Gelsenkirchen. Lehrer, die an eine Problemschule wechseln, können monatlich 350 Euro mehr verdienen. Gelsenkirchener Schulleiter kritisieren die Maßnahme.
Lehrer, die an eine Problemschule wechseln, sollen künftig mehr Geld bekommen. Das ist Teil eines Maßnahmenpakets, das NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Donnerstag angekündigt hat. Wenn eine Schule eine Stelle länger als ein Jahr lang nicht besetzen kann, greift der Bonus. Tritt eine ausgebildete Lehrkraft dann diese Position an, winkt ein Gehaltsplus von 350 Euro brutto im Monat für zweieinhalb Jahre. Besonders Grund- und Förderschulen könnten in Gelsenkirchen davon profitieren. Doch von den Schulleitern kommt Kritik.
Monetäre Aspekte sind nicht entscheidend
„Wir brauchen Menschen, die dafür brennen, was sie tun“, sagt Thorsten Seiß, Schulleiter der Grundschule Kurt-Schumacher-Straße in Schalke-Nord. Er bezweifelt, dass „monetäre Aspekte, bei der Entscheidung, hier zu arbeiten, entscheidend sind“. Einen so herausfordernden Arbeitsplatz sollten Lehrer sich seiner Meinung nach aussuchen, weil sie wirklich etwas bewegen wollen. Den Bonus bezeichnet Seiß deshalb als „unmoralisches Angebot“.
Und der Schulleiter hat noch mehr Bedenken. Er fürchtet, dass viele Lehrer nach der letzten Bonuszahlung die Schulen wieder verlassen würden. „Ständige Wechsel sind schon jetzt ein Problem. Schulentwicklung kann nur mittel- und langfristig betrieben werden.“ Dazu bräuchten die Beschäftigen außerdem eine hohe Identifikation mit dem Standort, Geld sei hingegen ein „sehr oberflächlicher Grund“.
Bonus widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz
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Sein Kollege Ulrich Sander, Leiter der Glückauf-Grundschule in Ückendorf, sieht den Bonus zwiegespalten. „Es ist sicherlich eine Maßnahme, die Kollegen motiviert, hierher zu kommen. Und wir sind froh über jeden, der an eine problembehaftete Schule kommt“, betont er. „Ob das der Arbeitsmotivation der langjährigen Kollegen dient, kann ich aber nicht sagen“, fügt er hinzu. Dass Neulinge für die gleiche Arbeit mehr Geld bekommen sollen, widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz.
Rein formell ist das bundesweit einmalige Anreizsystem durch einen Passus im Beamtenbesoldungsgesetz möglich. Gebauer hofft, so dem landesweiten eklatanten Lehrermangel entgegensteuern zu können. 15.000 Lehrer werden in den kommenden zehn Jahren fehlen, vor allem an Grundschulen. Die Ministerin verspricht: „Von dieser Maßnahme werden vor allem Schulen im Ruhrgebiet profitieren.“ In Gelsenkirchen konnten zuletzt nur 73,8 Prozent der vakanten Stellen besetzt werden. Das bedeutet: nominell sind zurzeit 71 unbesetzt. An Grund- und Förderschulen ist die Besetzungsquote mit 60 bzw. 59 Prozent besonders schlecht.
Nur vermeintliche Entspannung
Dass die Lage sich dennoch im Vergleich zu August entspannt zu haben scheint – damals waren nur 44,6 Prozent der Stellen besetzt – führt Seiß nicht auf eine steigende Bewerberzahl zurück. Grundschulen müssen Quereinsteiger inzwischen auf Wunsch der Bezirksregierung bei jedem Verfahren berücksichtigen. „Dadurch steigt die Qualität des Unterrichts aber nicht“, kritisiert er.
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Dr. Christiane Fernkorn, Leiterin der Albert-Schweitzer-Förderschule, äußert Bedenken, dass einige Lehrer mehr Geld bekommen sollen als andere. „Ich finde, dass der Lehrerberuf grundsätzlich eine Aufwertung benötigt, denn die Anforderungen sind gestiegen – auch an Regelschulen.“
Ein Teil des Maßnahmenpakets
Eine allgemein „bessere Bezahlung“, findet auch Schuldezernentin Annette Berg, „wäre natürlich der begrüßenswertere Schritt“. Allerdings sieht sie den Gehalts-Zuschuss nicht generell skeptisch: „Aber wir brauchen einen besonderen Blick auf Schulen in Brennpunkten. Das kann nur eine Maßnahme in einem ganzen Maßnahmenpaket sein. Vielleicht ist es jedoch ein Anreiz, dort mehr Lehrpersonal hinzubekommen.“