Nummernschilder ab- und ummontiert, dicke Geldbündel gezückt, die dann den Besitzer wechseln“, so ein Nachbar. Eine Anliegerin bestätigt: „Der älteste Sohn lebt wohl in Holland und ist im Autohandel tätig“, das habe er ihr selbst mal bei einem seiner häufigen Besuche und einem Gespräch am Straßenrand erzählt.

Kein Zusammenhang mit Einsatz am Freitag

Das Spezialeinsatzkommando ist eine Sondereinheit der Polizei auf Landesebene. SEK-Beamte kommen bei besonderen Gefährdungslagen auf Anforderung der regulären Polizei zum Einsatz. Sie sind speziell für den Zugriff ausgebildet, etwa auch in den Bereichen Terrorismusbekämpfung oder Geiselbefreiung.

Der aktuelle Einsatz steht in keinem Zusammenhang mit dem Zugriff des SEK am vergangenen Freitagabend an der Horster Straße, so die Polizei auf Anfrage. Beamte hatten die Wohnung eines 36-jährigen Gladbeckers gestürmt, nachdem der alkoholisierte Mann gedroht hatte, eine Schusswaffe einzusetzen. Sichergestellt wurde eine Schreckschusspistole.

Ob diese Geschäfte immer legal ablaufen, „und was wohl sonst noch gehandelt wird“, das habe er sich schon gefragt, meint ein Nachbar. Einen guten Nebeneffekt habe die polizeiliche Überwachung schon gehabt: „Der Autohandel ist seitdem zumindest an unserer Straße auffällig eingeschlafen.“ Unsanft geweckt und aufgeschreckt wurden einige der Anlieger durch die Schüsse am Morgen. „Drei Mal“ habe sie es „laut knallen gehört“, so eine Nachbarin. Viele Nachbarn würden die seit etwa vier Jahren hier lebende laute Familie, „die sich wenig um deutsche Gesetze und Regeln schert“, schon als Problem empfinden. Das Ordnungsamt der Stadt sei schon öfters über Lärmbelästigung oder Parkprobleme informiert worden, „da ist die Familie auch gut bekannt“. Wohnungen im Umfeld zu vermieten sei so schwerer geworden, „einige stehen seit geraumer Zeit leer“.

Die Ehefrau will von den Schüssen nichts mitbekommen haben, „wir sind unschuldig“

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Die Ehefrau des Tatverdächtigen steht plötzlich selbst mit fünfen ihrer Kinder auf der Straße. Aus Holland seien wohl die Vorwürfe gegen sie gekommen, „die haben was erzählt von Waffen und Drogen“, das stimme alles nicht. Von den Schüssen ihres Mannes will die kleine, schmale, dunkelhaarige Frau am Morgen nichts mitbekommen haben, „wir sind unschuldig“. Weitere Fragen lässt die Polizei nicht zu, die die Familie beiseite führt. Auch mit Spürhunden sind Haus, Wohnung, Keller und Nebengebäude im Garten durchsucht worden. Kurzfristige Antworten sind von den Behörden selbst am Mittwoch aber nicht mehr zu erwarten, „heute wird es neben dem bereits geschilderten Sachverhalt keine weiteren Informationen geben“, so eine Polizeisprecherin.