Gelsenkirchen. Günter Pruin ist der Fraktionsgeschäftsführer der SPD in Gelsenkirchen. In der Reihe „Sommergespräche“ äußert er sich zu lokalen Problemen und die Zusammenarbeit mit der CDU.

Städte hängen oft am Tropf des Landes oder des Bundes. Gerade finanziell schwache Kommunen wie Gelsenkirchen. Auch aus diesem Grund wird es zunehmend schwieriger, Politik für die Menschen zu machen. Genau das aber ist es, was Dr. Günter Pruin (65), der Fraktionsgeschäftsführer der SPD im Rat der Stadt, einfordert. Nicht nur von seiner Partei. Von der CDU wünscht sich der Genosse ein stärkeres Miteinander, ohne dass die Union ihre Rolle als Oppositionspartei aufgibt. Pruin wünscht sich die Rückkehr zum „Gelsenkirchener Konsens“.

Herr Pruin, wir haben Sommerferien, im Moment lacht die Sonne vom Himmel. Wie sieht es aus: Herrscht auch am Gelsenkirchener Politikhimmel eitel Sonnenschein?

Günter Pruin: Nein, das kann ich nicht behaupten. Wir Sozialdemokraten machen uns langsam ernsthafte Sorgen um die Gelsenkirchener CDU.

Warum? Sie können doch mit einer absoluten Mehrheit im Rat schalten und walten, wie Sie wollen.

Pruin: Es ist richtig, dass wir eine absolute Mehrheit haben. Das war der Wille der Wähler. Aber wir haben uns aus diesem Grunde nicht entschieden, den Weg der politischen Gemeinsamkeit in bestimmten Handlungsfeldern aufzugeben.

Was meinen Sie damit?

Pruin: Irgendwann in den letzten zwei Jahren hat es in der Wittke-CDU wohl eine Entscheidung gegeben, den konstruktiven Weg gemeinsamer Entscheidungen aufzugeben und zwar zugunsten einer Verweigerungshaltung in wesentlichen Fragen, vor allem aber im Haushalt, und zugunsten unrealistischer finanzieller Forderungen vor dem Hintergrund des Stärkungspakt-Gesetzes.

Die Teilnahme daran aber haben die Christdemokraten doch seinerzeit mit der SPD, den Grünen und der FDP gemeinsam entschieden...

Pruin:... darum ist die Haltung ja nicht nachzuvollziehen. Vor allem auch in Verbindung mit einem weiteren Punkt.

Der da wäre?

Pruin: Es gibt bei der CDU eine Entwicklung zum Schlechtreden. Sie instrumentalisiert alles rund um den Themenkomplex Sicherheit und Ordnung. Das wird dann noch garniert mit destruktiven Attacken gegen die Arbeit wesentlicher Teile der Verwaltung und unseres Oberbürgermeisters. Konstruktive Ansätze einer Kritik sind dagegen nicht zu erkennen, ein eigenständiges politisches Profil auch nicht.

Das muss die SPD doch nicht kümmern, sondern freuen.

Pruin: Da haben Sie recht, aber es wäre in der aktuellen Situation zu einfach, zur Tagesordnung überzugehen.


Also fordern die Genossen die CDU zur Zusammenarbeit auf?

Pruin: In einem bestimmten Rahmen ja, denn es geht um das Wohl Gelsenkirchens und nicht um kleinkariertes Verhalten.

Auch hier die Bitte: Erklären Sie das.

Pruin: Über Jahre hinweg haben wir, und zwar im Wesentlichen mit Unterstützung der CDU, unter der Überschrift Gelsenkirchener Konsens dafür gesorgt, dass selbst in äußerst komplizierten Haushaltslagen die Kernaufgaben unserer Stadt wahrgenommen werden konnten.

Gibt es eine politische Klammer?

Pruin: Ja, das war und ist, strategisch betrachtet, die Stadtteilerneuerung. Wir haben in den Stadtquartieren für den sozialen Zusammenhalt geworben und alles dafür getan, damit das Miteinander funktionierte. Prävention und Bildung stehen ganz oben auf unserer Agenda. Und unser Oberbürgermeister Frank Baranowski steht für Ansehen und Vertrauen in der Stadt, weit über parteipolitische Grenzen hinaus.

Was prangern Sie an?

Pruin: Mit geht es nicht um eine knallharte Auseinandersetzung und um politische Orientierungen. Das ist die legitime Aufgabe einer Oppositionspartei. Mein Problem ist, dass die CDU statt eines ausgewiesenen programmatischen Ansatzes in wesentlichen Fragen immer mehr zur Ein-Punkt-Partein wird.

Sie meinen Sicherheit und Ordnung?

Pruin: Ja! Genau damit versucht sie zu punkten und sie merkt gar nicht, wem sie damit das Feld bereitet, nämlich den Rechtspopulisten. Ich finde, es ist falsch, den Menschen in Gelsenkirchen das Bild vorzuhalten, hier nicht mehr sicher leben zu können – oder dass der soziale Friede gefährdet wäre.

Warum ist das falsch?

Pruin: Weil es so nicht ist!

„Wir müssen den Populisten das Wasser abgraben“ 

Wie nimmt die SPD denn das politische Umfeld wahr?

Pruin: Es ist schwieriger geworden. Einfache Lösungen sprechen viele Menschen an. Sie waren aber noch nie Schrittmacher für Demokratie oder Zusammenleben.

Deshalb der Wunsch nach einem Schulterschluss?

Pruin: Genau. Gerade angesichts der Themen Flüchtlinge und Zuwanderung. Viele Menschen empfinden Sorge über diese Entwicklung. Es gibt parteipolitische Angebote am rechten Rand, die sich der Sorgen und Ängste bedienen, um daraus Kapital zu schlagen.

Was muss denn getan werden?

Pruin: Wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat. Wir müssen gemeinsam dafür eintreten, dass dies die Grundlage unserer kommunalpolitischen Arbeit bleibt. Dazu gehören viele Aspekte, auch die der Sicherheit und Prävention, die Zusammenarbeit im Rahmen unserer Ordnungspartnerschaften. Wenn – auch von Politikern – so getan wird, als könnte die Stadt polizeiliche Aufgaben übernehmen, ist das falsch.

Und was ist richtig?

Pruin: Den populistischen Bestrebungen nicht nachzugeben. Kommunalpolitik ist nicht so einfach, auch wenn die großen Vereinfacher uns das so erklären.

Was meinen Sie damit genau?

Pruin: Wir haben uns etwa durch eine bewusste Willkommenkultur unserer Verantwortung gestellt. Klar ist aber auch, dass wir Leitplanken brauchen, die das Zusammenleben regeln. Es ist unsere Aufgabe, die der Kommunalpolitik, die Stadt differenziert zu betrachten und nicht alle Probleme in einen Topf zu werfen. Ganz klar: Wir müssen alles dafür tun, um den Populisten das Wasser abzugraben.

Und das will die SPD gemeinsam mit anderen tun. Etwa mit der CDU?

Pruin: Ja. Wir fordern die CDU als zweitstärkste Partei in Gelsenkirchen auf, ihrer Verantwortung für die Stadtgesellschaft gerecht zu werden. Sie soll aufhören mit dem permanenten Nörgeln.

Das ist eine große Bitte in Richtung einer Oppositionspartei.

Pruin: Mag sein. Aber in den Ausschüssen gibt es eine klare Unterstützung durch die CDU, nur in den öffentlichen Erklärungen nicht.