Gelsenkirchen. . Vor acht Monaten flüchtete er ohne Eltern aus Syrien nach Deutschland, im August wechselt Mohamad (16) in eine Regelklasse auf dem Schalker Gymnasium.

Mohamad Akkour ist 16 Jahre jung und sieht aus wie ein ganz normaler Teenager. Abgesehen davon, dass er fröhlicher und freundlicher wirkt als viele andere in diesem „schwierigen“ Alter. Dabei hätte gerade er mehr als genug Gründe, mit der Welt zu hadern. Seine Eltern und die drei Schwestern leben noch im syrischen Aleppo. Wie es ihnen aktuell geht, weiß er nicht. Er ist mit seinen älteren Cousins nach Deutschland geflüchtet, lebt mit ihnen jetzt in Gelsenkirchen-Horst. Aber Mohamad Akkour ist entschlossen, sein Leben zu meistern. Und wer ihn sieht, ist überzeugt, dass er es schaffen wird.

Im Oktober kam er über die Türkei nach Deutschland. Als er ankam, sprach er kein Wort Deutsch. Heute kann er einer normalen Unterhaltung ohne große Schwierigkeiten folgen, spricht fließende Sätze und hat schon ein Referat gehalten am Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium, wie er stolz verkündet. Am AvD hat er bis jetzt eine Internationale Förderklasse besucht. Nach den Sommerferien wechselt er in eine Regelklasse am Schalker Gymnasium, in eine 10. Klasse. „Dort habe ich ein Jahr mehr Zeit. Das möchte ich nutzen, um einen guten Abiturschnitt zu bekommen,“ erklärt Mohamad. In Syrien lag sein Notenschnitt bei 1,4, das will er hier auch schaffen. Um Medizin studieren zu können. Zahnarzt oder Allgemeinmediziner will er werden.

Schon beim ersten Gespräch fiel sein Wissensdurst auf

Die Karteikärtchen mit den Vokabeln hängen überall: Mohamad hat beim Deutschtraining den Turbo eingelegt.
Die Karteikärtchen mit den Vokabeln hängen überall: Mohamad hat beim Deutschtraining den Turbo eingelegt. © FUNKE FotoServices

Unterstützt wurde Mohamad bislang von Suendes Karaoglu von der Fachstelle für „unbegleitete minderjährige Ausländer“. 200 ausländische Jugendliche leben derzeit ohne Erziehungsberechtigte in der Stadt und werden betreut. Mohamad fiel der Pädagogin aber schon bei den ersten Besuchen auf: „Er fragte nach dem Namen seiner künftigen Schule: um sie zu googlen und sich über sie zu informieren. In seinem Zimmer hatte er rund um sein Bett bunte Kärtchen liegen. Karteikärtchen mit Vokabeln auf Arabisch und Deutsch. Unglaublich.“ Wenn Mohamad im August aufs Schalker wechselt, wird Ena Shaw, pädagogische Fachkraft des Sozialdienstes Schule, sich um ihn kümmern. Zum ersten Treffen mit ihr kam Oberbürgermeister Frank Baranowski gleich mit, den die Geschichte des Jungen faszinierte. Baranowski wollte ihn kennenlernen und wissen, wie gut ihm in Gelsenkirchen geholfen wurde, wo es hakt, wo es rundläuft.

„In Syrien wartet man ein Jahr auf einen Termin mit dem Bürgermeister“

Arabisch-Deutsch: schon die Schrift lässt Unkundige schwindeln.
Arabisch-Deutsch: schon die Schrift lässt Unkundige schwindeln. © FUNKE FotoServices

Im Wohnzimmer von Mohamad und seinen Cousins fragt er den Jungen nach seinen Zielen und Interessen. Mohamad ist etwas nervös: „In Syrien wartet man ein Jahr auf einen Termin mit dem Bürgermeister. Hier kommt er von ganz allein zu mir.“ Fußball: das spiele er hier mittlerweile im Verein in Buer, antwortet er auf die Frage nach seinen Lielblingsbeschäftigungen in der Freizeit. In Syrien habe er auch gespielt. Aber dort habe er „nur aus Spaß“ gespielt.

In den Ferien will er im Altenheim und im Sprachcamp helfen

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Die Ausrüstung hat er über das Bildungs- und Teilhabepaket finanziert bekommen, den Computer bekam er als Spende. Das Schokoticket für die Fahrten zum Schalker Gymnasium ist auch bereits gesichert.

Ansonsten verbringt Mohamad viel Zeit mit damit, Deutsch zu lernen. Nach der Schule besuchte er von Anfang an noch einen zusätzlichen Deutschkurs. In den Ferien will er ehrenamtlich in einem Altenheim helfen, außerdem im Sprachfördercamp Zweit- und Drittklässler unterstützen. Zu den Problemfällen des Sozialdienstes Schule wird Mohamad voraussichtlich nicht zählen. . .