Mülheim. Fast jeder von uns trägt täglich Steine in der Gallenblase oder in den Nieren mit sich herum, von denen er gar nichts merkt. Doch erst, wenn sie auf „Wanderschaft“ gehen und Wege verstopfen, verursachen sie Schmerzen und Koliken. Zwei Experten erklären, welche Ursachen hinter den Steinen stecken.
Zu gern möchten wir alle steinreich sein, denken dabei aber natürlich nicht an die Steine, die sich in unserem Körper bilden können. Das sind verschiedene Sorten, je nachdem, wo sie entstehen – ob in der Gallenblase oder in den Nieren. Manche spürt man nie, andere können höllische Schmerzen bereiten, wenn sie auf Wanderschaft gehen und wichtige „Transportwege“ verstopfen. Dann sprechen Mediziner von einer Kolik.
Weshalb trägt man Steine in sich?
Salopp könnte man sagen: weil etwas im Körper sich nicht im richtigen Gleichgewicht befindet. Im Fall der Gallensteine sind das die Bestandteile der Galle: Wasser, Cholesterin, Gallensäuren und das gelbfarbige Abbauprodukt Bilirubin. „Erhöht sich einer der Anteile, steigt etwa der Prozentsatz des Cholesterins, dann bilden sich in der Galle Kristalle, die sich auf Dauer zu harten Steinen zusammenballen. Sie lagern sich meist in der Gallenblase ab, dem Reservoir für die Gallenflüssigkeit“, erklärt Dr. Christian Weik, Gastroenterologe (Experte für den Magen-Darm-Trakt), Hepatologe und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Düsseldorfer Augusta-Krankenhaus. Bei den Nierensteinen sieht es etwas anders aus: Wenn der Urin konzentriert und übersättigt von Substanzen wie Harnsäure oder Kalziumoxalat ist, dann werden diese laut Dr. Mohamed Al-Shurbaji, niedergelassener Urologe in Mülheim an der Ruhr und zudem für das Alfried-Krupp-Krankenhaus in Essen tätig, nicht richtig aufgelöst. Die Folge: In den Nierenbecken entstehen Steine, die bis zu drei mal vier Zentimeter groß werden können.
Kann man dafür eine Veranlagung besitzen?
Ja, sagen beide Experten. Mohamed Al-Shurbaji: „Wer eine Stoffwechselstörung und eine genetische Vorbestimmung hat, neigt dazu Steine zu bilden.“ Gastroenterologe Christian Weik geht davon aus, dass jeder fünfte bis sechste Mensch Gallensteine hat – hormonell bedingt vor allem hellhaarige Frauen um die 40, die ein paar Pfunde zu viel auf den Hüften haben, fruchtbar sind und bei denen schon Familienmitglieder unter Gallensteinen leiden.
Was sind andere Gründe?
Fettreiches Essen und Übergewicht stecken häufig als Ursache hinter Steinen, die durch einen erhöhten Cholesterinanteil in der Galle entstehen. Bei Männern mit vergrößerter Prostata kann der Urin, der nicht richtig aus der Blase abfließt, ebenfalls lästige Klumpen bilden.
Wie bemerkt man sie?
Viele Menschen wissen ihr Leben lang nicht, dass sie Steine mit sich herumtragen. Bereiten sie keine Beschwerden, lassen die Mediziner sie in Ruhe. Bedenklich wird es erst, wenn sie in Bewegung geraten, Entzündungen verursachen oder gar wichtige Kanäle innerhalb des Körpers blockieren. Christian Weik: „Wenn wir etwas essen, zieht sich die Gallenblase zusammen, um zur Verdauung Gallenflüssigkeit dazu zu steuern. Dabei können die Steine ihre Position verändern und sogar den Gang verstopfen, durch den die Galle abfließt.“ Wer regelmäßig ein Völlegefühl bis hin zur Übelkeit nach den Mahlzeiten verspürt und Schmerzen im Oberbauch hat, sollte einen Gastroenterologen oder Internisten nach Gallensteinen Ausschau halten lassen. Nierensteine machen sich laut Mohamed Al-Shurbaji durch undefinierbare Rücken- und Unterbauchschmerzen, die in die Leisten und den Genitalbereich ausstrahlen, bemerkbar – außerdem durch Blut im Urin.
Sind sie gefährlich?
Bleibt ein Gallenstein im Gallengang stecken oder ein wandernder Nierenstein im Harnleiter, dann tritt ein Notfall ein: Im ersten Fall staut sich die Gallenflüssigkeit bis in die Leber, und im zweiten Fall der Urin bis in die Nieren. „Schmerzen wie Messerstiche sind die Folge“, sagt Urologe Al-Shurbaji – und Gastroenterologe Weik bestätigt, dass sich Gallenkoliken so schlimm anfühlen können wie Wehen. Steine, die an der Gallenblasenwand reiben, könne außerdem Entzündungen verursachen.
Wie erkennen Mediziner Steine?
Die meisten lassen sich mithilfe von Ultraschall feststellen. Steine, die im Harnleiter stecken, macht der Urologe gelegentlich auf Röntgenbildern aus oder in Notfällen bei einer Computertomografie.
Kann man vorbeugen?
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Wichtig ist nach Ansicht der Experten eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse sowie wenig Fleisch. Viel magnesiumhaltiges Mineralwasser, bis zu drei Liter täglich, verdünnt den Urin. „Das heißt, es kommt zu einer Urinausscheidung von anderthalb Litern“, sagt Mohamed Al-Shurbaji. Dies könne die Bildung von Nierensteinen vermindern. Wem das zu fad ist, der kann zur Apfelschorle greifen, keinesfalls aber zu Cola, Limo, schwarzem Tee oder Kaffee. Wer schon Nierensteine hatte, der bekommt nach einer Laboranalyse mitgeteilt, aus welchen Bestandteilen seine Steine bestehen und muss dann entsprechend Diät halten. Also zum Beispiel weniger Milchprodukte, Spinat, Tomate oder Schokolade essen, weil darin viel steinbildendes Kalziumoxalat enthalten ist.
Welche Therapien gibt es?
Schmerzmittel, krampflösende Medikamente und warme Wickel können laut Christian Weik gegen Beschwerden bei Gallensteinen helfen, bei Entzündungen werden Antibiotika gegeben. Verstopft ein Stein den Gallengang, geht der Spezialist mit einem Endoskop hinein und entfernt ihn mittels eines Ballons oder Körbchens. Eine Gallenblase voller Steine wird heutzutage häufig mithilfe der Schlüssellochchirurgie entfernt. „Der Körper braucht sie nicht“, sagt Dr. Weik. Nierensteine können zertrümmert werden – mithilfe von Stoßwellen, einer Laser-Sonde oder einem Mini-Hammer, der durch ein Endoskop in den Harnleiter eingeführt wird. Urologe Al-Shurbaji: „Das geschieht unter Narkose. Ist der Stein in Stücke gegangen, legen wir eine Schiene innerhalb des Harnleiters, damit die Trümmer herausgespült werden.“ Kleine Steine gehen nach seinen Worten durch reichliche Flüssigkeitszufuhr spontan ab.