Gelsenkirchen. . Das Arzt Mobil feiert mit Gästen und Kooperationspartnern 20-jähriges Bestehen. Im Garten von St. Augustinus fällt ganz oft das Wort „Danke“.
„Zwanzig Jahre für Menschen am Rande der Gesellschaft da zu sein, das ist ein gutes Gefühl“, sagt ein aufgeräumter Dr. Wolfgang Nolte in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vereins Arzt Mobil GE. Ein Lächeln im Gesicht, ganz oft das Wort „Danke“ auf den Lippen und sechs Rosen in der Hinterhand führt er die kleine Festgemeinde im Garten von St. Augustinus durch zwei Jahrzehnte, die es am Mittwoch zu feiern gilt.
Feinsinnig schafft es Nolte , alle in seine Rede einzubinden, die zum Erfolg der aufsuchenden medizinischen Hilfe für Wohnungslose oder Suchtmittelabhängige beigetragen haben – und damit auch zum Gelingen eines der ersten Methadon-Pilotprojekte des Landes. Wilfried Reckert etwa – „Ohne ihn gebe es Arzt Mobil nicht oder nicht mehr“ – zahlreiche Spender, Kooperationspartner und natürlich das Mitarbeiterinnen-Team.
Ärztin Maria Behling ist seit 18 Jahren dabei
Ärztin Maria Behling ist seit 18 Jahren mit ihrem „fahrbaren Sprechzimmer“ unterwegs, die Streetworkerinnen kennen die Szene, haben Kontakt zu über 300 Menschen, kennen mindestens 250 mit Namen. Auch Teamleiterin Karin Schneider ist bereits seit 2002 im Boot. Und hätte, wie sie später lachend erzählt, selbst nicht geglaubt, dass sie 16 Jahre später immer noch dabei sein würde. Kurzum: Da ist eine Gruppe aus Medizinerin, Sozialpädagoginnen und Sozialarbeiterinnen zusammengewachsen, die mit Überzeugung und Herzblut bei der Sache sind. Das spürt man einfach.
Vorsitzender: „Armut macht krank“
Wohnungslose, die in Abhängigkeit mindestens von Alkohol geraten sind, die aufgegeben haben, oft verwahrlost sind und ihre Gesundheit vernachlässigen, das sind die Menschen, um die sich Arzt Mobil kümmert. Denn, sagt Nolte, „Armut macht krank. Und wenn die Leute nicht zum Arzt gehen, muss der Arzt zu ihnen kommen.“ Und dann sagt er noch seinen Lieblingsschluss-Satz: „Denn auch sie sind Menschen wie du und ich; sie hatten nur nicht das Glück wie wir...“
Kraft und Motivation sind nötig
Gelsenkirchen wäre ohne Arzt Mobil ein ganzes Stück ärmer, stellt Bürgermeisterin Martina Rudowitz fest. „Es sagt viel über eine Gesellschaft aus, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht.“ Und Arzt Mobil habe einen großen Anteil daran, dass in dieser Stadt Menschen am Rande geholfen werde. Sie überreicht Blumen, Ansgar Suttmeyer im Namen der St.-Augustinus-Stiftung für die „nachhaltige und verlässliche Arbeit“ von Arzt Mobil einen Scheck in Höhe von stattlichen 5000 Euro.
Über 500 individuelle Einzelschicksale
Was Arzt Mobil leistet, beschreibt Karin Schneider am eigenen Beispiel. „Am Anfang dachte ich noch, ok, die Leute bekommen Methadon, brauchen kein Heroin mehr und werden wieder gesund.“ Sie habe aber lernen müssen, dass das Thema Abhängigkeit viel komplexer sei. „Sucht ist eine nicht heilbare chronische Erkrankung mit schweren sozialen und gesundheitlichen Folgen. Viele Klientinnen und Klienten kenne ich seit 16 Jahren – über 500 individuelle Schicksale von drogenabhängigen Menschen, einige sind bereits verstorben.“ Wenn sie eins in all den Jahren verstanden habe, dann das: „Meine Aufgabe besteht im Grunde aus Akzeptanz, Toleranz und dem Aushalten von Leid. Das erfordert Kraft und Motivation.“
Was im gespendeten Wohnmobil begann, hat sich etabliert. Seit 2003 hat der Verein eigene Räumlichkeiten für Sprechzeiten an der Caub-straße. Dass die Feier nicht dort stattfindet, daran ist die Feuerwehr nicht ganz unschuldig – aber das ist eine andere Geschichte...
>> Info: Die Entwicklung von Arzt Mobil
Drei Jahreszahlen gehören zur Entwicklung von Arzt Mobil: 1998 begann die aufsuchende medizinische Hilfe für Wohnungslose und/oder Suchtmittelabhängige; 2003 wurde die drogentherapeutische Ambulanz eröffnet.
Die psychosoziale Begleitung für substituierte Menschen hat Arzt Mobil ebenfalls 2003 aufgenommen und 2008 das Projekt Streetwork gemeinsam mit dem Caritasverband. Die dritte Streetworkerin kam 2017 zum Team.