Gelsenkirchen. Der Weltkonzern BP feiert 90-jähriges Bestehen in Gelsenkirchen. Festredner war Ministerpräsident Armin Laschet. Welche Zukunftschancen er sieht.
Wandel und nachhaltige Wertschöpfung: Beides stand beim Festakt am Donnerstag zu „90 Jahre Ruhr Oel GmbH – BP Gelsenkirchen“ im Mittelpunkt der Feierlichkeiten im Hans-Sachs-Haus – und beim größten industriellen Arbeitgeber vor Ort mit seinen aktuell 2001 Mitarbeitern und 156 Auszubildenden ganz oben auf der Zukunftsagenda. Auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) gehörte zu den über 100 geladenen Gästen. In seiner Rede unterstrich er den Beitrag der Industrie und insbesondere die der Chemiebranche „für eine bessere Welt.“
Den 31. Oktober nutzte Laschet in seiner mit viel Applaus bedachten Rede, um einen Bogen zu spannen von der Werksgründung während der Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren mit ihren politischen Unruhen und Zukunftsängsten bis in die heutige Zeit, in der erneut eine Phase der großer Unsicherheit herrsche – ausgelöst „durch internationale Handelskriege“ und Parolen wie „Mein Land first“. Eine Anspielung sowohl auf die Politik von US-Präsident Donald Trump im Konflikt mit China und der EU, als auch eine auf den geplanten Rückzug Großbritanniens aus der europäischen Gemeinschaft.
Plädoyer für grenzübergreifende Zusammenarbeit
„Eigentlich wäre heute Brexit“, sagte Armin Laschet mit Blick aufs Datum. Für den Spitzenpolitiker die Gelegenheit, die Bedeutung der Zusammenarbeit aller Beteiligten – Städte, Bezirksregierungen und Industrie – und ihre enge Verflechtung aufzuzeigen. Etwa mit den Benelux-Ländern als Kooperationspartner, mit denen eine gemeinsame Chemiestrategie verabredet wurde. Damit nahm der Landesvater den roten Faden seines Vorredners Wolfgang Langhoff, Vorstandsvorsitzender von BP Europa SE, geschickt auf. Der gebürtige Oberhausener hatte zuvor die „Innovationsführerschaft“ für den Weltkonzern reklamiert und die „Energieversorgungssicherheit für ganz Nordwesteuropa“, für die BP stehe, herausgestellt. Zugleich erinnerte der 59-Jährige an das wirtschaftliche Gewicht Deutschlands als „viertgrößter Chemieproduzent“und er gab am Ende seines Vortrages das Versprechen für BP ab, im Zuge des Klimaschutzes „Teil der Lösung sein zu werden“.
Laschet, der den schwierigen Spagat als Industriefreund und Naturschutzversteher zu bewältigen hat, nahm den Ball dankbar auf. „Ein Drittel der Branchenumsätze werden in NRW erwirtschaftet“, sagte der Ministerpräsident. Von der Chemieindustrie hingen 93.000 Arbeitsplätze ab. Und mit Blick auf die durchschnittliche Arbeitslosenquote von neun Prozent im Ruhrgebiet, im Besonderen Gelsenkirchen mit seinen 12,5 Prozent, sagte er: „Es ist gut, dass Sie da sind.“
Festakt blendete Kritik aus
Kein Thema war die Kritik an BP aus der Anwohnerschaft. Bürger kritisieren, dass die Raffinerien die Grenzwerte beim Ausstoß von schädlichen Abgasen nicht einhalten müssen. Grund dafür ist eine Ausnahmegenehmigung der Bezirksregierung.
Die Behörde hat dem Konzern einen Aufschub eingeräumt, damit er mehr Zeit hat, die Raffinerieanlagen umweltgerecht umzurüsten. Die Raffinerien stoßen unter anderem jedes Jahr dreieinhalb Mal so viel Stickoxid aus, wie der gesamte Straßenverkehr in Gelsenkirchen.
Für Schlagzeilen sorgten auch die Verbrennung und Entsorgung von als Petrolkoks deklarierten Ölpellets in einem Gelsenkirchener Kraftwerk beziehungsweise in einer Tongrube am Niederrhein. Die Pellets entstehen aus Raffinerie-Rückständen.
Investitionen in neue Technologien
In der Standorttreue und den geplanten Investitionen sieht der Unionspolitiker eine große, Zukunftschance. BP allein will in Gelsenkirchen in den kommenden zehn Jahren zwei Milliarden Euro investieren, um die (Kraftstoff-)Produktion moderner, effektiver aber auch umweltfreundlicher und emmissionsärmer zu machen. Weltweit erstmalig hat BP im vergangenen Jahr grünen Wasserstoff zur Kraftstoffproduktion genutzt. Wasserstoff – das Stichwort auch für Laschet. Denn eine ganze Reihe von Großkonzernen – BP, Eon, Steag, Thyssengas und Thyssenkrupp – sieht in dem Energieträger das Schlüsselelement der Zukunft, um klimaneutrale flüssige Energieträger produzieren zu können. Beispielweise will Thyssenkrupp in Duisburg einen Hochofen umrüsten, um die Kohle in der Stahlherstellung teilweise durch Wasserstoff zu ersetzen.
Seitenhieb auf die FFF-Bewegung
Laschet verkniff sich an der Stelle nicht einen Seitenhieb auf die einflussreiche Fridays-for-Future-Bewegung. „Ohne Stahl und ohne Chemie wären wir in Deutschland die Klimakönige. Aber das hätte keinerlei positiven Effekt auf das Weltklima, weil anderswo in der Welt viel schlechter produziert wird – das muss man den Menschen, die freitags auf die Straße gehen, aber erst einmal erklären.“
„Grüner Wasserstoff, grüner Stahl“, zählte Armin Laschet daher in seiner Rede auf, das hänge alles miteinander zusammen. Dafür brauche man jede Menge Energie. Und die kommt daher, wo viel Chemie zu finden sei. Denn an den Standorten anderer regenerative Energielieferanten, beispielsweise an den Windparks vor der Küste, fehlt diese Industriebranche. „Daraus resultieren Chancen für neue Arbeitsplätze für diese Region und für NRW, denn hier gibt es bereits gewachsene Industriestandorte“. Ihre Infrastruktur, so sein Schluss, könne die Ansiedlung von Start-ups mit ihren neuen Ideen zur Energiewende befördern. Für den Ministerpräsidenten ist das „ein Beitrag für eine bessere Welt“.