Gelsenkirchen. Mit seinen bald 90 Lenzen und einer 70-jährigen Mitgliedschaft war Kurt Schinschick der Superjubilar. Gelsenkirchener Bürgermeisterin Martina Rudowitz mahnte Solidarität und Zusammenhalt an.
Der 11. Juni war nicht nur der „Tag der Bundeswehr“, für die Gelsenkirchener IG Metall war dieser Samstag vor allem der „Tag der Metaller und Metallerinnen“ (wie es im gender-korrekten Deutsch heißen muss). Aus diesem Anlass wurden im Sportzentrum Schürenkamp 822 Jubilare für ihre langjährige Mitgliedschaft geehrt. Gekommen waren allerdings nur 342.
Wo die anderen seien, wisse er nicht, sagte Robert Sadowsky, erster Bevollmächtigter der IG Metall Gelsenkirchen. Die meisten hätten aber vorher abgesagt. Geehrt wurden 312 Jubilare für ihre 25-jährige, 234 Jubilare für ihre 40-jährige, 142 Jubilare für ihre 50-jährige, 97 Jubilare für ihre 60-jährige und 37 Jubilare für ihre 70-jährige Mitgliedschaft.
Kritik an Arbeitsplatzvernichtung
Angesichts abwandernder Industrie und Gewerbebetriebe kritisierte Sadowsky in einer energischen Rede das Wirtschaftssystem in Deutschland. Er sagte: „Wir müssen es den Kapitalisten so teuer wie möglich machen, wenn sie Arbeitsplätze vernichten.“ Er gestand jedoch ein, dass die Einflussmöglichkeiten von Gewerkschaften gering seien.
Bürgermeisterin Martina Rudowitz mahnte ihrerseits Solidarität und sozialen Zusammenhalt an. Ohne Gewerkschaften sei es schlecht um den Sozialstaat bestellt. In dem Zusammenhang erinnerte sie an den Kampf der Gewerkschaften gegen prekäre Arbeitsplätze, Leiharbeit und ungerechte Arbeitszeitregelungen. „Gewerkschaften sind mehr als nur Tradition“, bekräftigte sie.
Dann spielte das Mandolinen-Orchester Fidelitas Günnigfeld. Seine zarten Töne besänftigten den Groll, bevor Jörg Hofmann, erster Vorsitzender der IG Metall, die „hässliche Seite der Globalisierung“ ins Visier nahm. Der Stahlindustrie in Europa beschied er keine rosige Zukunft. Dagegen müsse die IG Metall angehen. Der folgende Auftritt der Internationalen Show-Tanzgruppe der Hasseler Schreberjugend versöhnte die Augen. Später spielte die Rockband „Mottek“.
Viele Mitarbeiter "nach Duisburg ausgelagert"
Mit seinen bald 90 Lenzen und einer 70-jährigen Mitgliedschaft bei der IG Metall war Kurt Schinschick der Superjubilar unter den Geehrten. Sein Eintritt 1946 sei „eine Selbstverständlichkeit“ gewesen, erinnerte sich der weißhaarige Mann. „Ich wollte Sicherheit und Gemeinschaft.“ Doch um ein Haar wäre es dazu nicht gekommen. Zum Marinesoldaten in Cuxhaven ausgebildet, war er – wie viele Marine- und Luftwaffenangehörige – nach der gescheiterten Ardennenoffensive im Dezember 1944 – im Raum Aachen am Boden eingesetzt. Auf der Ruhrbrücke in Düren wurde er später verletzt und kam ins Lazarett: Kniedurchschuss durch Granatsplitter. Dann wurde er bei einem Bombenangriff verschüttet, überlebte nur knapp.
Nach dem Krieg arbeitete Schinschick wieder beim Schalker Verein, wo er 1942 eine Lehre begonnen hatte. In den letzten drei Jahren bis zum Ruhestand 1984 war er dort Vorsitzender des Betriebsrats. Als Bravourstück der IG Metall Gelsenkirchen erinnerte er an die Aushandlung eines Sozialplans mit dem Schalker Verein nach der Explosion eines Hochofens 1982, in Folge dessen viele Mitarbeiter „nach Duisburg ausgelagert“ worden seien.