Düsseldorf. Er soll Klimaschützer, Industrie-Anwalt und Pendler-Patron sein. Und das alles gleichzeitig. Wie der NRW-Ministerpräsident damit umgeht.

Am Dienstag saß Armin Laschet noch im waidmanns-grünen Jackett unter einem Hirschgeweih in der sauerländischen „Knollenhütte“. Der Ministerpräsident informierte sich dort über den beklagenswerten Zustand der nordrhein-westfälischen Wälder. Am Donnerstag verlangte bereits der taumelnde Industriekonzern Thyssen-Krupp wieder seine volle Aufmerksamkeit. Zwischendurch musste er noch ein „Anpassungsgeld“ für die von Arbeitslosigkeit bedrohten Braunkohle-Kumpel im rheinischen Revier fordern, die Bundesregierung zu ambitionierterem Klimaschutz ermahnen und gleichzeitig Millionen Berufspendler im Ballungsraum Rhein-Ruhr vor unbotmäßigen Härten bewahren.

Laschet ahnte wohl beim Amtsantritt vor zwei Jahren, dass ein Ministerpräsident in NRW stets wandelnder Interessenausgleich zu sein hat. Anders als die Kollegen Regierungschefs übriger Bundesländer hat man von Düsseldorf aus in einem 18 Millionen-Land immer alles auf einmal im Blick zu behalten: Stadt und Land, Industrie und Natur, Mietwucher und Verödung, Start-Up-Szene und Brauchtum, Clan-Kriminalität und Weltoffenheit, Rad-Tourismus und Schwerlastverkehr.

Das Klimapaket der Bundesregierung ist Laschet nicht ambitioniert genug

Die aktuelle Gleichzeitigkeit vieler Problemlagen war jedoch kaum vorauszusehen. Spätestens seitdem der Klimaschutz machtvoll auf die politische Agenda drängt, sieht sich Laschet mit allerlei Erwartungen konfrontiert, die einander eigentlich ausschließen. Er soll und will grüner werden, aber Anwalt des Industrielandes und der Autofahrer bleiben.

Dass das nicht leicht ist, war Laschets Auftritt am Donnerstag vor der Düsseldorfer Landespressekonferenz anzumerken. Die Übersichtlichkeit des schwarz-gelben Koalitionsvertrages von 2017, der klassisch den Geist der wirtschaftlichen Entfesselung atmete, ist jedenfalls dahin. Die Landesregierung muss sich jetzt zum Klimapaket der Bundesregierung verhalten. Laschet machte deutlich, dass dies zwar „ein guter Einstieg in die CO2-Bepreisung“ sei. Aber: „Das Programm ist nicht ausreichend und nicht so ambitioniert wie es sein müsste.“

Ob er also einen höheren Einstiegspreis für eine Tonne CO2 fordere als die jetzt vorgeschlagenen 10 Euro? Laschet wand sich, weil höhere Spritpreise im Autofahrer-Land NRW nicht gut ankommen. „Fairness ist wichtig zwischen städtischem und ländlichem Raum“, sagte er. Koalitionspartner FDP drängt auf mehr marktwirtschaftlichen Klimaschutz. Die Grünen müssen im Bundesrat eingefangen werden. Alles schwierig.

Erhalt des Hambacher Forsts hilft nicht dem Weltklima, aber befriedet Symbolprojekt

Laschet will den westfälischen Waldbauern etwas unter die Arme greifen und forderte „eine echte Baum-Prämie“. Der von Dürre, Stürmen und Borkenkäfern geschundene Wald sei Bestandteil der Klimawende. Derweil musste Laschet seinen Frieden mit dem Hambacher Forst machen, dem seit Jahren zur Rodung freigegebenen Restwald am Randes des rheinischen Braunkohlereviers. Im Spätherbst solle der Bund endlich sein Kohleausstiegsgesetz fertiggestellt und Entschädigungsverhandlungen mit dem Energiekonzern RWE abgeschlossen haben: „November ist Deadline“, stellte Laschet klar. „Dann soll klar sein, dass der Hambacher Forst stehen bleibt.“ Vor einem Jahr noch hatte man mit einem der größten Polizeieinsätze der Landesgeschichte dessen Rodung vorbereiten lassen. Der Erhalt des Hambacher Forstes „hilft nicht dem Weltklima, aber der Befriedung eines Symbolprojekts“, lautete nun die Einschätzung des Ministerpräsidenten.

Über den preiswerten und zuverlässigen Ersatz für Kohlestrom spricht übrigens kaum mehr einer, was die NRW-Industrie besorgen dürfte. Ein anderes Symbolthema ist dafür der Abstand von Windrädern zur Wohnbebauung. 1500 Meter hat die schwarz-gelbe Landesregierung kürzlich gegen heftige Proteste in den Landesentwicklungsplan geschrieben. Das Klimapaket der Bundesregierung sieht nun nur noch 1000 Meter vor. Man werde sich das anschauen, kündigte Laschet an. Man brauche ja „Rechtsklarheit“. Grünen-Fraktionschef Monika Düker wirkte erwartungsgemäß nicht überzeugt: „Seine Krokodilstränen zum Klimapaket nehmen wir Armin Laschet nicht ab.“