Gelsenkirchen. . Die Polizeipräsidentin hat den Rat mit Infos zur Polizeiarbeit versorgt. Warum ihrer Meinung nach Realität und Empfindung auseinander liegen.
„Mir ist wichtig, dass Sie aus erster Hand über die Arbeit der Polizei informiert werden.“ Genau das tat die Polizeipräsidentin am Donnerstag im Rat der Stadt. Anne Heselhaus-Schröer brachte die Stadtverordneten auf den neusten Stand in Sachen Ordnungspartnerschaft zwischen Polizei und Stadt, versorgte sie mit Zahlen und Einschätzungen – und hatte eine klare Botschaft dabei: „Gelsenkirchen steht in vielen Bereichen nicht so schlecht da, wie oft behauptet und suggeriert wird.“
Das machte sie auch an einem ganz allgemeinen Umstand deutlich: „Der Lebensstandard war nie so hoch wie heute.“
Ungefilterte Katastrophen-Meldungen aus dem Netz
Für sie steht fest: Die Kriminalitätsstatistik bewege sich in den meisten Punkten in die richtige Richtung. „Es lebt sich in Gelsenkirchen so sicher wie lange nicht“ – auch wenn viele diesen Zahlen keinen Glauben schenken wollen.
„Die Kluft zwischen Realität und persönlichem Empfinden geht immer weiter auseinander“, stellte Heselhaus-Schröer fest. Den Grund sieht sie beim „Smartphone in der Tasche“. Die Meldungen von Katastrophen aus aller Welt kämen oft ungefiltert aus dem Netz. „Jeder baut sich seine eigene Wahrheit.“
231 Einsätze pro Tag
84.382 Einsätze habe es 2018 bei der Gelsenkirchener Polizei gegeben – 231 pro Tag. „Die Polizei arbeitet rund um die Uhr, die Sicherheit und das Sicherheitsempfinden zu verbessern“, so die Polizeipräsidentin. Dies finde in enger Abstimmung mit der Stadt Gelsenkirchen statt. „Wir erwarten dafür keinen Dank. Das ist unser Job. Aber ich erwarte, dass Polizisten mit Respekt begegnet wird.“ Die meisten Stadtverordneten applaudierten.
Anne Heselhaus-Schröer kam auch auf das Thema Einbrüche zu sprechen. Hier gebe es mittlerweile so wenige wie seit 15 Jahren nicht mehr. Als Gründe nannte sie unter anderem die Ordnungspartnerschaften mit Wohnungsbaugesellschaften – und: „Es ist auch ein Verdienst der Bürger, die immer schneller bereit sind, den Notruf zu wählen.“
Heselhaus-Schroer verwies auf polizeiliche Erfolge
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Sorge bereite ihr allerdings die Anzahl der politisch motivierten Taten. 130 Straftaten seien es 2018 gewesen, darunter 15 Gewaltdelikte und „neun ganz klar antisemitische Fälle“. Rauschgiftdelikte habe man 2018 so viele aufgenommen wie seit 15 Jahren nicht mehr – dank umfangreicherer Kontrollen. „Klar, wo mehr kontrolliert wird, wird auch mehr aufgedeckt.“
Die Gastrednerin des Rates verwies auch auf polizeiliche Erfolge, etwa bei der Bekämpfung der Clan-Kriminalität. Hier unterstütze sie NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bei seiner Devise „Null Toleranz“. Mehrere Festnahmen hätte es gegeben, zwei Abschiebungen, und Dutzende Strafverfahren seien eingeleitet worden. „Es spielt dabei keine Rolle, ob ein Täter Libanese, Rumäne, Türke oder Deutscher ist.“
Kampf gegen Temposünder
Zum Abschluss thematisierte Heselhaus-Schröer noch den Verkehr. 9722 Unfälle in 2018 – diese Zahl sei zu hoch. „Unfälle verhindern ist besser als Unfälle aufzunehmen“, sagte sie und führte Unfallursache Nummer 1 an: zu hohes Tempo. „Wir dulden keine Raser und keine Poser und kein Fahren unter berauschenden Mitteln.“
Deshalb werde die seit zwei Wochen praktizierte Strategie, die Orte der Radarmessungen nicht mehr anzukündigen (die WAZ berichtete), fortgeführt. „Statistisch gesehen werden wöchentlich zwei Kinder bei Unfällen in Gelsenkirchen verletzt. Das ist nicht hinnehmbar!“
Auch Hans-Joachim Olbering sprach vor dem Rat
Ans Rednerpult trat auch Hans-Joachim Olbering, seit einem Jahr Leiter des städtischen Referats für Sicherheit und Ordnung. Auch er hatte aus seiner Sicht etwas zum Thema Verkehr beizutragen: „60 bis 100 Anrufe gehen täglich bei der Verkehrsüberwachung ein.“ Die Zahl der Politessen sei bereits von 26 auf 40 erhöht worden.
