Gelsenkirchen. . Gelsenkirchen belegt in vielen Studien den letzten Platz. Warum wohnen Bürger dann trotzdem gerne hier? Initiative „Gelingendes Leben“ hakt nach.
Ein knappes Jahr ist es her, dass Gelsenkirchen bei der ZDF-Deutschland-Studie „Wo lebt es sich am besten?“ auf dem letzten und 401. Platz landete. Eine Gruppe engagierter Gelsenkirchener möchte die Studienergebnisse nun in den Schatten stellen – und die schönen Seiten des Lebens in dieser Stadt stärker in den Blickpunkt rücken.
„Gelingendes Leben“ ist der Namen der Initiative, die Gelsenkirchener aus allen Stadtteilen, Bevölkerungsschichten und Kulturkreisen zum Mitmachen und zum Diskurs einladen soll.
Idee entstand schon 2017
„Die Idee zu dieser Aktion entstand schon 2017, als mir auffiel: In meiner Heimatstadt wird viel zu viel über das Elend gesprochen. Und doch gibt es doch sehr viele Leute, die gerne hier leben. Wie gelingt ihnen dieses Leben? Und was macht das Leben in Gelsenkirchen liebenswert? Diesen Fragen lohnt es sich doch nachzugehen“, erklärt der Gelsenkirchener Komponist Michael Em Walter bei der Vorstellung der Aktion, die er gemeinsam mit Georg Kentrup vom Consol Theater, Wiltrud Apfeld vom Kulturraum „Die Flora“ und Thomas Schöps von der „Kirche der Kulturen“ an der Bleckstraße gestaltet.
Der große gelbe Kreis als Erkennungszeichen
Der Grafiker Jesse Krauß hat für die Aktion „gelingendes Leben“ gleich mehrere Grafik-Entwürfe erstellt. Im Mittelpunkt steht als Wiedererkennungs-Element jeweils ein gelber Kreis.
In Kürze soll es auch eine eigene Homepage geben, auf der die Veranstaltungen der Initiative, die mit Mitteln aus dem Kulturcent des MiR gefördert wird, aufgeführt werden.
„Ich finde, wir sollten ‘mal ein anderes Narrativ für diese Stadt erfinden. Was, wenn wir nicht immer nur die negativen Seiten, sondern ganz viel Positives hervorheben?“, so Walter, der aber auch betont: „Es geht nicht darum, Missstände tot zu schweigen, aber sie zu benennen, damit man etwas ändern kann.“
Gespräche bewusst mit der Basis
In einem ersten Schritt wurden Stadtteilläden angesprochen. „Wir wollten
ganz bewusst an die Basis“, betont Georg Kentrup: „Aber auch das Musiktheater im Revier, die ‘werkstatt’ in Buer und das Consol-Theater sind mit eingebunden.“
20 Veranstaltungen und Reihen wurden bereits geplant, die Spannbreite reicht von Diskussionsrunden über Konzerte und Erzählabende bis hin zu Gottesdiensten. „Im Mittelpunkt der Veranstaltungen soll dabei jeweils die Fragen stehen: Wie können sich Menschen einbringen in Gelsenkirchen? Was können wir alle tun für ein ‘gelingendes Leben’? Deshalb war es für uns wichtig, diesem Thema einen Raum zu schaffen“, sagt Wiltrud Apfel.
Lesungen, Kabarett und Kammerkonzerte
In der „Flora“ an der Florastraße 28 sollen unter anderem Dokumentarfilme, eine Lesung von und mit Migranten, Kabarett-Abende, die Kammerkonzertreihe „Musik erzählt“ mit besonderem Schwerpunkt und eine Recherche über „Stadtteilarbeit“ Raum finden. Hier soll am kommenden Mittwoch, 10. April, um 19.30 Uhr auch die Auftaktveranstaltung mit einem Vortrag der Politikwissenschaftlerin und Journalistin Kübra Gümüsey über die Bühne gehen.
Auch die Bleckkirche in Bismarck wird in die Programmreihe eingebunden. „In Kirchen und Religionsgemeinschaften zählt die Suche nach dem ‘gelingenden Leben’ schon seit Urzeiten zu den zentralen Themen“, merkt Pfarrer Thomas Schöps an, der unter anderem Anfang Mai zu einer Diskussionsrunde über Europa und zu einem Jahresabschlussgottesdienst in „seine“ Kulturkirche einladen will.
Rückblick und Ausblick im April 2020
„Das ‘gelingende Leben’ ist als ‘work in progress’ zu verstehen und soll stetig um Veranstaltungen erweitert werden“, erklärt Michael Walter derweil. Für den April 2020 ist jedoch schon ein Tag mit erstem „Rückblick und Ausblick nach einem Jahr“ geplant. Und wer weiß? Vielleicht ist Gelsenkirchen dann schon wieder ein Stück bunter.