Gelsenkirchen. Zwei Autodidakten mit türkischen Wurzeln entdeckten für sich das Geschäftsfeld Fahrrad. Vom Tüftler wurden sie zu Experten. Und beide zog es in die Altstadt.

Ismail Özdemir strahlt. Er hat ein großes Etappenziel erreicht. Auf einer Fläche von 320 Quadratmetern dreht sich an der Hauptstraße 9 bei „Ruhrstadt Fahrräder“ alles ums Rad. Der 45-Jährige hatte bisher einen Laden gegenüber, wagt jetzt den großen Schritt. Auf 260 Quadratemeter Verkaufsfläche stehen die neusten Modelle in Reih und Glied. Im hinteren Bereich ist Platz für Werkstatt und Büro.

Bisher war die Innenstadt nur stiefmütterlich mit Fachgeschäften für Radfahrer versorgt. Ismail Özdemir, der selbst leidenschaftlicher Radfahrer ist, hat erkannt, dass dem Zweirad die Zukunft gehört. „Die Menschen sind unabhängiger in der Stadt und können die Natur noch besser kennenlernen.“ Zur Natur hatte der 45-Jährige, der in Witten geboren ist, schon immer eine enge Beziehung. „Ich bin gelernter Gartenbauer. Die Liebe zum Rad habe ich entdeckt, nachdem mein Vater mir eine Rennrad geschenkt hatte.“ Mit Kumpeln besorgte er sich beim Klüngelskerl Einzelteile und setzte Fahrräder im Eigenbau zusammen. Mehr und mehr entwickelte er sich zum Zweiradexperten. Mit seinem Wissen konnte Ismail Özdemir auch die IHK überzeugen, als er sich zum Meisterkurs anmelden wollte. Denn ohne Gesellenbrief ist in der Regel auch der Weg zum Meister versperrt. Er überzeugte mit seinen Kenntnissen. Im nächsten Monat beginnt sein Meisterkurs in Münster. Ein Mitarbeiter und Ehefrau Melahat werden den Kunden in seiner Weiterbildungszeit ständig zur Verfügung stehen.

Immer mehr Menschen steigen aufs Rad

„Ich werde immer abends nach dem Rechten sehen und samstags auch da sein.“ Sein Ziel ist es, Nachwuchs auszubilden. Er könnte mit einer Ausnahme nach der „Altgesellenregelung“ eventuell schon in diesem Jahr die ersten Auszubildenden zum Zweiradmechatroniker einstellen. Er ist sicher, dass immer mehr Menschen aufs Rad steigen werden und damit auch das erforderliche Wissen um Technik, Markenvielfalt und Trends zunehmen müsse. Neben Trekking- Cityrädern oder Mountainbikes hat er auch 30 E-Bikes im Angebot. Die Technik, die in motorunterstützten E-Bikes steckt, ist mit ein Grund, warum aus früheren Mechanikern jetzt Mechatroniker werden.

© Michael Korte

Warum sieht man hier selten türkische Landsleute auf dem Fahrrad? „In der Türkei“, weiß der 45-Jährige, fehlen Radwege.- Und sich als Radfahrer auf der Straße in den Verkehr einzufädeln sei lebensgefährlich. Doch vom Rad-Trend ließen sich in Gelsenkirchen mittlerweile auch junge Türken anstecken. Für Ismail Özdemir ein längst noch nicht erschöpftes Kundenpotential. Ins Schwärmen gerät, wenn er über alte Schätzchen aus den 40er Jahren erzählt. Zu einer Sammlung hat er es bereits gebracht. Ismail Özdemir ist überzeugt, dass der Standort richtig gewählt ist. Es gehöre mehr Leben in die Hauptstraße. „Wenn alle anpacken, können wir es schaffen, den Bereich weiter zu beleben.“

Als Autodidakt zum Fachmann für Fahrräder

Ebenfalls die Innenstadt sieht Mesut Dennis Barke als ideale Anlaufstelle für Radfahrer. Er hat sein Geschäft an der Bismarckstraße aufgegeben und im letzten Jahr mit „Interrad“ ein Ladenlokal an der Kirchstraße 4 bezogen. Auch der 33-Jährige hat sich als Autodidakt zum Fachmann für Fahrräder entwickelt. Zur Seite stand ihm Vater Coskun Yildiray (56), der 15 Jahre lang als Schlosser auf der Zeche gearbeitet hatte. Schon in Bismarck tüftelte er mit gebrauchten Teilen und stellte eigene Fahrrad-Kreationen zusammen. „Wir müssen immer im Auge haben, wie tief Kunden, denen es nicht so gut geht, in die Tasche greifen können“, sagt Mesut Barke. Der 33-Jährige glaubt, mit Unikaten aus flippigen Farben, mit neuem Design und älterer Technik Geschmack und schmale Finanzkraft der Kunden gut miteinander verbinden zu können. Besondere Unterstützung bietet das Team Radlern an Sonn- und Feiertagen auf der Erzbahntrasse an. Mesut Barke: „Bei schönem Wetter stehen wir für einen kostenlosen Service bereit.“