gelsenkirchen.. Notfallambulanzen sind überlastet, Patienten nutzen das Angebot zunehmend auch ohne echte Not. Gelsenkirchener Ärzte suchen eine Lösung .
Die Feuerwehr schlug bereits bei ihrer Bilanz für 2016 Alarm wegen extrem steigender Einsatzzahlen im Rettungsdienst. Jetzt wollen sich alle in der Stadt an der Notfallversorgung Beteiligten zusammensetzen, um eine praktikable, gerechte Lösung zu finden. Das Problem: Immer mehr Menschen suchen ärztliche Hilfe über den Notdienst.
Notfallambulanzen an Krankenhäusern beklagen Überlastung durch ambulante Patienten – auch zu normalen Öffnungszeiten der Praxen. Die niedergelassenen Ärzte klagen auf der anderen Seite, dass dies für sie keineswegs eine Entlastung sei, sie vielmehr dennoch die Zeche zahlen, die Notfallpraxen an den Krankenhäusern besetzen müssen und Hausbesuche machen. Und das für zu geringe Entlohnung.
Zwei-Minuten-Diagnose für die Einordnung
Als ein Schritt zur Lösung des Problems war eine neue Richtlinie gedacht, nach der Klinikärzte in einer zweiminütigen Kurzdiagnose entscheiden sollen, ob ein Notfallpatient tatsächlich ein medizinischer Notfall ist. Nach Auffassung des Marburger Bundes, in dem vor allem Klinikärzte organisiert sind, ist das ein unethisches Vorgehen, weil in dieser Zeit kaum zu entscheiden sei, was sich hinter unspezifischen Beschwerden wie Schwindel oder Herzrasen verbirgt.
Die Gründe, warum Patienten zunehmend in Notfallpraxen drängen, sind vielfältig. Einig sind sich alle Beteiligten, dass ein großer Teil keine „echten“ Notfälle sind. Der Wunsch nach (vermeintlich) umfassenderer Diagnostik in der Krankenhausambulanz als beim Hausarzt oder in der Notdienstpraxis, die entfallende Wartezeit auf einen Termin, die Unkenntnis der Notfallnummer 116117 für den Notdienst der niedergelassenen Ärzte — all dies sind Ursachen für überlastete Krankenhausambulanzen.
Mancher „Notfall“ hat den Koffer schon gepackt
Auch die Feuerwehr hat im Rettungsdienst die Erfahrung gemacht, dass Menschen den Notdienst missbrauchen. Simon Heußen, Leiter des Rettungsdienstes der Feuerwehr: „Da kommt der Notruf über 112 und die Anrufer sprechen von Brustschmerzen und Übelkeit. Da müssen wir reagieren. Und dann kommt der Rettungswagen, und der Kranke steht mit gepacktem Koffer an der Tür.“ Am Telefon zu entscheiden, ob der Anrufer einen Rettungswagen braucht oder nicht, sei in der Leitstelle nicht möglich, so Heußen. Erst recht nicht, wenn die Stichwörter fallen, die Schlaganfall oder Herzinfarkt signalisieren könnten. Fest steht: Die Zahl der Einsätze im Rettungsdienst steigt deutlich stärker, als die demographische Entwiclung erklären kann. Die Feuerwehr stockt aufgrund des Anstiegs auch den Fuhrpark auf. Wenn das St. Josef-Hospital in Buer schließt, soll es auf jedenfall trotzdem weiterhin eine dritten Standort für den Notarzt geben, von dem aus Horst gut erreichbar ist. Jener Standort könnte aber auch in Heßler an der neuen Wache angedockt sein.
Modellprojekt in Gelsenkirchen aufbauen
Bei einer Podiumsdiskussion mit Marburger Bund, Bezirks-Ärztekammer-Vorsitzendem Dr. Arnold Greitemeier, dem Bezirksvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung, Dr. Klaus Rembrink, sowie der Feuerwehr im Schloss Horst ging es darum, gemeinsam eine Lösung zu finden. Ein Gelsenkirchener Modellversuch zur optimalen Notfallversorgung mit gerechter Entlohnung, vernetztem System mit Kliniken und Niedergelassenen, in dem Patienten angemessen versorgt werden, ist das Ziel, das über einen Innovationsfonds finanziell ermöglicht werden soll. Ein zu lösendes Problem dabei auch: Sollen Fachärzte wie Neurologen mit in den allgemeinen Notdienst eingebunden werden oder soll es eigene fachärztliche Notdienste geben und wer finanziert die wie. Ein entsprechender Arbeitskreis soll – unter Einbindung des städtischen Gesundheitsreferates und eventuell der Gesundheitskonferenz– gegründet werden.
Notfallpraxen der Niedergelassenen in Nord und Süd
>>> Notfallpraxen
außerhalb üblicher Sprechzeiten sind am Marienhospital Ückendorf und am Bergmannsheil Buer angesiedelt. Sie werden von niedergelassenen Ärzten besetzt und sind unter 116 117 erreichbar.
>>> Die 112 ist nur für Notfälle gedacht, die sofortige Hilfe benötigen. 24 000 Mal rückten im Vorjahr hier die Rettungswagen aus. Hält der aktuelle Trend an, werden es 2017schon 26 000 sein.