Gelsenkirchen/Essen. . Die Kandidatenkür für das Spitzenamt am Landessozialgericht wird neu gestartet. Die Personalie beschäftigte bereits Richter auf allen Ebenen.

Sylvia Fleck, Präsidentin des Gelsenkirchener Sozialgerichts, kann doch noch auf eine Beförderung hoffen. Sie ist wieder im Rennen um die Besetzung der obersten Stelle der Sozialgerichtsbarkeit des Landes. Das Düsseldorfer Justizministerium hat zur Überraschung vieler Topjuristen die Kandidatenkür für das Präsidentenamt des Landessozialgerichts (LSG) Essen erneut gestartet.

Aufschrei in der Sozialgerichtsbarkeit des Landes

Fleck war eine der vier Bewerbernamen, als die Behörde das Rennen um diese Spitzenposition eröffnete. Das Ministerium hatte jedoch früh zu erkennen gegeben, dass es sich für einen ihrer eigenen Abteilungsleiter, Andreas Christians, entscheiden wollte. Dies führte jedoch zu einem Aufschrei in der Sozialgerichtsbarkeit des Landes. Die Richterschaft fühlte sich geringgeschätzt, als sei sie nicht in der Lage, einen geeigneten Kandidaten aus den eigenen Reihen stellen zu können. Fleck, ihr Düsseldorfer Kollege Peter Brückner, Präsident des dortigen Sozialgerichts, und vor allem der kommissarische Leiter des LSG, Martin Löns, reichten Eilanträge beim hiesigen Verwaltungsgericht (VG) ein.

Nach Abschluss des Eilverfahrens einziger Kandidat

Die Ernennung Christians wurde jäh gestoppt, weil das VG wie auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster urteilten, dass der Kandidat des Ministeriums nicht geeignet sei für das Amt. Er erfülle nicht das Anforderungsprofil, weil er in seiner ansonsten sehr erfolgreichen Juristenlaufbahn niemals Richter an einem Sozialgericht war. Die besten Voraussetzungen habe Martin Löns, der nach Abschluss des Eilverfahrens einziger Kandidat geblieben war.

Doch anstatt Löns zu befördern, griff das Ministerium in die juristische Trickkiste. Justizminister Peter Biesenbach (CDU) und seine Bürokratie präsentierten plötzlich einen neuen Favoriten: den Vorsitzenden Richter am Bundessozialgericht (BSG) Pablo Coseriu (CDU). Und damit war auch Fleck wieder auf der Liste. Möglicherweise muss die Behörde nun alle nunmehr fünf Kandidaten neu beurteilen, um so die vielleicht kleinen, aber feinen Unterschiede herauszuarbeiten.

Neustart des Bewerberkarussells soll gestoppt werden

Und bevor das erneute Personalgeschacher um das Amt des Topjuristen so richtig an Fahrt gewinnt, gerät es schon wieder ins Stocken. Wie das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen verkündete, hat der langjährige Vizepräsident des LSG, Martin Löns, einen Eilantrag eingereicht. Damit will er den Neustart des Bewerberkarussells stoppen. Zu einem so späten fortgeschrittenen Zeitpunkt des langwierigen Verfahrens dürfe man die Uhren nicht wieder auf Null zurückdrehen, meint er offenkundig. Quintessenz seiner rechtlichen Bewertung: Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfe die Behörde die Auswahl „nur aus gewichtigem Grund“ neu beginnen. Im Klartext: Das Land darf das gesamte Verfahren nicht mehrfach anleiern, bis es jemanden gefunden hat, der ihm genehm ist.

Justizministerium händeringend auf Kandidatensuche

In der Tat spricht vieles dafür, dass Löns wie auch Fleck verhindert werden sollen, weil sie den bisherigen Favoriten des Ministeriums, ihren Abteilungsleiter Dr. Andreas Christians (SPD), juristisch blockiert haben. Fehlende Erfahrung in Sozialgerichtsverfahren kann dem neuen Kandidaten, dem Vorsitzenden Richter am BSG, Pablo Coseriu, nicht abgesprochen werden. Das Düsseldorfer Justizministerium soll händeringend nach einem Kandidaten wie dem 60-Jährigem gesucht haben, der über alle juristischen Zweifel erhaben ist. Und der sogar bereit ist, dafür Gehaltseinbußen hinzunehmen.

Knapp 700 Euro weniger Grundgehalt als in Kassel

In Essen würde er mit 10.200 Euro Grundgehalt monatlich knapp 700 Euro weniger verdienen als in Kassel. Und das fern seiner Heimat in Thüringen und in einem Gericht, das seit Jahren voll hinter seinem langjährigen Vizepräsidenten Löns steht. Der ebenfalls 60-Jährige hat sich in seinem Hause schon deshalb große Achtung erworben, weil er die Gerichtsbarkeit nach dem Weggang von drei Präsidenten auch vom Ministerium anerkannt durch schwierige Zeiten geführt hat.

Beeindruckt von der fachlichen Kompetenz

Böse Zungen in den Sozialgerichten des Landes sprechen gar von einem abgekarteten Spiel in der Neuauflage des Präsidentenpokers. Beeindruckt von der fachlichen Kompetenz eines Richters vom Bundessozialgericht könnten sich die drei übrigen Bewerber zurückziehen, außer Löns sind das noch die Präsidentin des Sozialgerichts Gelsenkirchen, Silvia Fleck, und ihr Düsseldorfer Kollege Peter Brückner, lautet die Vermutung über die Taktik des Ministeriums.

Wenn dann anschließend auch noch Coseriu abdreht, wäre vielleicht der Weg doch noch frei für Christians. Das aber wäre wohl eine Verhöhnung der Verwaltungsrichter und dem hohen Amt des LSG-Präsidenten nicht angemessen. Christians ist jedenfalls trotz aller Entscheidungen der Verwaltungsrichter laut Auskunft von Ministeriumssprecher Dirk Reuter im Bewerberkreis immer noch präsent. Christians zu ernennen, wäre ein Verstoß gegen die geltende Rechtsprechung.