Gelsenkirchen. Claudia Mathony unterstützt den Blindenfußball von Schalke 04 seit drei Jahren. Dabei wollte sie sich ursprünglich gar nicht ehrenamtlich engagieren.

„Eigentlich wollte ich gar kein Ehrenamt“, sagt Claudia Mathony. „Eigentlich wollte meine Tochter sich freiwillig engagieren und ich habe sie zum Gespräch in der Ehrenamtsagentur begleitet. Sie ist schuld daran, dass ich jetzt hier stehe.“ Sagt’s, fügt schnell noch hinzu „Im positiven Sinne“, und lacht herzhaft.

Das linke Bein leicht eingeknickt, die Arme vorm Körper verschränkt, lehnt Mathony an der gedeckt-grünen Wand in der Turnhalle an der Hans-Böckler-Allee und blickt auf das Geschehen.

Erst einlaufen, dann folgen Liegestützen

Sieben Männer machen sich in der Halle gerade warm fürs Training – erst laufen sie sich ein, dann folgen Liegestützen. Die zweite Frau in der Halle ruft ihnen immer wieder neue Anweisungen zu; sie sollen den Oberkörper schneller absenken, anschließend bei den Liegestützen klatschen.

Mitte 20 bis Mitte 40 sind die Männer; alle fußballbegeistert und alle blind beziehungsweise stark sehbehindert. Sie gehören zur Blindenfußball-Mannschaft des FC Schalke 04 – und spielen in der ersten Bundesliga.

Keiner darf etwas sehen

Auch Claudia Mathony hat jahrelang selber Fußball gespielt, in Berührung mit Blindensport ist sie vorher jedoch nie gekommen – „ich wusste gar nicht, was auf mich zukommt“. Dennoch ist die Kundenbetreuerin aus Horst auf Anraten von Ehrenamtsagentur-Leiterin Beate Rafalski einmal zum Training hingegangen – und hängengeblieben, wie sie es nennt.

Seit drei Jahren steht die 49-Jährige nun zweimal wöchentlich in der Turnhalle, auf dem Asche- oder Rasenplatz. Meistens als „Guide“, sprich hinter dem Tor der gegnerischen Mannschaft. Beim Blindenfußball dürfen Guides, Torwarte und Trainer sehen (können). Sie dirigieren ihre Spieler mit Zurufen.

Rufe dienen der Orientierung

Alle sind warmgelaufen, die Spieler setzen Augenklappenbinden und Augenpflaster auf – damit auch wirklich keiner etwas sieht. Die nächste Aufgabe: Im Slalom um menschliche Hindernisse herumdribbeln. Mathony wirft einen Fußball in die Halle. Kurz klingt es, als regnete es; im Inneren ist der Ball mit Rasseln versehen. Auf diese Weise ist er hörbar.

„Willst du mitmachen?“, ruft Bayram Dogan mir zu. Er ist Mannschaftskapitän. Und schon stehe ich in der Halle, nahe des Anstoßpunktes, inmitten des Geschehens. „Voy“ – das ist spanisch und heißt „Ich komme“ – muss ich rufen, sobald sich einer der Spieler mir nähere, erklärt Claudia Mathony mir. Damit dieser sich orientieren könne.

„Ich bin hier her gekommen. Und ich war da.“

Der dritte Durchgang läuft, ich bin erstaunt, wie schnell und vor allem wie sicher das Slalomdribbling bei den meisten klappt. „Genau so war das damals bei mir auch. Ich bin hier hergekommen, wurde direkt in das Training einbezogen. Ich war da“, sagt Mathony.

Sofort wurde sie aufgenommen in die Mannschaft, schnell fassten die Mitspieler Vertrauen zu ihr. Ohne, dass sich die Fußballer auf ihre Guides verlassen könnten, funktioniere es nicht. „Blindes Vertrauen verstehe ich jetzt ganz anders“, flüstert Mathony. Das Dribbling läuft noch, die Spieler müssen die Rassel hören.

Anfangs war Mathony sehr vorsichtig

Anfangs, da sei sie sehr vorsichtig gewesen im Umgang mit den Spielern, erzählt Claudia Mathony. „Aber das ist eigentlich völlig überflüssig.“ Die blinden Fußballer seien unheimlich sensibel: für die Stoffe, für die Emotionen ihres Gegenübers und für so viel mehr. Wobei, ihr Ehrenamt natürlich auch Verantwortung mit sich bringe: „Wenn wir in der Saison einmal im Monat weiter weg auswärts spielen und zum Beispiel mit dem Zug nach Leipzig reisen, müssen wir schon aufeinander aufpassen“, sagt die gelernte Arzthelferin. Ihr Ehrenamt, das bezeichnet sie nicht als solches. „Das gehört einfach dazu.“ Insofern überrascht auch nicht, dass Mathony erst die Saisonplanung und dann die Urlaubsplanung in Angriff nimmt.