Gelsenkirchen. WAZ begleitet die Feuerwehrmänner Heiko Schilling und Sascha Ahrweiler auf dem Rettungswagen. Einblick in den Alltag zweier Notfallsanitäter in Gelsenkirchen.

Leben und Tod liegen dicht beieinander an diesem Tag auf der Feuerwache I in Gelsenkirchen. Hier an der Wildenbruchstraße versehen Heiko Schilling (44) und Sascha Ahrweiler (41) gemeinsam ihren 24-Stunden-Dienst. Die beiden ausgebildeten Notfallsanitäter, Familienväter, bilden ein Team bei der Berufsfeuerwehr, das im Ernstfall Bürgern zu Hilfe eilt.

Heiko Schilling (l.) und Sascha Ahrweiler bereiten die automatische Liege vor. Das hochmoderne Gerät kostet gut 30.000 Euro.
Heiko Schilling (l.) und Sascha Ahrweiler bereiten die automatische Liege vor. Das hochmoderne Gerät kostet gut 30.000 Euro. © Foto: Martin Möller / Funke Fot

Es ist ein warmer Morgen. Und ein sonniger noch dazu nach all den Tagen mit dem leidigen Starkregen. Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass es im Rettungsdienst zunächst „ungewöhnlich ruhig“ zugeht, wie die beiden finden.

Die Ruhe wird um 9.55 Uhr jäh unterbrochen, der (Funk-)Alarm schrillt markerschütternd. Einsatz Nummer eins: Cura Seniorenzentrum, Leithestraße. Eine ältere Dame blutet unaufhörlich aus der Nase. Sie muss ins Krankenhaus.

Mappe des Seniorenheims als Hilfe

Sascha Ahrweiler gibt Vollgas, es rummst beängstigend im Fond des neuen Rettungswagens (Rtw), der sich heulend Platz auf den Straßen verschafft. Neben dem Gurt entpuppt sich ein Halte- als echter Glücksgriff – um die Fahrt auf und nicht neben dem Sitz zu erleben.

Drei Minuten später sind Ahrweiler und Kollege Heiko Schilling am Ziel. Sie nehmen die Vitalwerte der Seniorin auf und haben ein Auge darauf, dass „ihr Kreislauf nicht schlapp macht“. Mullbinden fangen das Blut auf, danach schieben sie die ältere Dame vorsichtig auf einer Trage in den Rtw.

In der HNO-Ambulanz des Marienhospitals verödet kurz darauf ein Arzt die Blutung, zuvor haben ihm die Notfallsanitäter die wichtigsten Fakten dargelegt: Symptome, Vorerkrankungen – also die Leidensgeschichte der Patientin (Anamnese) – die Mappe des Seniorenheims, in der alles aufgeführt ist, hilft da sowohl dem Arzt als auch den Sanitätern, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

16 Männer starkes Team

Mit dem Ablieferungsbeleg und einem ausgefüllten Einsatzprotokoll geht es um 10.39 Uhr zurück zu Wache. Die Dokumentation ist Pflicht, insbesondere, aber nicht nur, wenn ein Patient verstirbt und die Staatsanwaltschaft auf den Plan tritt, um herauszufinden, ob etwas schief gelaufen ist.

Zur Ausstattung des Rettungswagens (Rtw) gehört auch ein Defibrillator.
Zur Ausstattung des Rettungswagens (Rtw) gehört auch ein Defibrillator. © Foto: Martin Möller / Funke Fot

„Ein Löschzug mit 16 Mann ist an der Feuerwache eins stationiert“, erklärt Hauptbrandmeister Heiko Schilling auf dem Rückweg. Das heißt: Vier Rettungswagen der Feuerwehr und einer des privaten Unternehmens Falck stehen an der Wildenbruchstraße. Dazu noch Löschfahrzeug bzw. Drehleiterwagen. „Sieben bis acht Einsätze am Tag sind die Regel, mitunter auch 15 oder mehr.“ Beeindruckend: Eine Art Kleinkrankenhaus auf Rädern ist das gut 140.000 Euro teure Rettungsfahrzeug, voll klimatisiert und sogar mit einem EKG und Defibrillator ausgerüstet.

Bange Minuten

11.31 Uhr, wieder Alarm. Dieses Mal geht es um Leben oder Tod. Bei der Arbeiterwohlfahrt an der Deichstraße (Betreutes Wohnen) hat ein Sohn seine Mutter bewusstlos auf dem Boden liegend gefunden, unter Anleitung der Leitstelle am Telefon „versucht er gerade verzweifelt, die 95-Jährige zu reanimieren“, ruft Sascha Ahrweiler und springt dabei mit Heiko Schilling in den Wagen. Tragisch: Tags zuvor beim Besuch des Sohnes „war alles noch in Ordnung“.

Sechs Minuten später ist auch Notarzt Sascha Ostrowski in Bismarck zur Stelle. Er übernimmt. Bange Minuten vergehen, doch alle Heilkunst ist vergeblich. „Nulllinie“, sagt der Notarzt und wischt sich den Schweiß von der Stirn. „Kein Herzschlag mehr.“ Der Körper der greisen Frau ist bereits von Todesflecken gezeichnet.

Acht Rettungsfahrten pro Tag sind Durchschnitt

Die Polizei trifft nur wenig später ein. Weil die Todesursache unklar ist, muss eine Leichenschau abgehalten werden. Der Notarzt selbst kann keine Zeichen für ein Fremdverschulden entdecken. „Mein Job ist es, Leben zu retten und nicht zu diagnostizieren, warum und wodurch jemand gestorben ist“, erklärt Sascha Ostrowski nüchtern.

12.15 Uhr. Heiko Schilling und Sascha Ahrweiler sind zurück an der Feuerwache, machen sich und den Wagen bereit für den nächsten Einsatz. Acht Rettungsfahrten werden es am Ende der Schicht sein. „Durchschnitt“, sagen sie. Insgesamt rücken in dieser Schicht, also bis sieben Uhr am nächsten Morgen, 68 Mal die Rettungswagen in Gelsenkirchen aus. Leben und Tod dabei, ganz nah beieinander.