Gelsenkirchen. . Bei der ersten Einstellungsrunde für Lehrer blieben in Gelsenkirchen 90 von 109 ausgeschriebenen Stellen unbesetzt. Am meisten in Grundschulen.

109 Lehrerstellen waren für Gelsenkirchen ausgeschrieben, ganze 29 konnten aktuell besetzt werden. Am dramatischsten ist die Situation an Grundschulen. Für 43 ausgeschriebenen Stellen konnten ganze acht Bewerber gewonnen werden! Bei den Förderschulen waren zehn Lehrer gesucht, kein einziger Bewerber wurde für Gelsenkirchen gefunden. Allerdings ist die Situation bei Förderschullehrern im gesamten Regierungsbezirk extrem schlecht. Nur vier Lehrkräfte standen für den gesamten Regierungsbezirk bereit.

Hoffen auf mehr Bewerber im Mai

Akute Linderung der Not an Grundschulen soll auch diesmal aus Münster kommen: elf Lehrkräfte – davon drei aus dem Vertretungspool – aus Münster und Coesfeld sollen Gelsenkirchener Grundschulen verstärken. Ulla Lütkehermölle, Sprecherin der Bezirksregierung, hofft, dass es in der nächsten Runde im Mai besser wird: „Dann werden Referendare fertig und wir hoffen, dann mehr Stellen besetzen zu können. Es gibt einfach viel zu wenige Lehrer, und zwar im gesamten Bezirk.“

Bildungsdezernentin Annette Berg sieht hier ebenfalls die Hauptursache, aber: „In Gelsenkirchen ist das Schulamt durch verschiedene Maßnahmen sehr aktiv, die offenen Stellen schnellstmöglich zu besetzen. Durch die moderne Ausstattung an unseren Schulen sind wir jedoch auch vielfach für Lehrkräfte attraktiv, die durch innovative Unterrichtskonzepte ihren Unterricht engagiert gestalten wollen.“

Wechsel nach zwei Jahren ist nicht optimal

Schulamtsdirektor Bernhard Südholt reagiert verhaltener: „Es ist gut, dass wir die Unterstützung aus Münster bekommen. Aber: Wenn diese Lehrer nach zwei Jahren wieder gehen, ist das für eine kontinuierliche Arbeit nicht optimal.“

Moderne, digitale Ausstattung wie hier an der Gesamtschule Erle ist auch für Lehrkräfte so attraktiv, dass sich mehr Bewerber für Gelsenkirchen interessieren, hofft Bildungsdezernentin Annette Berg. Im Bild schreibt Annalena auf das Whiteboard.
Moderne, digitale Ausstattung wie hier an der Gesamtschule Erle ist auch für Lehrkräfte so attraktiv, dass sich mehr Bewerber für Gelsenkirchen interessieren, hofft Bildungsdezernentin Annette Berg. Im Bild schreibt Annalena auf das Whiteboard. © Lars Heidrich

Die Versorgungssituation ist nicht überall gleich verheerend. Bezirksweit konnten immerhin 33 Prozent der ausgeschriebenen Stellen besetzt werden, in der Stadt Münster sogar 46 Prozent. Landesweit ist die Not an Grundschulen am größten: 845 Stellen bleiben hier offen, an Förderschulen sind es 345. Die geringsten Besetzungsprobleme haben landesweit Gymnasien. Drei von vier Ausschreibungen waren hier erfolgreich.

Berufskollegs müssen sich nach der Decke strecken

Stark nach der Decke strecken müssen sich auch weiterhin die Berufskollegs in Gelsenkirchen: nur für zwei von 14 ausgeschriebenen Stellen fand sich eine Lehrkraft. An den Gesamtschulen bleiben vor Ort zehn Stellen unbesetzt, an Gymnasien und Hauptschulen je vier, an Realschulen fünf. Die Sekundarschule konnte ihre freie Stelle besetzen.

Land rechnet langfristig mit Mangel

Die nächste Besetzungsrunde steht im Bezirk im Mai an. Dann hoffen alle Beteiligten, mehr Erfolg bei der Lehrerwerbung zu haben, da dann auch weitere Referendare ihre Ausbildung abgeschlossen haben werden. Dennoch: Das Schulministerium geht für die nächsten Jahre von einem jährlichen Einstellungsbedarf von 1600 Grundschullehrern in NRW aus – rechnet aber nur mit etwa 1400 Bewerbern.

Kommentar von Sibylle Raudies: Nach Bedarf verteilen

Lehrermangel alle 35 bis 40 Jahre, wenn eine Generation in den Ruhestand wechselt: Wer dachte, die Zeiten seien vorbei, hat sich getäuscht. Die Situation ist dramatisch wie lange nicht. Eine schnelle, gute Lösung ist nicht in Sicht. Immerhin ist an Grundschulen der Generationswechsel schon zum Teil vollzogen.

Sofort wirksam sind nur Notlösungen wie etwa die Abordnungen aus besser besetzten Regionen oder der vorübergehende Einsatz von Lehrern der Sekundarsstufe I an Grundschulen. Der Vorschlag, Lehrer wieder gezielt nach Bedarf über das Land zu verteilen wie dereinst in den 80er Jahren, ist zwar keine gute Werbung für den Lehrerberuf, als zeitlich befristete Zwischenlösung aber aktuell hilfreich.

Auch ein finanzielles Extra könnte die Attraktivität von Standorten für Bewerber steigern. Gerade hier kommen Kinder mit extrem unterschiedlichen Voraussetzungen in die Schule. Wer ihnen allen gute und möglichst gleiche Startchancen ermöglichen möchte, dem sollten dafür auch ungewöhnliche Mittel recht sein.