Gelsenkirchen. . Faszien sind im Bereich Gesundheit und Fitness derzeit ein wahres Hype-Thema. Dabei sind die Trainingsmethoden für das Bindegewebe nur zum Teil neu.
Ob Faszien-Yoga, Faszien-Pilates, Faszien-Aerobic oder sogar Faszien-Tanz – die Fitness-Studios im Lande sind geradezu „faszieniert“ von den neuen Trainingsformen. Und bedienen sich der Wortspiele zum Hype „Faszien“ ebenso verzückt wie Frauen- und Gesundheitsmagazine. Wir haben mit Jörg Mietz über Faszien-Training gesprochen. Er ist Heilpraktiker und Vorsitzender des Naturheilvereins Ruhrgebiet. Der 50-Jährige hat dieses Training schon vor Jahren für sich und seine Patienten entdeckt und sagt: „Ich bin dadurch so beweglich wie nie zuvor“.
Was sind eigentlich Faszien? „Der Körper ist durchzogen von einem Netzwerk an elastischem Bindegewebe, Faszien genannt“, erklärt Jörg Mietz. Die Faszien umschließen Organe, Muskeln, Nerven, Knochen und Gelenke und verbinden so alle Bestandteile des Körpers miteinander. Mittlerweile weiß man, dass in den Faszien viele Nerven und Rezeptoren liegen, so dass Forscher von dem größten Sinnesorgan des Körpers sprechen. Faszien können Schmerz auslösen sowie die Bewegung und Lage der Gliedmaßen registrieren.
Elemente aus Tai-Chi, Turnen, Pilates und Yoga
Unter dem Stichwort „Faszien Training“ findet man auf Online-Kanälen wie Youtube zig Videos. Darin rollen Menschen über Schaumstoff-Nudelhölzer. Eine Frau sagt: „Spüre, wie die Faszie wie eine Pizza ausrollt. Wenn du drüber rollst, presst du die Fasern aus. Wenn du weggehst, kann die Flüssigkeit wieder einströmen.“
Aber die Übungen mit der Rolle sind nur Teil des Trainings. „Dazu gehört alles, was den Muskel in Dehnung und Streckung bringt“, sagt Mietz. Elemente aus Tai Chi, Turnen, Pilates und Yoga werden genutzt. Faszien-Übungen basieren meist auf dehnen, hüpfen, biegen, rollen. Dem Dehnen wird große Bedeutung beigemessen. Mietz erklärt das so: „Was nützt mir ein praller Muskel, wenn ich die Nährstoffe nicht in seine Zellen bekomme.“ Sprich, wenn die Autobahnen dahin, die Faszien, verstopft sind? Deshalb, so Mietz, müssten Muskeln sehr lange gedehnt werden, „bis zu zwei Minuten“. Im Zusammenspiel mit dem Biegen, Hüpfen und Rollen löse das Training diese „Verklebungen“ im Bindegewebe, mache so die Muskeln leistungsfähiger, weil sie besser mit Energie und Sauerstoff versorgt würden.
Verklebte Faszien tun noch mehr weh als das Rollen
Es tut schon weh, nur beim „Entkleben“ per Rolle zuzuschauen. „Wenn’s schmerzt, ist das ganz okay. Es soll ein Wohlschmerz sein“, sagt die Vorturnerin. Ihre Unterarme und eine Schaumstoffrolle unter den Oberschenkeln halten ihren Körper akkurat in der Horizontalen, während sie sich vor und zurück schiebt. Wobei sie sich aber wohl fühlt. Auch Jörg Mietz sieht im Schmerz mehr Nutzen als Qual: „Es zwackt ein wenig, aber ein gesunder Muskel braucht den Schmerzreiz über längere Zeit.“
Verklebte Faszien tun laut Mietz wesentlich mehr weh. Sie verändern ihre Struktur, wenn man sich wenig bewegt, werden dick. Ursache seien Lebensgewohnheiten. „Ein Großteil von uns sitzt die meiste Zeit des Tages.“ 80 Prozent der Menschen hielten ihre Hände meist nur in Nabelhöhe, das führe häufig zu Muskelverkürzungen im Bauch- und Brustbereich. „Die Folgen sind Rücken und Nackenschmerzen, weil sich der Schwerpunkt des Körpers verlagert“, erklärt der Heilpraktiker. „Dabei liegt Ursache für den Schmerz doch auf der anderen Seite“.
Was bleibt, ist der Eindruck, dass dieses „neue Training“ viele Gymnastikübungen aus Großmutters Zeiten vereint. Und dass das Bindegewebe unter dem neuen Etikett „Faszien“ gerade sein Image wandelt. Wie der Darm, der lange tabuisiert war, ehe man seine Bedeutung für die Gesundheit entdeckte.
Hüpfen, Dehnen, Biegen und Rollen gehören zusammen
Regelmäßiges, langfristiges Dehnen, wie beim Yoga über Wochen hinweg, steigert die muskuläre Leistungsfähigkeit. Die Hüpf-Elemente ähneln dem Training, das Profisportler (z.B. Fußballer) zur Steigerung der Schnelligkeit und Leistungsfähigkeit seit Jahrzehnten anwenden. Bei beiden ist die Wirkung nachgewiesen.
Den Biege-Übungen liegen wellenförmige Bewegungen der Wirbelsäule zugrunde. Sie sollen die Körperwahrnehmung verbessern, das Bindegewebe gleichmäßig „bewässern“ und das Wasser im Körper umverteilen. Das Rollen steigere die Beweglichkeit. Studien, die das belegen, gibt es noch nicht, aber Hinweise auf solche Effekte.
Die Elisabeth-Käsemann-Familienbildungsstätte in Gelsenkirchen bietet in Kooperation mit dem Naturheilverein Ruhrgebiet Faszien-Training an. Info und Kontakt: Elisabeth-Käsemann-Familienbildungsstätte, Pastoratstraße 10, 0209 1798-120, Naturheilverein Ruhrgebiet: Königgrätzer Straße 20, 0209 59 09 456.