Dabei wehrte er sich gegen einen immer wieder aus der Bevölkerung erhobenen Vorwurf: „Es geht nicht darum, die Kassen zu füllen. Es geht darum, die Behinderung anderer zu verhindern.“ Auch beim Kampf gegen Temposünder sei die Stadt aktiv, so Olbering. „Wir haben bald sechs Radarwagen, die alle mit modernster Technik ausgestattet sind.“
Der Referatsleiter hat Zahlen mitgebracht
Auch der Referatsleiter hatte einige Zahlen mitgebracht: 18.000 Beschwerden gingen demnach 2018 beim Kommunalen Ordnungsdienst (KOD) ein. 400 Verwarnungen wurden geschrieben, vor allem zum Thema Müll. Hier lobte er die Partnerschaft mit Gelsendienste, die nun erfolgreich Mülldetektive beschäftigen. Olbering sprach von 1250 Ordnungswidrigkeitsanzeigen und von Bußgeldern zwischen 100 und 5000 Euro. Seine Devise: „Ohne Sauberkeit keine Ordnung!“
Olbering pries auch das Interventionsteam EU-Ost an, das sich um Schrottimmobilien in der Stadt kümmert. „44 Objekte wurden seit 2013 geräumt, 198 Wohnungen wegen Unbewohnbarkeit geschlossen.“
Reaktionen zur Rede der Polizeipräsidentin:
Bettina Peipe (Die Linke): „Ich kann eine Sache nicht mehr hören – und zwar dieses: Uns geht es gut. Dazu passt ein Sprichwort: Im Schnitt war der See nur einen Meter tief, trotzdem ist die Kuh ertrunken. Altersarmut ist für viele Realität. Ich würde mal einen Blick in den Armutsbericht werfen!“
Lutz Dworzak (SPD): „Man muss das mal sacken lassen. Das war ja eine Vielzahl von Informationen. Meines Erachtens sind wir auf einem guten weg bei der Ordnungspartnerschaft zwischen Polizei und Stadt.“
Wolfgang Heinberg (CDU): „Es ist gut, dass Frau Heselhaus-Schröer die Sache weder schöngeredet noch schwarzgemalt hat. Die Zahlen sagen, dass man nicht einen µ-Meter von den bisherigen Anstrengungen abweichen darf. Wir werden auch in den Verhandlungen für den Haushalt 2020 einen Ausschuss für Sicherheit und Ordnung fordern.“
Peter Tertocha (Grüne): „Wir sehen weiterhin keinen Anlass für einen gesonderten Ausschuss. Das sind alles Themen für den Hauptausschuss. Da stellt die CDU aber kaum Anträge in dieser Angelegenheit.“
Jürgen Hansen (parteilos): „Das Glas ist halb voll. Diesen Standpunkt finde ich gut. Ich finde auch, dass es halb voll und nicht halb leer ist. Meiner Meinung nach funktioniert der Polizeiapparat hier gut. Ebenso die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Stadt, so wie sie Frau Heselhaus-Schröer und Herr Baranowski sie aufgesetzt haben.“