Gelsenkirchen-Feldmark. . Beim Empfang zum Weltfrauentag in Gelsenkirchen ging es um Frauenrechte in Europa. Frauen sehen Rechtspopulisten als Gegner der Gleichstellung.
Der erste Applaus der Teilnehmerinnen gebührte den wenigen Männern im Saal, die am Freitagabend im Stadtbauraum für die Technik sorgten. Beim Empfang zum Weltfrauentag, bei dem über 100 Gelsenkirchenerinnen der Einladung von Oberbürgermeister Frank Baranowski gefolgt waren, stand vor allem ein Thema im Fokus: „100 Jahre Frauenwahlrecht: Das ist ein Grund zum Feiern!“, stellte Moderatorin Karin Badar fest. Das Wahlrecht für Frauen war schließlich die wichtigste Forderung des ersten Weltfrauentages 1911.
Erste Wahl mit Frauen 1919: Ein epochaler Moment
„‚Sie haben die Wahl’ stand in der Einladung. Und mit der Wahl des heutigen Abendprogramms haben Sie schon einmal keine schlechte Wahl getroffen“, begrüßte Baranowski die Besucherinnen.Doch sein Hauptaugenmerk galt einer anderen Wahl: „Was tut die EU für die Gleichstellung von Männern und Frauen? Sie hat sich darin als sehr progressiv präsentiert. Unsere Wahl wird entscheiden, ob sie das weiter tun wird.“ Es sei typisch deutsch, dass der 19. Januar 1919, der Tag, an dem Frauen in Deutschland zum ersten Mal wählen durften, so stiefmütterlich behandelt wird: „Dieser epochale Moment ist es doch wert, gefeiert zu werden.“
Das Privileg der freien Entscheidung schützen
Anschließend stellte Filmemacherin Andrea Lötscher ihren neuen Film über sieben Gelsenkirchener Frauen aus sechs Ländern vor, die erzählen, was Europa ihnen bedeutet. Allen gemeinsam ist das Bewusstsein, dass sie in Frieden und Freiheit leben und dank der EU viele Privilegien haben, zum Beispiel, sich für ein Studium oder einen Beruf frei entscheiden können. Und: „Es ist absurd, dass die Bezahlung von Männern und Frauen nicht gleich ist. Es ist so wichtig, dass sich die EU darum kümmert.“
Die Populismusforscherin Lynn Berg vom Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung warf in ihrem Vortrag einen Blick auf die Anfänge der europäischen Gleichstellungspolitik: „Der Frauenkampftag setzte sich ursprünglich für das Wahlrecht, ein Recht auf Bildung, Gewaltschutz, gleiche Bezahlung, rechtliche Unabhängigkeit und körperliche Selbstbestimmung ein. Man kann sagen, dass die Verfasser der EU-Verträge teilweise vom Weltfrauentag abgeschrieben haben.“
Rechtspopulisten als Gegner
Die alten und neuen Gegner der Gleichstellung seien die Rechtspopulisten: „Die stellen Gleichstellungspolitik als Bedrohung für alle dar, machen mit Diffamierungen auf sich aufmerksam. In Österreich, Polen und Ungarn, wo Rechtspopulisten an Regierungen beteiligt sind, wird das Abtreibungsrecht verschärft und Geld für Frauenhäuser gestrichen. Wir dürfen den Gleichstellungsgegnern nicht das politische Feld überlassen. Wir müssen solidarisch sein, Allianzen bilden, uns einmischen und Forderungen stellen.“ Sprach’s und endete mit der französischen Feministin Simone de Beauvoir: „Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen: Sie bekommen nichts.“
>>>Kundgebung auf dem Preuteplatz am Samstag
Auf dem Preuteplatz demonstrierten laut Veranstalterinnen bis zu 200 Frauen für Frauenrechte und mehr Gleichberechtigung. Weltfrieden, Gewalt gegen Frauen, Rückschritte in der Politik, mehr Unterstützung für Opfer von Gewalt und bessere Bezahlung waren die Hauptthemen der Kundgebung.
Am Anfang gedacht die Teilnehmerinnen der kürzlich verstorbenen Susanne Neumann, die sich für bessere Bezahlung und mehr Gerechtigkeit stark gemacht hatte.