Gelsenkirchen-Bismarck. . Andrè Wülfing und Robert Woitas starten den zehnten Gelsenkirchener Erzählfrühling im Consol-Theater. Die Erzähler nutzen ihren Wort-Spiel-Raum.
Entweder nimmst Du ein altes Märchen und erzählst es mit Figuren aus der heutigen Zeit, oder Du nimmst die heutige Zeit und machst aus ihr das Märchen. Wie das geht und Menschen sich an einem unterhaltsamen wie auf ganz eigene Art poetischen Abend darauf einlassen können, stellte der Auftakt des Gelsenkirchener Erzählfrühlings im Consol Theater unter Beweis.
„Ohren auf!“ ist die Devise, machen André Wülfing und Robert Woitas kla
r. Und das ist dringend notwendig, denn die beiden legen ein irrwitziges Tempo vor, bedienen Figuren aus Märchen und Legenden rund um den „Es war einmal“-Globus und reizen vor allem die Möglichkeiten des gesprochenen Wortes aus. Wer zunächst versucht, dahinter zu blicken und noch an der einen Pointe werkelt, geht verloren im Strom der Bilder, die die beiden Erzähler Schlag auf Schlag skizzieren.
Gelingendes Leben
Theaterpädagoge Wülfing, auch Gründungsmitglied des Consol Theaters, umreißt das Thema des Märchen-Erzähl-Festivals, das im Rahmen des Kulturhauptstadtjahrs 2010 entstand. „Das gelingende Leben“, ein großes Wort, für das sich längst nicht gleich eine erschöpfende Antwort finden lässt. Auch nicht im Publikum des Auftakt-Abends, das aber durchaus eine Reihe von Märchen nennen kann.
Doch über den längst legendären, in seiner philosophischen Aussage wohl auch geschmähten „Hans im Glück“ hat bisher womöglich niemand unter dem Stichwort „gelingendes Leben“ nachgedacht. Also spielen sich Wülfing und Woitas die Bälle zu.
Bremer Stadtmusikanten in neuer Besetzung
Mehr in die klassische Richtung lockt Wülfing und hebt mit den „Bremer Stadtmusikanten“ an. Allerdings wird aus der Vorlage bei ihm die sich
immer weiter fortspinnende Geschichte vom Grubenpferd Johann, das von seinem versoffenen Steiger abhaut. Und auf dem Weg in die große Stadt erst Hund Friedrich, der nicht zuhause heulen darf, dann Katze Ursula, die die Gunst als Haustier gegen ein Pony verliert, und dann Hahn Dieter einsammelt.
Nach der Übernahme des Vereinsheims der bösartigen Kleingärtner wächst der Tross lang über das bekannte Quartett hinaus, und Wülfing sogar über die Pause, und erzählt mit Fortsetzung.
Woitas jongliert mit Tempo und macht klar: „Wer darüber nachdenken muss, muss mal darüber nachdenken!“, wer also dem „Kal-Kutter“ nicht zu den „sechs Tanten“ hinterherkommt, steckt noch in Kalkutta mit dem Sextanten.
Mitten durch die Sprachbarriere
Erzählfrühling wandert durch die Stadt
Nächste Station am 3. Mai, 14.30 Uhr, Bücherei Horst, mit „Märchentante – oder: Else 6+“.
Festivalhöhepunkt ist „Hör mal, die City!“ am 10. und 11. Mai, freitags in Gelsenkirchener Wohnzimmern und samstags auf der Kulturachse zwischen Heinrich-König-Platz und Musiktheater. Mehr unter www.gelsenkirchen.de/erzaehlfestival
Hintersinnig, grotesk und vor allem mit viel Erzählfreude jagen die beiden Wortakrobaten durch die klassischen Vorlagen, durchbrechen die Sprachbarrieren der Bedeutung für „Toffi-Fee“-Prinzessinnen. Wer könnte da nicht den „heimatlichen Redefluss“ erkennen.