Gelsenkirchen-Rotthausen. Selbstbestimmtes Leben auch bei großem Betreuungsbedarf ermöglichen: Das ist Ziel einer Kooperation vom Wichernhaus und der Stadt Gelsenkirchen.
Menschen mit Handicaps die Möglichkeit zu geben, so selbstbestimmt wie möglich zu leben: Das ist der Gedanke der Inklusion. In der neuen Kooperation der Stadt Gelsenkirchen und des Wichernhauses als Einrichtung des Diakonischen Werkes in Gelsenkirchen wird dieser Gedanke nun mit einer neuen Form von ambulanter Betreuung gelebt.
Carolin Iffländer nutzt dieses Angebot als eine der ersten. Die 26-Jährige ist unter anderem auf einen Rollstuhl angewiesen, hat bisher bei den Eltern gelebt. Da sie auch unter Typ-I-Diabetes leidet, ist es wichtig, dass bei Bedarf Hilfe schnell greifbar ist, etwa bei akuter nächtlicher Unterzuckerung.
Diese Möglichkeit hat sie bislang zwar nicht in Anspruch genommen. Aber auch die Sicherheit, dass sie abrufbar ist, wie bei dieser „intensiven ambulanten Betreuung“ (IAW), ist wichtig. „Für viele Menschen ist das Leben in der eigenen Wohnung ein großer Wunsch, aber eben nicht für alle eine Selbstverständlichkeit. Denjenigen, die dazu individuelle Hilfe brauchen, bieten wir flexible und bedarfsgerechte Unterstützung an“, erklärt der Leiter der Wichernhaus gGmbH, Stefan Paßfeld.
Fünf Wohnungen in Nachbarschaft zum Pflegeheim
Bis zu fünf Menschen mit Unterstützungsbedarf können ab sofort in Rotthausen in direkter Nachbarschaft zum Städtischen Pflegeheim an der Schonnebecker Straße nach diesem Modell ambulant betreut werden. Vor eineinhalb Jahren vereinbarten die Stadt unter Federführung von Sozialdezernent Luidger Wolterhoff und das Wichernhaus als Tochter des Diakonischen Werks das neue Modell. Die Betroffenen leben in einer eigenen, barrierefreien Wohnung der Gemeinnützigen Gelsenkirchener Wohnungsbaugesellschaft (GGW). Und können dort intensiv betreut werden – auch dank der direkten Nachbarschaft zum städtischen Pflegeheim, das bei Bedarf auch außerhalb der vorgeplanten Hilfen eingreifen kann.
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Die fünf Wohnungen befinden sich im neuen GGW-Komplex mit barrierefreien Wohnungen an der Schonnebecker Straße 110 – auf Baugrund, der von der Stadt zur Verfügung gestellt wurde. Die Mietkonditionen für die 50 qm großen Wohnungen mit Balkon oder Terrasse sind günstig.
Trotzdem sei das Modell nichts, woran das Diakoniewerk verdiene, wie Geschäftsführer Olaf Walter betont. „Aber wir leben Inklusion. Es ist uns wichtig, mit der Wichernhaus gGmbH die gesamte Palette an Wohnformen anzubieten, für Menschen mit Schwerstbehinderungen und hohem Unterstützungsbedarf, und für Menschen, die im Ambulanten Betreuten Wohnen leben.“ Siegfried Schmidt, der Leiter des neuen Angebots, weiß: „Die große Kunst ist, die Hilfebedarfe individuell passend zu ermitteln.“
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Sozialdezernent: Wohnungen sind wichtiger Schritt
Den Aufbau eines eigenständigen Lebens und die Selbstständigkeit fördern, den Wechsel aus dem Elternhaus oder einer anderen Wohnform ermöglichen und zugleich Sicherheit geben – das sieht auch der Sozialdezernent als Ziel: „Wir wollen allen unseren Bürger gleichberechtigte Teilhabechancen ermöglichen, auch mit eigenen Wohnungen. Ein Schritt auf dem Weg, Rahmenbedingungen für inklusives Leben zu schaffen, ist dieses IAW“, so Wolterhoff. Die Stadt habe dafür Kooperationspartner gesucht. „Und wir wollen dafür die Kompetenzen und langjährigen Erfahrungen des Wichernhauses nutzen,“ so Wolterhoff.
Weitere Kooperationen sind geplant
Es habe im Vorfeld eine Ausschreibung für eine solche Kooperation gegeben, auf die zwei Bewerber ein Konzept einreichten. Der Vorschlag des Wichernhauses sei rundum überzeugend gewesen. Künftig soll es jedoch weitere Kooperationen dieser Art geben, gern auch mit der GGW als Vermieterin, in jedem Stadtbezirk, am liebsten in jedem Stadtteil.
Das Wichernhaus hält bereits stationäre Betreuung für 181 Unterstützungsbedürftige an acht Standorten sowie 35 ambulante Plätze vor, letztere in Resse und nun auch Rotthausen.