Gelsenkirchen. Heimat schreibt Joachim Poß mit GE, weil er gerne für die Gelsenkirchener in der Bundespolitik arbeitet. Das macht der Sozialdemokrat bereits seit 35 Jahren ohne Unterbrechung.

Heimat schreibt Joachim Poß mit GE, weil er gerne für die Gelsenkirchener in der Bundespolitik arbeitet. Das macht der 65-jährige Sozialdemokrat bereits seit 35 Jahren ohne Unterbrechung. Zunächst in Bonn, dann in Berlin. In seinem Stammlokal La Scala in Buer lässt er keinen Zweifel daran, dass er genau das auch weiterhin so halten wird. Bis zur nächsten Wahl im September 2017. „Dann aber ist Schluss“, betont er, um lachend anzufügen: „Also schreiben Sie noch keinen Abgesang. So weit ist es heute noch nicht.“

Joachim Poß ist eine Person des öffentlichen Lebens. Im Ruhrgebiet nennt man das: „Bekannt wie ein bunter Hund.“ Das gilt sicherlich für viele Orte in der Republik, besonders aber für Gelsenkirchen. Kaum einer, den er im Restaurant nicht kennt oder begrüßt. Auf der Straße ist das nicht anders. Poß ist ein Gesicht dieser Stadt.

Dass er keine Karte braucht, um sein Essen (Thunfisch und Gemüse) zu bestellen, ist eine Randnotiz. Dass er abends keine Kohlenhydrate zu sich nimmt, auch. Der Abgeordnete ist auf seine Fitness bedacht, zu der regelmäßiger Sport gehört. Dass ist ihm wichtig, „weil es mir dabei hilft, meine Arbeit erledigen zu können“.

Dann ist das eine Nachricht

Ein Abgesang? Nein, das ist nicht die Intention dieses Treffens. Doch wenn einer wie er seinen Rückzug aus der Politik ankündigt, dann ist das eine Nachricht, die sogar in den Bundesmedien eine Rolle spielt. Nach den Beweggründen zu fragen, ist eine journalistische Pflicht. Die klingen so. „Für mich war die Abwägung einer erneuten Kandidatur nicht ganz einfach“, sagt Poß. Sein Mandat, ob im Wahlkreis Gelsenkirchen oder in Berlin, nehme er gerne und ohne Ermüdungserscheinungen wahr. „Andererseits sind dann bald 37 Jahre intensiver Arbeit und Anstrengung eine Zeitspanne, die mich natürlich bei meinen Überlegungen beeinflusst hat.“

Poß ist ein Parteisoldat alter Schule. Er weiß, was er der SPD schuldet.Vielleicht deshalb die Entscheidung, die er im Kontext eines Generationenwechsels sieht. „Da ich ja seit Jahrzehnten in der Partei an verschiedenen Stellen Führungspositionen ausgeübt habe, weiß ich, wie wichtig es ist, die Weichen für einen Generationswechsel zu stellen.“ – Und zwar rechtzeitig. Würde sein Alter nicht irgendwo eine Rolle spielen, Poß hätte die nächste Kandidatur angenommen und gestemmt.

Eine ungewöhnliche und erfolgreiche Karriere

Wie ungewöhnlich und erfolgreich die politische Karriere des gelernten Stadtinspektors verlaufen ist, verdeutlicht dies: Die durchschnittliche Mandatszeit eines Bundestagsabgeordneten liegt bei zehn Jahren. Poß hat es im September 2017 dann auf stolze 37 Jahre gebracht – ohne Unterbrechung.

Er ist immer als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Gelsenkirchen I bzw. seit dem Jahr 2002 des Wahlkreises Gelsenkirchen in den Bundestag eingezogen. Bei der Bundestagswahl 2005 erhielt er 59,7 Prozent der Erststimmen, bei der Bundestagswahl 2009 dann 54,3 Prozent. Bundesweit gab es keinen SPD-Kandidaten mit einem besseren Resultat. Von 1988 bis 1999 war Poß finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, von 1999 bis 2013 ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender für die Bereiche Finanzen und Haushalt. Als Frank-Walter Steinmeier 2010 krankheitsbedingt das Amt des Fraktionsvorsitzenden nicht ausüben konnte, bestimmte er Poß zum Interimsvorsitzenden. Heute ist Joachim Poß Mitglied im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union und stellvertretendes Mitglied im Finanzausschuss. Und wenn er im September 2017 geht, dann ist die Zeit für den Abgesang gekommen. Mit hoffentlich vielen Anekdoten aus 37 Jahren Deutscher Bundestag.