Gelsenkirchen. Fritz Pescher* arbeitete jahrelang in Gelsenkirchener Bädern. Auch im Zentralbad, in dem im Januar eine Fünfjährige ertrank. Eine Abrechnung.
Fritz Pescher (*Name geändert) knetet aufgeregt seine Finger. Das Thema ist heikel, im Januar ist im Zentralbad ein fünfjähriges Mädchen ertrunken. Der ehemalige Badehelfer war selbst früher im Zentralbad im Einsatz. Der 67-Jährige kennt die Becken, er kennt auch viele Mitarbeiter. Der schreckliche Vorfall geht dem Bueraner nicht mehr aus dem Kopf. Weil er selbst mehrmals so nah dran war an einem Unglück. Weil er die Personaldecke in den Bädern für unzureichend hält. Weil er weiß: „Die Kollegen stehen unter einem riesigen Druck.“
Samstag, 5. Januar: Ein Mädchen kommt zusammen mit fünf weiteren Kindern und drei Erwachsenen ins Zentralbad. Wenige Stunden später ist die Fünfjährige tot. Ertrunken im Lehrschwimmbecken. Wie konnte das geschehen? Obwohl der Rentner Pescher längst nicht mehr im Zentralbad Dienst tut, spielt er die Abläufe im Kopf wieder und wieder durch. „Es kann alles Mögliche passiert sein. Da muss nur mal einer abgelenkt gewesen sein, das geht blitzschnell.“
Frau verliert im Wasser die Orientierung
Drei Aufsichtspersonen waren zum Zeitpunkt des Unglücks gleichzeitig im Einsatz: ein Schichtleiter, ein Bademeister und ein Rettungsschwimmer. Das Bad war laut Stadtwerkesprecherin mit 240 Leuten über den Tag verteilt durchschnittlich voll. „Früher wäre das ausreichend gewesen“, meint Pescher. Damals, als jedes Bad noch einen Mitarbeiter unten in der Technik hatte. „Aber das gibt es ja schon seit Jahren nicht mehr.“ Wenn heute unten etwas sei, müsse der Schwimmmeister selbst runter und nachsehen. Oder ins Büro, jemanden organisieren. „Das kostet Zeit. Und in der fehlt er dann oben am Becken.“
Auch Pescher ist Rettungsschwimmer, seit seiner Jugend schwimmt der ehemalige Dreher regelmäßig, hat ‘zig Kurse absolviert. Bevor er im Jahr 2006 als Aufsicht ins Zentralbad gewechselt ist, schob er Dienst im Hallenbad Horst. Später arbeitete er dann fast zehn Jahre als Saunameister im Hallenbad Buer. Brenzlige Momente, Situationen, in denen es gefährlich wurde, hat er mehrmals erlebt. „Einmal ist eine Frau ausgerutscht und hat unter Wasser die Orientierung verloren. Sie kam einfach nicht mehr hoch. Wenn ich da nicht direkt am Beckenrand gestanden und sie unter Wasser gepackt hätte, hätte das schlimm enden können.“
Zunge verschluckt: Zwei Kollegen mussten helfen
Oder der Tag im Jahnbad Heßler im letzten Sommer, rappelvoll sei es gewesen, „ich war eigentlich selbst gar nicht im Dienst“. Aber der Kollege war in Not: Eine Wespe hatte ein Kind gestochen, gleichzeitig krampfte eine Frau im Becken: „Wir mussten sie mit zwei Mann rausziehen und behandeln, sie hatte sich die Zunge verschluckt.“ Fast zeitgleich noch ein anderer Notfall – wieder ein Wespenstich. „Es war reines Glück, dass ich da war. Da hätte noch viel mehr passieren können.“
Pescher plädiert dafür, sich die Personalausstattung der Bäder genau anzusehen. „Da müsste überall immer noch ein Rettungsschwimmer zusätzlich eingesetzt werden. Da darf die Stadt nicht sparen!“ Auch, dass die Techniker nun nicht mehr vor Ort in den Bädern anwesend seien, sondern zentral über einen Pool rausgeschickt würden, hält Pescher für falsch. „Besonders die Schwimmmeister sind gerade im Sommer, wenn die Bäder voll sind, enormen Belastungen und psychischem Druck ausgesetzt. Wenn jederzeit das Schlimmste passieren kann: Damit müssen Sie erst mal umgehen.“
Zusätzliches Personal erhöht Sicherheit
Natürlich könne man Badeunfälle nicht komplett ausschließen. Aber zusätzliches Personal würde die Sicherheit erhöhen und die Belastung für die Kollegen verringern. „Der Schichtleiter vom 5. Januar, der wird seines Lebens nicht mehr froh. Er hat selbst zwei kleine Kinder. Können Sie sich vorstellen, was der jetzt durchmacht?“
<<<<Aufsichtspflicht wichtig
- Wie viel Aufsichtspersonal in welchen Bädern eingesetzt wird, entscheiden die Stadtwerke selbst.
- Richtlinien dazu gibt dazu die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen. „Wichtig ist vor allem eine permanente Aufsichtspflicht“, betont Geschäftsführer Christian Ochsenbauer.