Gelsenkirchen. Ausstellung im Grafikkabinett dokumentiert das Elend und Leiden fern der Heimat.

Zwei Frauen hocken an einem Fluss, ihre Blicke gehen ins Leere. Die Gesichter spiegeln Hoffnungslosigkeit, Resignation und Verzweiflung wider. „An fremden Ufern“ titelt Künstler Eduard Bischoff seinen 1958 entstandenen Holzschnitt und gibt damit eine Stimmung wieder, die auch heute viele Menschen „Fern der Heimat“ trifft. Unter diesem Motto zeigt das Grafikkabinett im Kunstmuseum Gelsenkirchen eine kleine, aber feine Ausstellung von Papierarbeiten zum Thema Flucht.

Zu sehen sind Werke aus der eigenen, rund 3000 Blätter umfassenden Grafiksammlung. Die Schau zeigt Beispiele unterschiedlicher Techniken vom Linolschnitt über die Kreidelithographie bis hin zum Farbholzschnitt. Entstanden sind die Arbeiten im Zeitraum von 1917 bis 1958.

Aus dem Depot geholt

Konzipiert und kuratiert wurde die Grafikschau von Anna Niehoff, Studentin der Kunstgeschichte in Bonn und freie Mitarbeiterin des Kunstmuseums. Die 27-Jährige aus Castrop-Rauxel betreut zurzeit die Digitalisierung der Grafiksammlung, die erst kürzlich konservatorisch gesichtet und fotografiert worden war und kennt sich somit gut aus in der Sammlung.

Die für die Ausstellung von ihr ausgewählten Werke bekamen ein Passepartout und einen Rahmen. Museumschefin Leane Schäfer freut sich über die Auswahl: „Es sind Blätter dabei, die schon sehr lange nicht mehr ausgestellt waren.“

Die Werke erzählen von unterschiedlichen Folgen von Flucht und Krieg. „Weltweit“, weiß Anna Niehoff, „befinden sich derzeit über 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Spätestens seit dem vergangenen Jahr ist das Thema Flucht medial und politisch allgegenwärtig.“ Nun also auch im Kunstmuseum.

Das Bild von Heinrich Wilthelms zum Beispiel erinnert an eine der ältesten und bekanntesten Fluchten, die biblische nämlich von Josef und Maria nach Ägypten. Diese frühe und so bekannte Vertreibung bildet auch das zentrale Bild der Ausstellung.

Zeugnis vom Militärdienst des Künstlers

Andere Künstler wie Eduard Bischoff oder Heinrich Vogeler verarbeiten eigene Fluchterlebnisse in ihren Werken. Bischoff erlebte 1945 die Vertreibung aus seiner Heimat Ostpreußen. In seinen Holzschnitten verarbeitet er sehr eindrücklich und berührend das Leiden und die Strapazen der Menschen, die alles hinter sich lassen mussten.

Zwei Arbeiten von Heinrich Vogeler, den die Kunstwelt vor allem als Vertreter des Jugendstils kennt, geben Zeugnis vom Militärdienst des Künstlers an der Ostfront während des Ersten Weltkriegs. Die Lithographien zeigen ein verlassenes Dorf mit einem toten, ausgemergelten Pferdekadaver im Vordergrund und rastende Flüchtlingstrecks.

Vom Leid der Mutter in Zeiten des Krieges erzählen Werke von Käthe Kollwitz oder Tisa von der Schulenburg. Ob dokumentarischer Charakter, religiöser Ansatz oder Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit: „Allen gezeigten Künstlern gelingt es, das leidvolle Motiv der Flucht glaubwürdig darzustellen“, sagt die Kuratorin.

Die Ausstellung „Fern der Heimat – Arbeiten auf Papier zum Thema Flucht“ ist bis zum 18. September im Grafikkabinett des Kunstmuseums, Horster Straße 5-7, zu sehen. Gezeigt werden Werke von sieben Künstlern.

Das Museum ist dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.