Gelsenkirchen. . Peter Weingarten stand 23 Jahre an der Spitze von St. Augustinus in Gelsenkirchen. Als Berater bleibt er St. Augustinus aber noch erhalten.
23 Jahre in ein und demselben Konzern – bei Geschäftsführern kommt sowas eigentlich nicht vor. Bei Peter Weingarten (58), dem nun ehemaligen Geschäftsführer der St. Augustinus GmbH, schon. Und wenn die Gesundheit ihm nicht die rote Karte gezeigt hätte, dann hätte der gelernte Banker und studierte Volkswirt wohl auch weiter gemacht. Zwölf-, 13-Stunden-Arbeitstage an fünf Tagen die Woche waren die Regel, Urlaub die Ausnahme.
Nach massiven Herzbeschwerden, zwei Warnschüssen, sechs neu „eingepflanzten“ Stents und anhaltenden Problemen folgte er dem Rat seines niedergelassenen Arztes und räumte seinen Platz als Geschäftsführer des zweitgrößten Arbeitgebers in Gelsenkirchen. Die eine Woche als Patient auf der Intensivstation eines namibischen Krankenhauses bei seiner ersten Afrikareise – der zweite Warnschuss – dürfte das ihre getan haben. „Aber es war eine große, gut ausgestattete Klinik. Größer als unsere.“ Spricht’s und schmunzelt. Nein, Übernahmepläne gebe es da nicht.
„Der feierliche Abschied hat mich sehr bewegt“
Ob er nun, nach dem Abschied, erleichtert sei, zufrieden, wehmütig? „Alles auf einmal. Ich weiß nicht mehr so richtig, was ich bin, nach diesen 23 Jahren“, bekennt er. Noch sei der Start in einen neuen Lebensabschnitt wohl nicht ganz angekommen, vermutet er. Der große offizielle Abschied von der Augustinus-Familie habe ihn sehr bewegt, „viel mehr, als ich vermutet hatte.“
21 Jahre lang einen Jour Fixe mit dem Propst
Eine Laudatio in drei Akten hatte man ihm im Augustinushaus beschert, sehr persönlich, sehr offen, sehr humorvoll. Ein Arzt, ein Ökonom, Monsignore Manfred Paas, der ihm als Propst fast die gesamte Zeit zur Seite stand und der montagabends 21 Jahre lang einen „Jour Fixe“, eine feste Verabredung mit ihm hatte, verabschiedeten ihn, moderiert vom neuen Propst, der eine zusätzliche Brücke über die Emscher schlug, nach der ersten zum damals notleidenden St.-Marien-Hospital Buer anno 2007.
Ein Chef mit Durchsetzungskraft und breitem Kreuz
Das Miteinander im Augustinus-Vorstand funktionierte auch, als das Bistum 2011 dem Konzern Sparvorschläge unterbreitete, die der Geschäftsführung ganz und gar nicht gefielen. Man wusste sich zu wehren, Kompromisse wurden gefunden. Und heute sei das Verhältnis zum Bistum – so Weingarten – wieder ein gutes.
Was die Abschiedsreden auch zeigten: Weingarten war ein Chef mit Prinzipien und festen Meinungen, die er durchzusetzen pflegte. Aber er war wohl auch einer, der die Mitarbeiter im Blick hatte und das Kreuz bei Bedarf breit machte.
Mit 1500 Mitarbeitern gestartet
Größte Erfolge in seiner Amtszeit mag Weingarten nicht benennen. „Das sollen andere tun.“ Er hinterlasse das Unternehmen in einem recht guten Zustand, stapelt er tief, das Geschäftsjahr 2017 sei „kein erfolgloses“ gewesen. Jetzt sei ein guter Schnitt, ein guter Zeitpunkt zu gehen. 1995 hatte er mit 1500 Mitarbeitern begonnen, dank zahlreicher Fusionen sind es heute 2900 Mitarbeiter – gut 1400 KKEL-Beschäftigte nicht eingerechnet.
Über Tiefschläge mag Weingarten auch nicht wirklich sprechen. Der Jugendamtsskandal „musste wirklich nicht sein“, befindet er im Nachgang. Und schon gar nicht die auf seine Person bezogene Rücktrittsforderung, die die SPD gestellt hatte. Aber er möge nicht nachtreten, betont der Fast-Privatier.
Ab sofort Berater ohne festes Zeitbudget
Wirklich zurückziehen wird sich Peter Weingarten allerdings noch nicht. Er stehe dem Konzern weiter als Berater zur Verfügung, wenn auch ohne festes Zeitbudget. Die strukturellen Probleme der KKEL müssten schnell angegangen werden, dabei will er noch mithelfen. Schließlich hat er diese Erweiterung noch selbst auf den Weg und in trockene Tücher gebracht. Schon jetzt hat er entsprechende Termine dazu. Seine Lebensgefährtin Sabine Richter – selbst noch berufstätig im Gesundheitswesen – unterstützt ihn dabei.
Eine Doppelspitze in der St.-Augustinus-Geschäftsführung soll es auch künftig geben. Der Partner für seine Nachfolgerin Susanne Minten werde bereits gesucht.
Groß genug, um überlebensfähig zu sein
Eine Prognose zur weiteren Konzern-Entwicklung mag Weingarten nicht abgeben. „Das Unternehmen ist jetzt groß genug, um überlebensfähig zu sein, auch auf regionaler Ebene. Andererseits gibt es schon heute deutlich größere Konzerne in dem Bereich. Die Franziskaner-Kliniken mit Sitz in Münster, die Helios-Kliniken und andere.“ Und auch bei Krankenkassen gebe es zunehmend Zusammenschlüsse. „Das steigert deren Verhandlungsmacht, kleine Häuser haben da keine Chance“, prognostiziert er.