Gelsenkirchen. . Vier Gelsenkirchener überqueren in sechs Etappen die Alpen. Nach dem sechsten Tourentag hat die Truppe 81 Kilometer und 5215 Höhenmeter hinter sich.

Udo Thiel gerät ins Schwärmen, in seinen Erinnerungen taucht immer wieder die faszinierende Bergwelt der Alpen, die Flora und Fauna jenseits von zweitausend Meter Höhe auf. Gemeinsam mit anderen hat er den zehn Kilogramm schweren Rucksack geschultert, in sechs Etappen die Alpen von Deutschland bis Italien überquert. Geführt wurde die Truppe der zehn Hochgebirgswanderer von dem erfahrenen Gelsenkirchener Wanderführer Christoph Werntgen.

Als Udo Thiel von der geplanten Alpentour erfuhr, wuchs die Sehnsucht, die beeindruckende Kulisse bizarrer Berggipfel und saftiger Wiesen noch einmal genießen zu können. Denn vor 39 Jahren hatte er als Student die Berge schon einmal bezwungen. „Damals war ich sehr naiv, hatte mir einen Rucksack gekauft und war einfach losgelaufen. Ich war zwar jung, aber nicht fit.“ Unvorbereitet wollte er sich nicht mehr in die Berge trauen. „Ich trainierte hier auf unseren Halden, lief sie rauf und runter, hatte die Himmelsleiter mindestens 15 Mal im Trainingsprogramm.“ Dennoch blieben leichte Bedenken, ob er mit 62 Jahren die Herausforderung, in ungewöhnlichen Höhen unterwegs zu ein, meistern würde.

Das Wanderführerteam Christoph Werntgen aus Gelsenkirchen und Renate Steinacher aus Salzburg
Das Wanderführerteam Christoph Werntgen aus Gelsenkirchen und Renate Steinacher aus Salzburg © Christoph Werntge

Spätestens nach der ersten Etappe von der Spielmannsau in Oberstdorf bis zur Kärntner Hütte waren die Bedenken beseitigt. Murmeltiere hoppeln auf den Alpenwiesen, in Wasserfällen rauscht das Wasser tosend ins Tal. Eine beeindruckende Kulisse. Mit zehn Kilo auf dem Rücken sind die ersten 6,7 von 81 Kilometern geschafft. 880 Höhenmeter hat sich die Mannschaft nach oben gearbeitet.

Die Wandergruppe: links Udo Thiel, stehend neben dem Grenzschild Renate Steinacher/Wanderführerin, rechts Christoph Werntgen, der Wanderführer.
Die Wandergruppe: links Udo Thiel, stehend neben dem Grenzschild Renate Steinacher/Wanderführerin, rechts Christoph Werntgen, der Wanderführer. © Christoph Werntgen

Vertrauen in die Wanderführer

„Man fällt ins Bett, ist nur noch platt“, erinnert sich der pensionierte Diplomingenieur an den ersten Abend. Zeit und vor allem Energie für viele Gespräche ist kaum vorhanden, ab zehn Uhr ist Hüttenruhe angesagt. Kurz vor sechs Uhr geht’s am anderen Morgen aus den Federn im Gemeinschaftsschlafraum. Ein nicht allzu üppiges Frühstück, und um kurz nach sieben macht sich die Truppe auf zur zweiten Etappe. Auf dem Weg zur Memminger Hütte tauchen die typischen rot-weiß gepinselten Wegmarkierungen auf. Man befindet sich in der österreichischen Bergwelt. Steinböcke thronen majestätisch auf den Bergzinnen, Alpensalamander flitzen über das heiße Gestein. Fast ehrfürchtig betrachten die Alpinisten die steinernen Formationen der Bergkulisse. Ihre Tagesleistung: 14,1 Kilometer und 1032 Höhenmeter.

Am dritten Wandertag bekommt der 62-Jährige die Vielfalt in der Bergwelt zu spüren. „Zunächst erleben wir einige Rutschpartien im Schnee, während später im Tal der Bach bei sommerlichen Temperaturen für Abkühlung sorgt. Auch seine Tücken offenbart das Hochgebirge. Auf dem Weg zur Braunschweiger Hütte verliert Udo Thiel im Tiefschnee den Halt und bricht ein, den schweren Rucksack auf dem Rücken. „Ich war total fertig, 900 Höhenmeter hatten wir bereits hinter uns. Und das Ziel war noch nicht erreicht. Doch brenzlig“, sagt Udo Thiel, „wurde es nie. Und wenn wir mal richtig kraxeln mussten, halfen Seile als zusätzliche Sicherheit. Wir konnten uns auf unsere Wanderführer Christoph und Renate verlassen.“

Geschafft: Nach jeder erfolgreich absolvierten Etappe klatschen sich die Teilnehmer ab – ein lieb gewordenes Ritual mittlerweile. Links Udo Thiel (62).
Geschafft: Nach jeder erfolgreich absolvierten Etappe klatschen sich die Teilnehmer ab – ein lieb gewordenes Ritual mittlerweile. Links Udo Thiel (62). © Christoph Werntgen

Teilnehmer waren gut vorbereitet

Die verschiedenen Gesichter der Berge aus Schnee und extremer Hitze faszinierten den 62-Jährigen. Und wenn die Muskeln mal zwickten, regenerierte sie bald darauf bei einer Abkühlung im eisigen Gebirgsbach. Nach jeder Etappe klatschten sich die Alpenwanderer ab, glücklich, ihr Ziel erreicht zu haben.

Nach dem sechsten Tourentag hat die Truppe 81 Kilometer und 5215 Höhenmeter hinter sich. Für Udo Thiel steht fest, dass es nicht sein letztes Abenteuer in der Bergregion war. Er ist fast sicher, dann erneut der Älteste zu sein, der die Berge erneut bezwingen will.

Wanderführer Christoph Werntgen hatte die Teilnehmer gut vorbereitet. Vier Gelsenkirchener befanden sich im Team. Udo Thiel war sogar zwei Tage vorher nach Oberstdorf gereist, um sich vorzubereiten. Werntgen plant bereits den nächsten Trip. Vom 22. bis 25. September will er zur Tour rund um den Watzmann aufbrechen. Kontakt: christoph@wandererlebnis.guide

© Christoph Werntgen