Gelsenkirchen. . Wie bereiten sich Schüler in Gelsenkirchen auf die Wahlen vor? Ein Besuch im Max-Planck-Gymnasium und in der Gesamtschule Ückendorf.
- Das Thema Wahlen steht in der Sekundarstufe I auf dem Lehrplan, im Wahljahr auch in der Oberstufe
- Gesamtschule Ückendorf wird auch den Wahl-O-Mat zur Orientierung einsetzen
- Am Max-Planck-Gymnasium wünschen sich die Schüler konkretere Antworten von den Kandidaten
Im Grundkurs Sozialwissenschaften des Jahrgangs 12 an der Gesamtschule Ückendorf steht eigentlich gerade ein ganz anderes Thema auf dem Plan: die Konjunkturpolitik. Wahlen sind Stoff für die Sekundarstufe I, und zwar im Jahrgang 8 und 9.
Serdar (18) findet das auch völlig richtig: „Man muss ja früh anfangen, sich zu informieren.“ Er will die CDU wählen, weil die nur die Menschen einreisen lassen möchten, die es wirklich nötig haben. Elif (18) wird ihr Kreuz vermutlich auch bei den Christdemokraten machen. Weil die für das Bafög seien und wegen der Steuern.
Bildung muss es für alle umsonst geben
Bildung muss umsonst sein, meint Serdar. Den Einwand, dass die CDU aber die Studiengebühren wieder einführen will, lässt er nicht gelten. Das sei in Ordnung, helfe, die Universitäten besser auszustatten. Und Büsra (20) ergänzt: „Wenn man für das Studium bezahlen muss, macht man sich mehr Gedanken darüber, was man studieren möchte, was das Richtige ist. Und bricht nicht so schnell ab.“ Zeinab (17) schätzt die Grünen, der Umweltpolitik wegen. Und man müsse auch genau sehen, wer Talente am besten fördern will.
Informationsquelle ist das Internet
Als Informationsquelle nutzen alle hier vor allem das Internet. Schlagzeilen, die auf dem Smartphone einlaufen, Zeeshan (17) hat auch Nachrichten-Apps installiert, andere haben auch schon mal auf die Internet-Seiten der Parteien geschaut oder die Wahlkampfstände auf den Straßen genutzt. Die Gelsenkirchener Kandidaten weiß keiner, nur ein Schüler kennt überhaupt jemanden, der sich für eine Partei engagiert – und der nerve, mache eher Gegenwerbung, findet Atakan. Wenn es allerdings in der Schule selbst eine Diskussions- und Informationsrunde mit Parteienvertretern gäbe: Daran würden sie gern teilnehmen, versichern die meisten. Ohnehin: Auf ihr Wahlrecht verzichten will nur Aleyna. Die anderen beteuern, sich noch zu informieren und dann wählen zu gehen.
Überraschung beim Wahl-O-Mat
Yassin (17) fordert noch mehr Informationsmöglichkeiten im Internet. Lehrer Robert Kamperhoff will Letzteres gern anbieten. Wenn am 24. April der Wahl-O-Mat im Internet freigeschaltet wird, wird er seinen Kurs den Test mitmachen lassen: „Das habe ich schon mal mit Schülern aus der 13 gemacht. Mit erstaunlichen Ergebnissen.“ So wurden vielen aufgrund ihrer Antworten beziehungsweise Einstellungen eine Nähe zu rechten Parteien bis hin zur NPD attestiert. Dabei haben fast alle einen Migrationshintergrund. „Das hängt mit der Fragestellung im Wahl-O-Mat zusammen“, erklärt Kamperhoff, der die Ergebnisse natürlich besprechen wird.
Und was wünschen sich die Schüler konkret von Politikern? „Einen Englisch-Leistungskurs statt nur Deutsch und Türkisch“ fordert Yassin, der seine Schule ansonsten in höchsten Tönen lobt. Funktionierende Fenster, Tafeln und Toiletten an ihrer Schule bevor andere eine Hightech-Ausstattung bekommen, fordert Büsra.
Diskussionsrunde mit Politikern am Max-Planck
Man muss kein Wähler sein, um sich stark für Politik zu interessieren. Das haben jetzt Jugendliche des Max-Planck-Gymnasiums in Buer bewiesen. Die Zehnt- und Elftklässler haben am Dienstagmorgen Gelsenkirchener Landtagskandidaten zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, damit sie die Wahlprogramme ihrer Parteien und ihre eigene Meinung als Politiker vorstellen können. Die Schüler freuen sich auf die Diskussion mit Susanne Cichos (FDP), Sascha Kurth (CDU), Bettina Peipe (Linke), Jürgen Prekel (Grüne) und Sebastian Watermeier (SPD). Lediglich Jan Preuß (AfD) wird mit Buhrufen empfangen. Abiturienten organisieren zudem einen spontanen Protest gegen Preuß’ Partei.
Politische Überzeugung steht schon auf dem T-Shirt
Einige Schüler tragen ihre Überzeugungen als Shirt-Aufdruck: Kein Mensch ist illegal oder Kein Bock auf Nazis. Dementsprechend wollen viele über Integration sprechen, zunächst stellen die Moderatorinnen jedoch Fragen zur Bildungs- und Arbeitspolitik.
Bereits bei der ersten Frage, wie Parteien und Kandidaten zum Abitur nach acht oder neun Jahren stehen, zeigt sich den Zuhörern deutlich, dass persönliche Meinungen hinter Fraktionsbeschlüssen zurückstehen müssen. „Ich bin gegen G8 auf die Straße gegangen“, sagt Sebastian Watermeier. Seine Partei fordere jedoch eine Wahlmöglichkeit für Schüler und Eltern nach der zehnten Klasse. „Das führt dazu, dass sich G9 wieder durchsetzen wird“, hofft er.
Familie und Beruf müssen vereinbar sein
Dass im Wahlkampf längst nicht immer nur Landesthemen eine Rolle spielen, lernen die Schüler bei der Diskussion um den Arbeitsmarkt in Gelsenkirchen. So wünschen sich alle Kandidaten Wirtschaftswachstum, doch wo Kurth und Cichos Bürokratieabbau fordern, geißelt Peipe Hartz IV und Leiharbeit, klare Bundesthemen. Und Prekel rechnet mit der Kohle- und Stahlindustrie ab.
Schülerinnen wünschen sich, dass sie Familie und Beruf unter einen Hut bringen können und dass sie später für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn bekommen wie Männer. Als Mutter zuhause zu bleiben, um die Kinder aufzuziehen, wollen sie nicht und mögen daher die Idee, kostenloser Kitas.
„Oft waren die Antworten leider zu unkonkret“
Dass in Gelsenkirchen Flüchtlinge leben, unterstützen sie, lehnen aber ab, dass Menschen abgeschoben werden, die sich integriert haben, nur weil der Krieg, der sie vertrieben hat, beendet ist.
Antonia und Leon (beide 15) ziehen ihr Resümee: Sie finden gut, dass die Parteien ihre Kernpunkte darstellten. „Oft waren die Antworten aber leider unkonkret und am Thema vorbei.“ Ihre Einstellungen wurde nicht umgestoßen, sondern gefestigt. Für Antonia bleibt die Forderung: „Ich würde gerne zur Wahl gehen, weil ich über die Zukunft mitbestimmen möchte.“