Essen/Gelsenkirchen. Eine Familienbande aus Gelsenkirchen und Gladbeck steht vor Gericht. Die Mitglieder sollen Ikea-Waren im Wert von 350.000 Euro gestohlen haben.
Ein Familienunternehmen der illegalen Art: Vor dem Essener Landgericht müssen sich seit Dienstag Vater Bruno S.(52) mit dreien seiner Söhne und einem Schwiegersohn verantworten. Mit einem präparierten Kinderwagen sollen die Angeklagten bei Ikea „eingekauft“ haben, ohne zu bezahlen. Vorgeworfen werden ihnen 176 Fälle, die Beute soll 350.000 Euro wert gewesen sein.
Zum Prozessauftakt vor der XVI. Strafkammer schweigen die aus Gelsenkirchen und Gladbeck stammenden Angeklagten zur Sache. „Das überrascht mich“, kommentiert Richter Martin Hahnemann. Denn in der Vergangenheit hatte der Großteil der Angeklagten durchaus Geständnisse abgelegt und war dafür von der Haft verschont worden. Aber Hahnemann weiß den Weg, wie die Geständnisse rekonstruiert werden können: „Dann müssen wir eben die Vernehmungsbeamten der Polizei laden.“
Familienmitglieder landen immer wieder vor Gericht
Dann wird das Gericht hören, dass Familie S. den Ermittlern nicht unbekannt ist. Einer der Söhne soll bei der Polizei ausgesagt haben, die Eltern hätten sie schon früh mit zu Diebestouren genommen. „Wir gehen auf Jück“, habe es geheißen. Immer mal wieder landeten Familienmitglieder in den vergangenen Jahrzehnten auch vor Gericht. Es heißt, ein Gladbecker Amtsrichter habe im Beratungszimmer den Stammbaum der Familie S. hängen gehabt, um die Verwandtschaftsverhältnisse bei Aussageverweigerung zu überprüfen.
Neun Kinder hat der Hauptangeklagte. Eines davon hatte sich 2016 bei der Polizei gemeldet und seine Familie angeschwärzt. Sein Vater und seine Brüder würden klauen, soll er erzählt haben.
Familienoberhaupt Bruno S. hält die Fäden in der Hand
Die Polizei ermittelte und fand aus ihrer Sicht eine straff organisierte Bande aus Familienmitgliedern. Oberhaupt Bruno S. soll die Fäden in der Hand gehalten und weitere Familienmitglieder arbeitsteilig eingesetzt haben.
Ausgesucht hatte Familie S. sich die Ikea-Märkte in Duisburg und Dortmund. Denn dort, so meinte sie, drohten keine Überwachungskameras und nur wenige Ladendetektive. Grundvoraussetzung der Diebestour aus Sicht der Anklage: ein Kinderwagen, der so präpariert war, dass die Beute vor den Augen der Kassiererin verborgen blieb.
Diebstähle mit präpariertem Kinderwagen
Dann ging es los. Einer der Söhne schob den Kinderwagen, andere fuhren den Pkw, wieder andere klauten: Gardinen, Bettwäsche, Bratpfannen, LED-Birnen, sogar Bohrmaschinen. Alles, was in den Kinderwagen passte. Auf dem Parkplatz soll die Beute ins Auto geladen worden sein, bevor es zum Teil in anderer Kleidung wieder ins unmögliche Möbelhaus zur nächsten Tour ging. Es gab sogar eine Gegenobservation: Familienmitglieder sollen gespäht haben, ob Ladendetektive aufmerksam wurden. Verkauft wurde die Beute, wo auch der ordentliche Bürger kauft: auf Trödelmärkten oder über ebay.
Am Ende des ersten Prozesstages führten Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidiger ein Rechtsgespräch. Es wurde klar, mit welchen Strafen zu rechnen ist. Auch, wie hoch der Rabatt bei einem Geständnis sein wird. In drei Wochen geht es weiter.