Gelsenkirchen. Während NRW-Inniminister Ralf Jäger (SPD) darüber nachdenkt, ob die Städte Jodtabletten ausgeben dürfen, hat sich in Gelsenkirchen herausgestellt: Hier gibt es sie bereits in einem Lager der Feuerwehr.
Der Rat der Stadt Gelsenkirchen hat in diesem Themenfeld über eine Resolution früh Stellung bezogen. Er unterstützt auf Antrag der Grünen Ratsfraktion einstimmig das gemeinsame juristische Vorgehen der Städteregion Aachen und des Landes NRW gegen den Betrieb der belgischen Alt-Atomkraftwerke Doel 1 und 2 (bei Antwerpen) sowie Tihange 1 (bei Lüttich). Die umstrittenen Alt-Reaktoren, deren Laufzeiten ohne förmliche Beteiligung der Nachbarstaaten weit über die geplante Lebensdauer von 40 Jahren hinaus verlängert wurden, sind die Ursache für eine schnell an Fahrt gewinnende Diskussion: Bürger mit Jodtabletten zu versorgen.
Sieben Ausgabestellen
In Gelsenkirchen wäre dieses Vorhaben für die definierte Risikogruppe (Menschen bis 45 Jahre) heute schon abgesichert. Stadtsprecher Martin Schulmann sagte der WAZ auf Anfrage, dass die Feuerwehr, die im Zuge des Katastrophenschutzes für die Verteilung zuständig wäre, seit dem Jahr 2014 rund 120.000 Jodtabletten vorhalten würde und die Risikogruppe tatsächlich rund 70.800 Personen umfasse. „Es würde meines Wissens sieben Ausgabestellen im Stadtgebiet geben, die alle einen Radius von etwa ungefähr drei Kilometern Strecke oder 30 Gehminuten umfassen.“
Ob die Feuerwehr im Fall einer tatsächlichen Katastrophe nicht andere Aufgaben zu erledigen hätte... – das mochte Schulmann nicht beantworten, der den Gedanken, die Bürgerschaft aktiv in die Versorgung einzubinden, für keinen verkehrten Ansatz hält. „Immerhin liegen die Produktionskosten für eine Tablette bei weniger als einem Cent. Eine abgestimmte Meinung aus dem Bereich des Katastrophenschutzes dazu aber gibt es noch nicht“, sagte der Stadtsprecher.
Diskussion ist reiner Aktionismus
Isabel Bomke, sie führt die Alte Elefanten-Apotheke auf der Essener Straße in Horst, kommt aus der Sicht einer Pharmazeutin zu einer ganz anderen Einschätzung: „Ich halte die Diskussion rund um die Ausstattung der Bevölkerung mit Jodtabletten für reinen Aktionismus.“
Bomke vertritt die Ansicht, dass Menschen, die sich normal ernährten und keine ausgewiesene Schilddrüsenfehlfunktion hätten, über Lebensmittel ausreichend mit Jod versorgt seien. „Es gibt ja etwa kaum noch Kochsalz ohne Jod.“ Auch würde es keine Versorgungsengpässe auf diesem Feld geben. „Wenn wir von einer Katastrophe dieses Ausmaßes betroffen wären, hätten wir andere Sorgen. Da würde eine Jodtablette nicht weiterhelfen.“